Lebensversicherung – statt Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters

Wurde in einem Versicherungsvertretervertrag vereinbart, dass eine mit Beiträgen des Versicherungsunternehmens aufgebaute Alters- und Hinterbliebenenversorgung (Lebensversicherung) auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1, Abs. 5 HGB angerechnet werden soll, richtet sich die steuerrechtliche Behandlung einer Kapitalzahlung, die aufgrund des Lebensversicherungsvertrags nach Erreichen der Altersgrenze geleistet wird, nach den für die Einkünfte aus Kapitalvermögen geltenden Vorschriften. Der Umstand, dass die Kapitalzahlung an die Stelle des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB tritt, rechtfertigt es nicht, sie den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen.

Lebensversicherung – statt Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters

Der Versicherungsvertreter erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Zu diesen Einkünften gehören auch Ausgleichszahlungen nach § 89b Abs. 1 HGB, die ein Handels- oder Versicherungsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhält (§ 24 Nr. 1 Buchst. c EStG). Die Höhe dieser Ausgleichszahlung belief sich im Streitfall auf 4.063 EUR. Die darüber hinausgehenden Zahlungen, welche die beiden Versicherungsunternehmen aufgrund der Lebensversicherungsverträge leisteten, sind keine solchen zur Erfüllung eines Ausgleichsanspruchs des Versicherungsvertreters. Dementsprechend war kein weiterer Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB in der Aufgabebilanz des Versicherungsvertreters zu aktivieren.

Nach § 89b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 HGB hat ein Versicherungsvertreter nach Beendigung eines Vertragsverhältnisses im Hinblick auf die von ihm vermittelten und erweiterten Versicherungsverträge einen Ausgleichsanspruch. Die Zahlung eines Ausgleichs muss unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entsprechen (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 HGB i.d.F. des Streitjahres 2007); er kann gemäß § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB nicht im Voraus ausgeschlossen werden.

Die Vorschrift des § 89b HGB verbietet nicht nur im Voraus getroffene Abreden, durch die der Ausgleichsanspruch ganz ausgeschlossen wird, sondern auch solche, durch die er im Ergebnis mehr oder weniger eingeschränkt wird1. Die Frage, ob eine mit Mitteln des Unternehmers aufgebrachte Altersversorgung bei der Bemessung des Ausgleichs nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigen ist, kann nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden2. Allerdings werden nachträglich getroffene Vereinbarungen über eine Anrechnung einer Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch vom Schutzzweck des § 89b Abs. 4 HGB nicht erfasst3.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen konnte es im hier entschiedenen Streitfall dahinstehen, ob der Vertragszusatz dazu führte, dass ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB von vornherein nicht entstand, soweit er die Ansprüche des Versicherungsvertreters aus der Altersversorgung überstieg. Denn aus der tatsächlichen Abwicklung des Vertretervertrags ist zu ersehen, dass beide Vertragsparteien übereinstimmend der Ansicht waren, dass dem Versicherungsvertreter jedenfalls kein den Betrag von 4.063 EUR übersteigender Ausgleichsanspruch zustehen sollte. So hatten die beiden Versicherungsgesellschaften in ihrer Abrechnung zu Gunsten des Versicherungsvertreters keinen entsprechenden Anspruch angesetzt, der Versicherungsvertreter hatte auch keinen höheren Betrag geltend gemacht. Hierzu hatte er schließlich auch keinen Anlass, da er ansonsten aufgrund des Vertragszusatzes damit hätte rechnen müssen, dass in diesem Fall sein Anspruch auf Altersversorgung entfallen würde. Die Aktivierung eines den Betrag von 4.063 EUR übersteