Transferzahlungen der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt

Die Transferzahlungen der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt aus Beiträgen von versicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verstoßen nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – trotz vorliegender Ungleichbehandlung – für die Jahre 2005 und 2008 nicht gegen das Gebot der Belastungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Transferzahlungen der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt

Die Ungleichbehandlung ist wegen der grundlegenden und umfassenden Neuregelung des Sozialsystems für das Jahr 2005 gerechtfertigt: Die durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe freiwerdenden Beitragsmittel waren im Übergangsjahr 2005 ausnahmsweise nicht strikt zweckgebunden, sondern durften zur Finanzierung des Bundeshaushalts verwendet werden, um so die Mittel für die Eingliederung in Arbeit der Bezieher der neu eingeführten Grundsicherung für Arbeitsuchende aufzubringen. Für 2008 gilt diese aus dem Systemwechsel folgende Rechtfertigung zwar nicht. Die Transferzahlungen der Bundesagentur für Arbeit sind jedoch mit einem unter anderem in diesem Jahr zur Verfügung stehenden zweckungebundenen Bundeszuschuss zu saldieren, sodass diese wechselseitigen Zahlungen im Ergebnis ohne nachteilige Auswirkungen für den Beitragszahler blieben. Mit dieser Begründung hat der Erste Bundesverfassungsgericht des Bundesverfassungsgerichts zwei Verfassungsbeschwerden von Beitragszahlern zurückgewiesen und unter anderem einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verneint.

Dies entschied das Bundesverfassungsgericht jetzt auf zwei Verfassungsbeschwerden, mit denen die Beschwerdeführer – ein Arbeitnehmer1 und eine Arbeitgeberin2 – beanstandeten, dass ihre Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung in den streitbefangenen Jahren 20051 beziehungsweise 20083 in verfassungswidriger Weise überhöht festgesetzt worden seien: Die Bundesagentur für Arbeit habe nach dem mittelbar angegriffenen und im Mittelpunkt der Verfassungsbeschwerden stehenden § 46 Abs. 4 SGB II in der jeweils geltenden Fassung aus ihren Beitragsmitteln Transferleistungen an den Bundeshaushalt (2005: als Aussteuerungsbetrag; 2008: als Eingliederungsbeitrag) leisten müssen, die der Bund zur Mitfinanzierung der Kosten der Grundsicherung für Arbeitsuchende habe verwenden wollen. So seien ihre Beiträge unzulässig zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushaltes herangezogen und der in § 341 Abs. 2 SGB III in der in den Streitjahren jeweils maßgeblichen Fassung festgelegte Beitragssatz verfassungswidrig zu hoch bemessen worden. Das Bundesverfassungsgericht schloss sich dieser Argumentation jedoch nicht an:

Der sozialstaatlichen Absicherung des Risikos Arbeitslosigkeit dienen zum einen die Leistungen der Arbeitsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Die Arbeitsförderung soll schon dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, deren Dauer verkürzen und allgemein den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Zu den Leistungen, welche die im Wesentlichen beitragsfinanzierte Bundesagentur für Arbeit (bis 31.12.2003: Bundesanstalt für Arbeit) als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (vgl. § 367 Abs. 1 SGB III) als Leistungen der sozialen Vorsorge erbringt, gehören daher neben Entgeltersatzleistungen, wie namentlich dem Arbeitslosengeld, auch Leistungen der sogenannten aktiven Arbeitsförderung (§ 3 Abs. 2 i.V.m. dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches Drittes Buch); diese dienen dazu, Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt einzugliedern, also dafür zu sorgen, dass Arbeitslosigkeit beendet oder vermieden wird.

Nach Maßgabe des Sozialgesetzbuches Zweites Buch werden aber auch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Leistungen der sozialen Fürsorge erbracht. Dabei handelt es sich einerseits um auf die Existenzsicherung zielende Leistungen zum Lebensunterhalt. Im Rahmen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch werden andererseits auch Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht. Der Sache nach entsprechen diese Eingliederungsleistungen weitgehend den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung (vgl. § 16 ff. SGB II) und sollen wie diese die Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 SGB II).

Dabei gehören schon traditionell nicht nur Leistungen zum Lebensunterhalt, sondern auch die für die vorliegenden Verfahren bedeutsamen Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt zum Aufgabenbereich der Arbeitsförderung: Bereits das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16.07.19274, mit dem die Arbeitslosenversicherung in Deutschland eingeführt wurde, enthielt Regelungen über Arbeitsvermittlung und Berufsberatung (§§ 58 ff. AVAVG) und über Maßnahmen zur Verhütung und Beendigung der Arbeitslosigkeit (§§ 131 ff. AVAVG), unter anderem über berufliche Fortbildung und Umschulung (vgl. § 137 AVAVG).

Nach § 340 SGB III (Aufbringung der Mittel) werden die Leistungen der Arbeitsförderung und die sonstigen Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit durch Beiträge der Versicherungspflichtigen, der Arbeitgeber und Dritter sowie durch Umlagen, Mittel des Bundes und sonstige Einnahmen finanziert.

Die Beiträge bilden die Haupteinnahmequelle der Bundesagentur: Sie bestritt 2005 ihren Haushalt zu knapp 90 % aus Beitragsmitteln, 2008 zu etwa 70 % (2005: 46,99 von 52,69 Mrd. €; 2008: 26,45 von 38,29 Mrd. €). Der Beitrag wird nach einem in § 341 Abs. 2 SGB III gesetzlich bestimmten Prozentsatz – dem Beitragssatz – von den beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherungspflichtigen (vgl. §§ 342 bis 345b SGB III) bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erhoben (vgl. § 341 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 SGB III). § 341 Abs. 2 SGB III lautet – abgesehen von der jeweiligen Prozentzahl seit Einführung des Sozialgesetzbuches Drittes Buch unverändert -: „Der Beitragssatz beträgt [x,x] Prozent.“

Der regelmäßig unmittelbar durch den Gesetzgeber bestimmte Beitragssatz betrug in den Jahren 1998 bis 2006 6,5 %, im Jahr 2007 4,2 %, im Jahr 2008 3,3 %, im Januar 2009 3,0 % und von Februar 2009 bis Dezember 2010 2,8 %; seit Januar 2011 liegt er unverändert bei 3,0 %. Bei versicherungspflichtig Beschäftigten tragen diese und ihre jeweiligen Arbeitgeber die Beiträge grundsätzlich je zur Hälfte (§ 346 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Sie werden von den Arbeitgebern nach § 348 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit §§ 28d ff. SGB IV als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags an die für die jeweiligen Versicherungspflichtigen zuständige Krankenkasse als Einzugsstelle gezahlt.

Hinzu treten unter anderem weitere Mittel des Bundes: Er trägt nach § 363 Abs. 1 SGB III (von 2007 bis 2012: § 363 Abs. 2 SGB III) die Leistungsausgaben für Aufgaben, deren Durchführung die Bundesregierung auf Grund des Sozialgesetzbuches Drittes Buch der Bundesagentur für Arbeit übertragen hat; Verwaltungskosten werden wegen ihrer regelmäßigen Sachnähe zu den originären Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nicht erstattet. In erster Linie wird auf dieser Grundlage die Durchführung befristeter Arbeitsmarktprogramme finanziert (vgl. § 368 Abs. 3 SGB III). Für weitere Aufgaben, die der Bund der Bundesagentur für Arbeit in anderen Gesetzen übertragen hat, trägt er nach § 363 Abs. 2 SGB III (bis 2012: § 363 Abs. 3 SGB III) die gesamten Kosten einschließlich der Verwaltungskosten. Unter diese Regelung fällt vor allem das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz.

Während der bis dahin in § 365 SGB III vorgesehene Defizitausgleich durch Mittel des Bundes mit Ablauf des Jahres 2006 abgeschafft wurde, erhielt die Bundesagentur für Arbeit ab dem Jahre 2007 einen zweckungebundenen Zuschuss aus Bundesmitteln (§ 363 Abs. 1 SGB III in der Fassung des Art. 7 Nr. 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 vom 29.06.2006, BGBl I S. 1402; für 2012 geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen vom 06.12.2011, BGBl I S. 2563). Der Bund zahlte auf dieser Grundlage, finanziert durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer, zur Beteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung an die Bundesagentur für Arbeit in den Jahren 2007 bis 2012 Beträge zwischen 6,468 Mrd. € und 8,05 Mrd. €; im Streitjahr 2008 betrug der Zuschuss 7,583 Mrd. €.

Vor der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1.01.2005 sah das Sozialgesetzbuch Drittes Buch neben dem Arbeitslosengeld als der Versicherungsleistung für Arbeitslose als weitere Entgeltersatzleistung die bei Bedürftigkeit zu zahlende Arbeitslosenhilfe vor (vgl. §§ 190 bis 206 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden alten Fassung). Die ehemals Bundesanstalt und nun Bundesagentur für Arbeit genannte Behörde erbrachte sie nach § 205 Satz 1 SGB III 2004 im Auftrag des Bundes. Deswegen trug dieser nach § 363 Abs. 1 Satz 1 SGB III 2004 auch die hierfür anfallenden Leistungsausgaben. Die Verwaltungskosten, die der Bundesagentur für Arbeit durch die Arbeitslosenhilfe entstanden, wurden ihr dagegen vom Bund nicht erstattet (§ 363 Abs. 1 Satz 2 SGB III 2004). Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe konnte – grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung – seit Ende 1999 nur noch im Anschluss an die Gewährung von Arbeitslosengeld geltend gemacht werden (sogenannte Anschluss-Arbeitslosenhilfe) und knüpfte insoweit an die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld an.

Neben Beziehern von Arbeitslosengeld hatten auch Empfänger von Arbeitslosenhilfe wie auch sonstige Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch Anspruch auf Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung. Eine Kostentragung durch den Bund hierfür war damals nicht vorgesehen, so dass die Kosten für die Eingliederung von Empfängern von Arbeitslosenhilfe und die damit verbundenen Verwaltungskosten aus Beitragsmitteln aufzubringen waren.

a)) Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.20035 entfiel mit Wirkung zum 1.01.2005 die Arbeitslosenhilfe als Leistung der Arbeitsförderung. Dafür schuf der Gesetzgeber mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende für Erwerbsfähige und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft (dazu § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB II) lebenden Personen ein neues System sozialer Fürsorge im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches. Seine Gesetzgebungskompetenz hierfür leitete der Bundesgesetzgeber aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) her6.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 SGB II); dazu soll sie erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und ihren Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können (§ 1 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Das Sozialgesetzbuch Zweites Buch unterscheidet dazu zwischen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in §§ 19 ff. SGB II, vornehmlich Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, und Leistungen zur Eingliederung nach §§ 16 ff. SGB II. Vorübergehend sah es in § 24 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung auch einen befristeten Zuschlag vor, der an den vorherigen Bezug von Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch anknüpfte und so eine lose Verbindung der Leistungen zum Lebensunterhalt nach den beiden Leistungssystemen herstellte.

Je nach in Rede stehender Leistung – und abgesehen vom Sonderfall der sogenannten Optionskommunen – ist entweder die Bundesagentur für Arbeit oder der jeweilige kommunale Leistungsträger für die Gewährung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zuständig (Leistungsträgerschaft). Allerdings werden die Zuständigkeiten von beiden insbesondere gegenüber den Leistungsberechtigten nach § 44b SGB II regelmäßig einheitlich und gemeinsam wahrgenommen – bis zum 31.12.2010 durch die sogenannten Arbeitsgemeinschaften, seit 1.01.2011 durch gemeinsame Einrichtungen, die unter der Bezeichnung „Jobcenter“ auftreten (Durchführungsträgerschaft). Davon zu unterscheiden ist schließlich die Frage, wer die Kosten der Leistungen zu tragen hat (Kostenträgerschaft).

Die kommunalen Träger – in der Regel die Kreise und kreisfreien Städte – sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II Leistungsträger für das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld, soweit diese für den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) erbracht werden, für die Leistungen zur Erstausstattung einer Wohnung (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II), für Erstausstattungen für Bekleidung und bei Schwangerschaft und Geburt (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II), für Leistungen für Bildung und Teilhabe (§ 28 SGB II) und schließlich für kommunale Eingliederungsleistungen (§ 16a SGB II), wobei es sich bei diesen um nicht unmittelbar auf die Vermittlung in Arbeit zielende, sondern diese vorbereitende oder begleitende Leistungen wie zum Beispiel die Kinderbetreuung oder die Schuldnerberatung handelt. Die Leistungsträgerschaft der Bundesagentur für Arbeit erstreckt sich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auf die übrigen Leistungen, namentlich auf die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfs (§ 20 SGB II) und eines Mehrbedarfs (§ 21 SGB II), auf die Durchführung der Sozialversicherung für Leistungsbezieher sowie auf die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 16 ff. SGB II) mit Ausnahme der kommunalen Eingliederungsleistungen.

Mit der Aufgabenzuständigkeit der kommunalen Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II geht grundsätzlich deren Kostenträgerschaft einher. § 46 Abs. 5 bis Abs. 11 SGB II ordnet allerdings eine Geldzahlung des Bundes an die Länder an, welche die Absicht verfolgt, eine Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Unterkunft und Heizung und hinsichtlich der Leistungen für Bildung und Teilhabe zu bewirken; die Regelung soll aber keinen Anspruch der Kommunen gegen den Bund oder die Länder begründen7.

Demgegenüber trägt nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB II der Bund die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten, soweit die Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit erbracht werden (Kostenträgerschaft des Bundes). Anders als hinsichtlich der Aufwendungen für die Leistungen zum Lebensunterhalt, die exakt abgerechnet werden, kann dabei für die Mittel, die für die Eingliederungsleistungen und die Verwaltungskosten benötigt werden, eine pauschalierte Abrechnung durch die Bundesagentur in einem sogenannten Gesamtbudget vorgesehen werden (§ 46 Abs. 1 Satz 5 SGB II).

Keine Zuständigkeiten besitzt die Bundesagentur für Arbeit hingegen im Falle einer kommunalen Einheitsträgerschaft durch zugelassene kommunale Träger, die sogenannten Optionskommunen (§ 6a SGB II i.V.m. der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24.09.20048); zur Zeit sind dies 104 Kreise und kreisfreie Städte, 2005 waren es 69. Für die Leistungserbringung durch die Optionskommunen enthält § 6b Abs. 2 SGB II eine spezielle Finanzierungsregelung.

Vor diesem Hintergrund sah § 46 Abs. 4 SGB II in der jeweils geltenden Fassung von 2005 bis 2012 die im Verfahren streitigen Transferzahlungen der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt zur teilweisen Deckung der Kosten der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor. Sie wurden wegen ihrer unterschiedlichen Berechnungsmodalitäten von 2005 bis 2007 „Aussteuerungsbetrag“, danach „Eingliederungsbeitrag“ genannt.

§ 46 Abs. 4 SGB II in der vom 01.01.2005 bis 31.12.2007 geltenden Fassung (§ 46 Abs. 4 SGB II 2005), der für das Verfahren 1 BvR 1728/12 maßgeblich ist, normierte den sogenannten Aussteuerungsbetrag. Unmittelbare gesetzliche Grundlage war das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.07.20049; die Regelung war allerdings bereits im Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.200310 – als Absatz 2 – enthalten.

Danach hatte die Bundesagentur für Arbeit viermal im Jahr eine als Aussteuerungsbetrag bezeichnete Transferzahlung an den Bund zu erbringen, welche anhand der Zahl der Arbeitsuchenden zu bemessen war, die nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezugs innerhalb von drei Monaten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II erwarben (sogenannte „Rechtskreiswechsler“, weil sie aus dem Leistungssystem des Sozialgesetzbuches Drittes Buch in das des Sozialgesetzbuches Zweites Buch „wechselten“). Die Höhe des Aussteuerungsbetrages ergab sich aus der Multiplikation der Zahl der Rechtskreiswechsler mit dem Zwölffachen der durchschnittlichen monatlichen Aufwendungen für Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und der Beiträge zur Sozialversicherung für eine Bedarfsgemeinschaft im vorangegangenen Kalendervierteljahr. Im Kalenderjahr 2005 errechnete sich daraus für den Aussteuerungsbetrag ein Volumen von 4,56 Mrd. € (das entsprach 8,65 % der Gesamteinnahmen der Bundesagentur für Arbeit von 52,69 Mrd. € oder 9,7 % der Beitragseinnahmen von 46,99 Mrd. €).

Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs11 sollte der Aussteuerungsbetrag einerseits einen Anreiz für die Bun-desagentur für Arbeit schaffen, Arbeitslose noch während des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch dauerhaft beruflich einzugliedern. Andererseits sollte er bewirken, „dass die finanziellen Mittel, die bisher aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit für Arbeitslosenhilfebezieher verwendet wurden, zum größten Teil für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Verfügung gestellt werden“12.

Durch Art. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.200713 wurde der Aussteuerungsbetrag mit Wirkung zum 1.01.2008 (vgl. Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes) durch einen Eingliederungsbeitrag in Höhe einer hälftigen Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit an den vom Bund zu tragenden Eingliederungs- und Verwaltungskosten nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ersetzt und § 46 Abs. 4 SGB II entsprechend neu gefasst (§ 46 Abs. 4 SGB II 2008).

Gleichzeitig wurde durch Art. 1 Nr. 2 desselben Gesetzes der Beitragssatz zur Arbeitsförderung von 4,2 % auf 3,3 % gesenkt (§ 341 Abs. 2 SGB III in der vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung).

Anlass für die Neuregelung waren die zum damaligen Zeitpunkt anhaltende positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die von der Bundesagentur für Arbeit erwirtschafteten Überschüsse. Letztere führte der Gesetzentwurf der Bundesregierung14 auch auf die vorausgegangenen Reformen am Arbeitsmarkt und insbesondere auf die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zurück. Von grundlegender Bedeutung sei, dass mit der Einführung des Sozialgesetzbuches Zweites Buch die Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit zur Finanzierung der aktiven Arbeitsförderung und anderer Leistungen für ehemalige Arbeitslosenhilfebezieher entfallen sei. Da der gesamtwirtschaftliche Aufschwung jedoch nur zu einem geringen Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit geführt habe, bestehe zwischen der Finanzentwicklung der Bundesagentur für Arbeit und den finanziellen Belastungen des Bundes ein deutliches Ungleichgewicht. Deshalb sei die finanzielle Lastenverteilung an der Schnittstelle zwischen Bund und Bundesagentur für Arbeit neu zu regeln.

In der Begründung zur Neufassung des § 46 Abs. 4 SGB II hieß es15:

„Die Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit an den Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit knüpft daran an, dass diese schon vor der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Eingliederungs- und Verwaltungsleistungen für Langzeitarbeitslose erbracht hat. Mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist die Bundesagentur für Arbeit bei den Ausgaben für Eingliederung und Verwaltung in Milliardenhöhe entlastet worden. Bei einer Nettobetrachtung werden Beitragsmittel des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit durch den Eingliederungsbeitrag nicht in Anspruch genommen. Die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung überschreitet derzeit den von der Bundesagentur für Arbeit zu leistenden Eingliederungsbeitrag deutlich.

Mit dem Eingliederungsbeitrag wird die Bundesagentur für Arbeit an einer positiven Entwicklung der Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt beteiligt. Durch frühzeitige Eingliederung im Bereich der Arbeitslosenversicherung kann die Bundesagentur für Arbeit Übertritte in die Grundsicherung für Arbeitsuchende verhindern. Die jeweils in der Folge sinkenden Aufwendungen für Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten mindern den von der Bundesagentur für Arbeit zu leistenden Eingliederungsbeitrag.“

Die Ersetzung des Aussteuerungsbetrages durch den Eingliederungsbeitrag hatte eine – beabsichtige – finanzielle Mehrbelastung der Bundesagentur für Arbeit durch die Transferzahlung nach § 46 Abs. 4 SGB II 2005/2008 zur Folge. Im Jahr 2008 führte er bei der Bundesagentur zu Ausgaben von 5 Mrd. € (das entsprach 13,06 % ihrer Gesamteinnahmen von 38,29 Mrd. € oder 18,9 % ihrer Beitragseinnahmen von 26,45 Mrd. €).

Durch Art. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2013 vom 20.12.201216 wurde § 46 Abs. 4 SGB II mit Wirkung zum 1.01.2013 ersatzlos aufgehoben und damit die Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit an der Finanzierung der Grundsicherung für Arbeitsuchende beseitigt. Im Gegenzug entfiel auf Grund von Art. 2 des Gesetzes auch die Bundesbeteiligung an der Finanzierung der Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit durch den zweckungebundenen Zuschuss nach § 363 Abs. 1 SGB III a.F. Motiv hierfür war nach den Gesetzesmaterialien die Entflechtung der Finanzbeziehungen zwischen den Haushalten des Bundes und der Bundesagentur für Arbeit17. Da der Wegfall des Bundeszuschusses durch die Aufhebung des Eingliederungsbeitrags nicht vollständig kompensiert wurde, verwiesen die Gesetzesmaterialien die Bundesagentur für Arbeit auf eine Deckung des Fehlbetrags mittels ihrer Rücklage18.

Die beiden Beschwerdeführer – ein Arbeitnehmer1 und eine Arbeitgeberin2 – scheiterten mit einer Klage gegen die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge vor dem Bundessozialgericht19. In beiden, im Wesentlichen übereinstimmend begründeten Entscheidungen ging das Bundessozialgericht davon aus, die Klagen seien zulässig, könnten jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.

Ein Erstattungsanspruch für zu Unrecht entrichtete Beiträge nach § 26 Abs. 2 SGB IV in Verbindung mit § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III bestehe nicht. Die Festsetzung der Beiträge zur Arbeitsförderung sei nicht zu Unrecht erfolgt. Der im Jahr 2005 beziehungsweise der im Jahr 2008 geltende gesetzliche Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung sei nicht rechtswidrig zu hoch festgelegt.

Die Beitragsbelastung verletze den jeweiligen Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Dieses schütze die Beitragszahler einschließlich der beitragspflichtigen Arbeitgeber zwar vor einer verfassungswidrig zu hohen Belastung in einer Zwangsversicherung. Die Annahme eines Eingriffs setze jedoch voraus, dass die Zahlung des Aussteuerungsbetrages beziehungsweise des Eingliederungsbeitrags aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit erfolge, die aus Beiträgen aufgebracht worden seien, und ein rechtlich relevanter Zusammenhang zwischen der Höhe des Beitragssatzes und den Belastungen der Bundesagentur für Arbeit durch die jeweilige Transferzahlung bestanden habe.

Wenngleich Beitragszahler und Versicherte keinen Anspruch auf eine bestimmte Mittelverwendung hätten, folge aus einem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts20 im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die Verwendung von Mitteln aus dem Beitragsaufkommen nicht mehr in jedem Fall und ausnahmslos ohne Bedeutung für Grundrechte der Beitragszahler sei, sondern zumindest darauf überprüft werden könne, „ob äußerste Grenzen überschritten“ worden seien21. Derartige „äußerste – auf Verfassungsnormen beruhende – Grenzen“ habe der Gesetzgeber nicht überschritten22. § 46 Abs. 4 SGB II stelle sich in beiden Fassungen trotz der durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründeten strengen Zweckbindung der Beiträge, die nur solche Finanzierungsregelungen zulasse, die einen sachlich-gegenständlichen Bezug zur Sozialversicherung aufwiesen, „(noch) als kompetenzgemäß“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG dar23. Dem Gesetzgeber stehe ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die durch den Aussteuerungsbetrag und den Eingliederungsbeitrag erhobenen Mittel „dienten nämlich (noch) zur Finanzierung von Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, zu denen (vorrangig) die – beitragsfinanzierte – aktive Arbeitsförderung (vgl §§ 1, 3, 5 SGB III) und hier die Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit“ gehöre24.

Ein ausreichender „gruppenspezifischer Verantwortungszusammenhang“ in Gestalt einer „verlängerten“ Verantwortung der in der Arbeitslosenversicherung (zwangsweise) zusammengefassten Solidargemeinschaft habe bestanden25. Die Transfers stünden „(noch) in einem hinreichenden sachlich-gegenständlichen Bezug“ zur Arbeitsvermittlung und zur Arbeitslosenversicherung24. Vor allem die Bestimmungsparameter für den Umfang der Transfers bildeten einen hinreichenden Nexus für eine Sozialversicherungsbeitragspflicht.

Die Eingliederungsmaßnahmen würden im Auftrag des Bundes von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt. Die Verantwortung des Bundes für diese Aufgabe und die Finanzierung durch Steuern seien erst durch die „Hartz IV“-Reformen eingeführt worden. Jedoch lasse sich einer „solchen formalen Zuordnung der Aufgabe aktiver Arbeitsförderung bzw ihrer formalen Aufteilung auf die Rechtskreise SGB III und SGB II kompetenzrechtlich nichts entnehmen“26, da die Arbeitsförderung rechtskreisübergreifend stattfinde und unabhängig davon sei, ob Leistungen aus Steuer- oder Beitragsmitteln stammten. Das Bundesverfassungsgericht habe zudem eine Ausweitung des Kreises der sozialversicherungsrechtlich geschützten Personen in ständiger Rechtsprechung stets gebilligt. Das müsse dann auch für die Ausweitung ihrer Aufgaben gelten. Eine hinreichende „Zweckbestimmung auf der Ausgabenseite“ ergebe sich „konzeptionell aus der Art der Berechnung des Aussteuerungsbetrags“27; ein gruppenspezifischer Verantwortungszusammenhang liege vor.

Zudem komme die Verwendung der Mittel durch die erfolgreiche Integration der Grundsicherungsempfänger in den Arbeitsmarkt auch der Leistungsfähigkeit des Systems der Arbeitslosenversicherung zugute.

Die beiden Finanzierungsregelungen des § 46 Abs. 4 SGB II 2005/2008 seien wegen ihres sachlich-gegenständlichen Bezugs zum Bereich der Arbeitsvermittlung sowie der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung und wegen der zum 1.01.2005 erfolgten Entlastung der „Solidargemeinschaft des SGB III“ auch als verhältnismäßig anzusehen28; namentlich durch den Wegfall der Kosten für die Eingliederung von Arbeitslosenhilfeempfängern ab 2005 beziehungsweise die Begrenzung der Finanzierungsbeteiligung der Bundesagentur für Arbeit ab 2008.

Zu der gerügten Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG führte das Bundessozialgericht aus, die Transferzahlungen seien mit Blick auf die Versicherten als „eigen- bzw gruppennützig“ und daher durch den „Gesichtspunkt der ‚Vorteilsgewährung‘ legitimiert“ anzusehen29. Den Beschwerdeführern seien im Verhältnis zu anderen Steuer, aber Nicht-Beitragspflichtigen nicht „überproportional“ hohe finanzielle Lasten auferlegt worden. Bei Versicherten sei eine Beitragsbelastung jedenfalls dann sachlich gerechtfertigt, wenn diese über ihre Steuerpflicht hinaus lediglich zu solchen Versicherungsbeiträgen herangezogen würden, die der Finanzierung des gerade auch ihnen selbst zugutekommenden Versicherungsschutzes dienten und deshalb eigen- beziehungsweise gruppennützig seien. Dieser Gesichtspunkt der Vorteilsgewährung legitimiere auch die Zahlung des Aussteuerungsbetrages durch die Bundesagentur für Arbeit an den Bund. Eine beitragspflichtige Arbeitgeberin und deshalb am Versicherungsverhältnis Beteiligte im Sinne des Sozialversicherungsrechts könne keine andere Behandlung als ein Versicherter verlangen.

Auch sonstige Verfassungsnormen sah das Bundessozialgericht in beiden Entscheidungen nicht als verletzt an.

Die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden wies das Bundesverfassungsgericht nun als unbegründet zurück:

Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Insbesondere sind die Beschwerdeführer beschwerdebefugt.

Nach § 90 Abs. 1 BVerfGG ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren beschwerdebefugt, wer behaupten kann, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein. Eine Beschwer in diesem Sinne liegt vor, wenn der Beschwerdeführer durch den angegriffenen Hoheitsakt selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist30.

Die Beschwerdeführer sind bereits durch die von ihnen angegriffenen Urteile des Bundessozialgerichts beschwert. Der Sache nach tragen sie vor, der nach Einführung des Aussteuerungsbetrages und des Eingliederungsbeitrags geltende Beitragssatz zur Arbeitsförderung für 2005 und für 2008 verletze sie wegen seiner Höhe in Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

Zwar sind sie nicht Normadressaten der Transferregelungen des § 46 Abs. 4 SGB II 2005/2008, denn diese richten sich ausschließlich an die Bundesagentur für Arbeit. Doch erscheint es nach dem Vortrag der Beschwerdeführer möglich, dass diese Regelungen über die Bemessung des durch den Gesetzgeber in § 341 Abs. 2 SGB III bestimmten Beitragssatzes, der sich am Mittelbedarf der Bundesagentur für Arbeit zu orientieren und damit die Transferzahlungen angesichts ihres Volumens einzubeziehen hatte, in rechtlich erheblicher und nicht nur reflexhafter Weise ihre Beitragspflicht und zudem das Versicherungsverhältnis des Beschwerdeführers im Verfahren 1 BvR 1728/12 nachteilig beeinflusst haben.

Dem steht der Grundsatz, dass sich aus den Grundrechten kein Anspruch eines Mitglieds eines öffentlich-rechtlichen Zwangsverbandes auf die generelle Unterlassung einer bestimmten Mittelverwendung ergibt31, nicht entgegen. In den vorliegenden Beschwerdefällen wenden sich die Beschwerdeführer nicht gegen die Erbringung von einzelnen Leistungen an andere Versicherte. Sie beanstanden vielmehr die sie selbst belastende Beitragshöhe, die von den streitigen durch Bundesgesetz in § 46 Abs. 4 SGB II 2005/2008 angeordneten Transferleistungen mitbestimmt werde. Dadurch unterscheidet sich die hiesige Situation von der Fallkonstellation, die den Entscheidungen über die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch die Krankenversicherung zugrunde lag32.

Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet. Zwar sind Sozialversicherungsbeiträge streng zweckgebunden und dürfen namentlich nicht für die Finanzierung des allgemeinen Staatshaushaltes verwendet werden33. Mit Blick auf die Besonderheiten der hier zur Prüfung stehenden Transfers in den konkreten Streitjahren 2005 und 2008 haben die Verfassungsbeschwerden jedoch keinen Erfolg. Dies gilt sowohl hinsichtlich eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in Gestalt des Gebots der Belastungsgleichheit als auch hinsichtlich eines Verstoßes gegen die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit.

Für das Jahr 2005 ist die Transferregelung und die an sie anknüpfende gesetzliche Festsetzung des Beitragssatzes trotz des Verbots staatsfinanzierender Haushaltstransfers aus Beitragsmitteln ausnahmsweise nicht zu beanstanden, weil der mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende verbundene Systemwechsel bei der sozialstaatlichen Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit es vorübergehend rechtfertigte, die bei der Bundesagentur für Arbeit hierfür vorhandenen Mittel dem Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen, aus dem die Aufgabe fortan zu finanzieren war. Im Jahr 2008 fehlte eine entsprechende Rechtfertigung, doch wirkte sich der Transfer im Ergebnis nicht auf den Beitragssatz aus, da ihm ein höherer zweckungebundener Zuschuss des Bundes an die Bundesagentur für Arbeit gegenüberstand.

Maßstab für die Beurteilung der angegriffenen Regelungen ist primär das Gebot der Belastungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen34.

Die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen erfordert vor diesem Hintergrund die Beachtung des aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleiteten Gebots der Belastungsgleichheit35, das sich auf alle staatlich geforderten Abgaben erstreckt36.

In Bezug auf nichtsteuerliche Abgaben verlangt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG einen sachlich einleuchtenden Grund dafür, dass ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus zu einer Abgabe herangezogen wird. Während jeder Bürger ohne Weiteres der Steuergewalt unterworfen ist, bedürfen weitere Abgabelasten im Hinblick auf die Belastungsgleichheit einer besonderen Rechtfertigung37. In der Sozialversicherung ergibt sich diese Rechtfertigung für Versicherte aus der Abdeckung des jeweiligen Risikos: Die Beitragsbelastung ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn Versicherte über ihre Steuerpflicht hinaus lediglich zu solchen Beiträgen herangezogen werden, die der Finanzierung des gerade auch ihnen zugutekommenden Versicherungsschutzes dienen. Dabei wird ein in diesem Sinne eigennütziger Sozialversicherungsbeitrag nicht dadurch fremdnützig, dass er zugleich dem der Sozialversicherung inhärenten sozialen Ausgleich zugunsten anderer Versicherter dient38.

Für Arbeitgeber und ähnliche Personen wie die zur Künstlersozialabgabe Verpflichteten ist der Sozialversicherungsbeitrag dagegen von vornherein fremdnützig, denn er versichert nicht ihr eigenes, sondern ein fremdes Risiko. Die Beiträge unterliegen deswegen einem gesteigerten Rechtfertigungsbedarf. Diese Rechtfertigung kann sich aus spezifischen Verantwortlichkeitsbeziehungen zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten ergeben, die in den Lebensverhältnissen, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und weiter entwickeln, angelegt sind39. In beiden Fällen beschränkt sich die Legitimation der Beitragsbelastung allerdings auf die Finanzierung im Binnensystem der Sozialversicherung. Sie erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Finanzierung von Leistungen an Dritte außerhalb der Sozialversicherung. Ihre Rechtfertigung ergibt sich daraus, dass nur die Gruppe der Sozialversicherten einen Vorteil in Gestalt des Versicherungsschutzes erhält, nicht aber die Steuerpflichtigen insgesamt40. Auch der soziale Ausgleich der Sozialversicherung beschränkt sich auf andere Versicherte41. Die Beiträge der nichtversicherten Beitragszahler müssen – wie die der Versicherten – grundsätzlich den Mitgliedern der Sozialversicherung zugutekommen. Denn die Rechtfertigung der fremdnützigen Beitragspflicht der Nichtversicherten beruht allein auf der Verantwortungsbeziehung zwischen ihnen und den Versicherten und vermag damit nicht weiter zu reichen als die Verantwortlichkeit der Versicherten selbst.

Verfassungsrechtliche Grenzen gelten aber, wenn Mittel der Sozialversicherung durch den Gesetzgeber anders zugeordnet werden. Auch ein Transfer von Mitteln der Sozialversicherung setzt voraus, dass sie für Zwecke im Binnensystem der Sozialversicherung40 verwendet werden. Die erhobenen Geldmittel dürfen allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden; zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner sonstigen Glieder stehen sie nicht zur Verfügung42. Dementsprechend ist der Gesetzgeber bei der Festsetzung des Beitragssatzes nicht gänzlich frei: Vielmehr hat die mit der Zuordnung zur Sozialversicherung verbundene Rechtfertigung nicht nur Bedeutung für die Beitragserhebung dem Grunde nach, sondern begrenzt gleichzeitig ihre Bemessung.

Die Sozialversicherung umfasst dabei alles, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt43. Andererseits genügt es nicht, dass eine Regelung in irgendeiner Weise allgemein der „sozialen Sicherheit“ zugeordnet werden kann; vielmehr muss geprüft werden, ob dieses Ziel gerade auf dem spezifischen Wege der Sozialversicherung erreicht werden soll44. Kennzeichnend sind insbesondere die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit, die organisatorische Durchführung durch selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs. 2 GG), die abzudeckenden Risiken und die Mittelaufbringung durch Beiträge der Beteiligten45. Das Prinzip des versicherungsrechtlichen Risikoausgleichs kann sozial modifiziert und mit Elementen der öffentlichen Fürsorge verbunden werden46. Dabei wird der Bereich der Sozialversicherung nicht überschritten, wenn das Fürsorgeprinzip auf Kosten des Versicherungsprinzips modifiziert wird47. Zudem gehört die Beschränkung auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auf eine individuelle Notlage nicht notwendig zum Wesen der Sozialversicherung43.

§ 46 Abs. 4 SGB II ordnet jedenfalls in der für das Jahr 2005 wie in der für das Jahr 2008 maßgeblichen Fassung die Verwendung von Beiträgen der Arbeitslosenversicherung zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs des Bundes an. Auch hinsichtlich der Regelung für das Jahr 2005 ist zweifelhaft, ob die Rechtskreiswechsler wegen ihrer vormaligen Mitgliedschaft in der Sozialversicherung hinsichtlich der Eingliederungsmaßnahmen kostenmäßig als Versicherte betrachtet werden dürfen, da diese Leistungen inzwischen gestützt auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG als Fürsorgemaßnahmen geregelt sind und gesetzlich versicherungsunabhängig, zum Teil überdies auch nicht von der Versicherungsanstalt selbst erbracht werden. Dies begründet eine Ungleichbehandlung. Zwar bleibt die Zahlungspflicht der Beitragszahler auch in derartigen Fällen formal eine Pflicht zur Beitragsleistung. Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG kann sich aber auch aus den praktischen Auswirkungen einer formalen Gleichbehandlung ergeben; entscheidend sind der sachliche Gehalt der Vorschrift und die auf die rechtliche Gestaltung der Norm zurückgehenden Wirkungen48. Aufgrund der gesetzlich angeordneten Verwendung von Beitragsmitteln zur Finanzierung des Bundeshaushalts werden hier Mittelerhebung und Mittelverwendung verschmolzen und stellen sich ihrem sachlichen Gehalt nach gegenüber den Beschwerdeführern als eine normativ veranlasste Belastungsungleichheit dar.

Die aus § 46 Abs. 4 SGB II 2005 in Verbindung mit § 341 Abs. 2 SGB III 2005 folgende Ungleichbehandlung ist für das im Verfahren 1 BvR 1728/12 allein im Streit stehende Jahr 2005 dennoch gerechtfertigt.

Die Bundesagentur für Arbeit erbrachte die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis 2004 ohne Unterschied an die Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe und gegebenenfalls auch an Personen, die gar keine Entgeltersatzleistung erhielten. Dementsprechend flossen auch in die Mittelbemessung der Bundesagentur für Arbeit traditionell die Aufwendungen für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser und die Verwaltungsaufwendungen, die für Arbeitslosenhilfebezieher anfielen, ein, ohne dass hierfür eine Erstattung der Aufwendungen durch den Bund vorgesehen war. Mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der damit verbundenen weitgehenden Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz blieben diese Aufgaben zwar in der Leistungsträgerschaft der Bundesagentur für Arbeit, soweit nicht Optionskommunen zuständig waren; sie wird insoweit allerdings nicht als Selbstverwaltungskörperschaft tätig (§ 371 Abs. 4 SGB III i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB II), sondern untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des zuständigen Bundesministeriums, das auch Weisungen erteilen darf. Die Durchführung erfolgt ohnehin regelmäßig durch die Arbeitsgemeinschaften, später Jobcenter nach § 44b SGB II. Die Kostenträgerschaft ging auf den Bund über.

Die Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende war Teil eines grundlegenden sozialrechtlichen Systemwechsels, der umfassende rechtliche, organisatorische und tatsächliche Änderungen mit sich brachte und nicht „von heute auf morgen“ zu realisieren war. Das Verbot einer Verwendung von Beitragsmitteln zur allgemeinen Staatsfinanzierung ist jedenfalls in einer solchen Situation nicht schon dadurch verletzt, dass die Finanzströme nicht unmittelbar zeitgleich der geänderten Aufgabenverantwortlichkeit angepasst werden und daher vorübergehend die Mittelaufbringung noch nicht vollständig mit der Zuständigkeit für die Mittelverwendung korrespondiert. Die Einführung der Grundsicherung hatte zwar zur Folge, dass eine besondere Verantwortlichkeitsbeziehung zwischen den Beitragszahlern zur Bundesagentur für Arbeit und den Grundsicherungsempfängern nicht mehr angenommen werden konnte. Wegen der Besonderheiten des Systemwechsels lässt sich jedoch übergangsweise eine personale Verknüpfung für die Personengruppe der Langzeitarbeitslosen, die ohne den Systemwechsel teilweise beitragsfinanzierte Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch erhalten hätten, rechtfertigen.

Für eine Übergangsfrist war das in den Gesetzgebungsmaterialien für den Aussteuerungsbetrag genannte Ziel legitim, die finanziellen Mittel, die bisher aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit für Arbeitslosenhilfebezieher verwendet wurden, zum größten Teil der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Verfügung zu stellen49. Darauf zielt auch die Gegenüberstellung der durch den Wegfall der Arbeitslosenhilfe eingesparten Beträge einerseits und des Aussteuerungsbetrages anderseits in den Gesetzesmaterialien50. Insofern ist verfassungsrechtlich tragfähig, durch die Transferregelung die bei der Bundesagentur für Arbeit vorhandenen Mittel weiterhin der Eingliederung der Langzeitarbeitslosen zu widmen und damit entsprechend ihrem traditionellen Zweck weiter zu verwenden, auch wenn die Arbeitslosenversicherung und die Grundsicherung für Arbeitsuchende strukturell und organisatorisch nur geringfügig miteinander verknüpft sind, da sich diese Vorgabe nur auf das Jahr der Umstellung für die Zeit nach dem Systemwechsel bezog.

Dem steht nicht entgegen, dass die Berechnung des Aussteuerungsbetrages nach der Ausgestaltung von § 46 Abs. 4 SGB II 2005 nicht an die Eingliederungsleistungen anknüpfte, die mit den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung verwandt sind, sondern an den Bedarf für Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und die Beiträge zur Sozialversicherung für die Rechtskreiswechsler und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Dabei handelte es sich um einen bloßen Berechnungsmodus, nicht um eine gesetzliche Zweckbestimmung.

Der mit der Systemumstellung einhergehende Bundesaufwand ist daher für das Jahr 2005 ein hinreichender Sachgrund für die Entscheidung des Gesetzgebers, die bei der Bundesagentur für Arbeit vorhandenen Mittel über die Transferzahlung nach § 46 Abs. 4 SGB II 2005 und damit auf dem Umweg über den Bundeshaushalt weiterhin zum Zwecke der Eingliederung Langzeitarbeitsloser zur Verfügung zu stellen. Zwar ist die streitige Vorschrift nicht ausdrücklich als Übergangsvorschrift bezeichnet. Entscheidend ist jedoch, dass sie inhaltlich verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, da sie – aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich – für die Übergangszeit eine Zuordnung zur Sozialversicherung erlaubt, weil sie eine für deren Umbau notwendige Regelung ist.

Diese Rechtfertigung gilt auch für die Festlegung des Beitragssatzes in § 341 Abs. 2 SGB III, der zur Beschwer der Beitragszahler führt. Im Sozialversicherungsrecht wie in anderen komplexen, auf künftige Entwicklungen angelegten Rechtsbereichen verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Ermessensspielraum. Er darf die Beitragssatzhöhe zwar nicht willkürlich festlegen. Doch war im Jahre 2005 die kurzfristig fortdauernde Einbeziehung des Mittelbedarfs für Sozialleistungen an Langzeitarbeitslose zulässig, auch wenn die Umsetzung der entsprechenden Aufgaben nunmehr im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erfolgte.

Für das Jahr 2008 gilt die aus dem Systemwechsel folgende Rechtfertigung dagegen nicht mehr. Dennoch liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil die Transferzahlung sich in diesem Zeitraum nicht auf die Höhe des Beitragssatzes ausgewirkt hat.

Die Regelung des § 46 Abs. 4 SGB II 2008 liegt der Beitragsberechnung nicht unmittelbar zugrunde. Der Mitteltransfer an den Bund durch die Zahlung des Eingliederungsbeitrags hätte sich vielmehr nur dann zu Lasten der Beitragszahler und damit auch der Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 1756/12 auswirken können, wenn – vermittelt durch den im Jahr 2008 geltenden und in § 341 Abs. 2 SGB III 2008 unmittelbar durch Gesetz bestimmten Beitragssatz – ein überhöhter Beitrag zur Arbeitsförderung festgesetzt worden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Im rechtlichen Sinne ist der Eingliederungsbeitrag im Jahr 2008 als nicht aus Beitragsmitteln der Bundesagentur für Arbeit finanziert anzusehen, weil ihm ein noch höherer zweckungebundener Bundeszuschuss an die Bundesagentur für Arbeit nach § 363 Abs. 1 SGB III 2007 gegenüberstand: Die zum 1.01.2007 eingeführte Bundesbeteiligung an der Arbeitsförderung nach § 363 Abs. 1 SGB III 2007 war im Jahr 2008 mit 7,58 Mrd. € höher als die Belastung der Bundesagentur für Arbeit durch den Eingliederungsbeitrag mit 5 Mrd. €. Der Bundeszuschuss stand der Bundesagentur für Arbeit ohne Zweckbindung und damit auch zur Aufbringung des Eingliederungsbeitrags zur Verfügung. Der Mitteltransfer an den Bundeshaushalt war daher wegen des gegenläufigen Bundeszuschusses im Ergebnis mit Blick auf die Beitragszahlenden für die Höhe des Beitragssatzes normativ nicht relevant.

In diesem Sinne ging der Gesetzgeber auch bei der Einführung des Eingliederungsbeitrags davon aus, dass dieser allein aus dem Bundeszuschuss finanziert werden könne und es hierfür der Inanspruchnahme von Beitragsmitteln nicht bedürfe. Im Anschluss an Ausführungen, die auf die Entlastung der Bundesagentur für Arbeit wegen des Wegfalls der von ihr für Langzeitarbeitslose im Rahmen der Arbeitslosenhilfe zu erbringenden Aufwendungen abstellten, hieß es in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des § 46 Abs. 4 SGB II vom 18.10.200715:

„Bei einer Nettobetrachtung werden Beitragsmittel des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit durch den Eingliederungsbeitrag nicht in Anspruch genommen. Die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung überschreitet derzeit den von der Bundesagentur für Arbeit zu leistenden Eingliederungsbeitrag deutlich.“

Mit dem Bundeszuschuss waren auch nicht vorrangig andere Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit zu finanzieren. Insbesondere berührte der Zuschuss nach § 363 Abs. 1 SGB III 2007 nicht die Pflicht des Bundes, die Leistungsausgaben der Bundesagentur für Arbeit für ihr durch das Sozialgesetzbuch Drittes Buch oder durch andere Gesetze überantwortete Aufgaben zu tragen; hierfür waren ihr zweckgebundene Zuschüsse gemäß § 363 Abs. 2 und Abs. 3 SGB III 2007 zu zahlen. Die entsprechenden Anspruchsnormen bestanden neben dem neu eingefügten § 363 Abs. 1 SGB III 2007 inhaltlich unverändert fort; mit der Finanzierungsreform 2007 durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 war lediglich der zuvor nach § 365 SGB III a.F. vorgesehene Defizitausgleich durch den Bund entfallen.

Eine Finanzierung des Eingliederungsbeitrags aus Beitragsmitteln lässt sich auch nicht aus dem von der Bundesagentur für Arbeit im Haushaltsjahr 2008 erwirtschafteten Defizit von 1,12 Mrd. € ableiten. Zwar zeigt das Defizit, dass die laufenden Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit – und damit auch ihre Beitragseinnahmen – nicht ausreichten, um die anfallenden Ausgaben zu finanzieren. Der Haushaltsfehlbetrag konnte aber aus Mitteln der in den Jahren 2006 und 2007 gebildeten Rücklage von 17,86 Mrd. € gedeckt werden und änderte im Übrigen nichts daran, dass der Transferzahlung ein höherer zweckungebundener Zuschuss des Bundes gegenüberstand.

Bei rechnerisch-saldierender Betrachtung blieben also die wechselseitigen Zahlungen zwischen Bund und Bundesagentur für Arbeit im Ergebnis ohne nachteilige Auswirkungen für die Beitragszahler auf den Mittelbedarf und auf die von ihnen aufzubringenden Beiträge. Auf Grund des Gesamtdeckungsprinzips (§ 77a SGB IV i.V.m. § 7 Satz 1 Haushaltsgrundsätzegesetz, § 8 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung) ist zwar eine bestimmte Ausgabe, hier der Eingliederungsbeitrag, nie gerade durch bestimmte Einnahmen, hier den Bundeszuschuss, finanziert. Auch stand die Einführung des Bundeszuschusses in einem anderen politischen Zusammenhang, denn er sollte gerade der Entlastung der Beitragszahler dienen51. Dies ändert jedoch bei rechnerischer Betrachtung nichts daran, dass der Bundesagentur für Arbeit zweckfreie Bundesmittel zur Verfügung standen, aus denen sie die Transferzahlung mehr als decken konnte, so dass die Bilanz der wechselseitigen Transfers im Ergebnis zu keiner Belastung der Beitragszahler führte. Nachdem der Bundeszuschuss aus § 363 Abs. 1 SGB III 2007 verfassungsrechtlich in der freien Disposition des Gesetzgebers stand, dieser also auch beide Zahlungen mit der Konsequenz eines höheren Beitragsbedarfs bei der Bundesagentur für Arbeit hätte abschaffen können, ist der Eingliederungsbeitrag als nicht beitragssatzrelevant anzusehen. Bei einer Betrachtung des Saldos haben die Beitragszahler nicht die Steuerzahler, sondern umgekehrt immer noch die Steuerzahler die Beitragszahler entlastet. In dieser Richtung ist dies aber nicht verfassungswidrig.

Weitergehende Anforderungen ergeben sich im Ergebnis auch nicht aus der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit, so dass sowohl für das Jahr 2005 als auch für das Jahr 2008 ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG zu Lasten des jeweiligen Beschwerdeführers nicht festgestellt werden kann52.

Die Verfassungsbeschwerden erwiesen sich damit als im Ergebnis nicht begründet.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. Mai 2018 – 1 BvR 1728/12, 1 BvR 1756/12

  1. BVerfG – 1 BvR 1728/12[][][]
  2. BVerfG – 1756/12[][]
  3. BVerfG – 1 BvR 1756/12[]
  4. RGBl I S. 187[]
  5. BGBl I S. 2954[]
  6. BT-Drs. 15/1516, S. 49[]
  7. vgl. BVerfGE 119, 331, 360 f.[]
  8. BGBl I S. 2349, in der Fassung vom 01.12.2010, BGBl I S. 1758[]
  9. BGBl I S.2014, 2017[]
  10. BGBl I S. 2954, 2967[]
  11. vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 63 f.[]
  12. BT-Drs. 15/1516, S. 64[]
  13. BGBl I S. 3245, 3246[]
  14. vgl. BT-Drs. 16/6741, S. 9[]
  15. BT-Drs. 16/6741, S. 13[][]
  16. BGBl I S. 2781[]
  17. vgl. BT-Drs. 17/10588, S. 2, S. 8 und S. 10[]
  18. vgl. BT-Drs. 17/10588, S. 9[]
  19. BSG, Urteile vom 29.02.2012 – B 12 KR 5/10 R, BSGE 110, 130; und B 12 KR 10/11 R, BSGE 110, 161[]
  20. BVerfG, Beschluss vom 02.08.2010 – 1 BvR 2393/08 u.a., BVerfGK 17, 448[]
  21. BSGE 110, 130, 138 Rn. 31; 110, 161, 169 Rn. 31[]
  22. BSGE 110, 130, 139 Rn. 33; 110, 161, 170 Rn. 33[]
  23. BSGE 110, 130, 141 Rn. 40; 110, 161, 173 Rn. 40[]
  24. BSGE 110, 130, 143 Rn. 43; 110, 161, 175 Rn. 43[][]
  25. BSGE 110, 130, 143 Rn. 44; 110, 161, 175 Rn. 44[]
  26. BSGE 110, 130, 144 Rn. 47; 110, 161, 177 Rn. 48[]
  27. BSGE 110, 130, 145 Rn. 49[]
  28. BSGE 110, 130, 149 Rn. 56; 110, 161, 181 Rn. 55[]
  29. BSGE 110, 130, 150 Rn. 58; 110, 161, 182 Rn. 58[]
  30. vgl. BVerfGE 1, 97, 101 ff.; 53, 30, 48; 72, 1, 5; 102, 197, 206 f.; stRspr[]
  31. vgl. BVerfGE 67, 26, 37 und 78, 320, 331 sowie BVerfGK 17, 448, 452 f.[]
  32. vgl. BVerfGE 67, 26; 78, 320[]
  33. vgl. BVerfGE 113, 167, 203[]
  34. vgl. BVerfGE 138, 136, 180 Rn. 121; 139, 285, 309 Rn. 70 m.w.N., stRspr[]
  35. vgl. dazu ausführlich – für das Steuerrecht, BVerfGE 84, 239, 268 ff.[]
  36. vgl. BVerfGE 91, 186, 202[]
  37. vgl. BVerfGE 75, 108, 157 f.; 113, 167, 219[]
  38. vgl. BVerfGE 76, 256, 300 ff.; 79, 223, 236 f.; 113, 167, 219 f.; stRspr[]
  39. vgl. BVerfGE 75, 108, 158 f.[]
  40. vgl. BVerfGE 113, 167, 221[][]
  41. vgl. BVerfGE 76, 256, 300 ff.; 79, 223, 236 f.; 113, 167, 219 ff.; stRspr[]
  42. vgl. BVerfGE 75, 108, 148; 113, 167, 203; stRspr[]
  43. vgl. BVerfGE 88, 203, 313[][]
  44. vgl. schon BVerfGE 11, 105, 112; stRspr[]
  45. vgl. BVerfGE 75, 108, 146; 87, 1, 34; 88, 203, 313; 113, 167, 201; stRspr[]
  46. vgl. BVerfGE 79, 223, 236 f.; 113, 167, 196; stRspr[]
  47. vgl. BVerfGE 113, 167, 196 f.[]
  48. vgl. BVerfGE 24, 300, 358; 49, 148, 165; 72, 141, 150[]
  49. vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 64 und im Anschluss daran BSGE 110, 130, 140 Rn. 36; 146 f. Rn. 50 f.[]
  50. vgl. nochmals BT-Drs. 15/1516, S. 64 und ähnlich im Rahmen der Kalkulation der finanziellen Auswirkungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf die Bundesanstalt für Arbeit, ebd., S. 4, die in der zugehörigen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit – BT-Drs. 15/1728, S. 8 – und dem Bericht des Haushaltsausschusses – BT-Drs. 15/1733, S. 2 – aufgegriffen wird[]
  51. vgl. BT-Drs. 16/752, S. 13[]
  52. vgl. BVerfGE 29, 221, 235 f.; 29, 245, 254; 29, 260, 266 f.; 97, 271, 286; 109, 96, 109 f.; BVerfG, Beschluss vom 12.07.2017 – 1 BvR 2222/12 u.a. 81 f.; stRspr[]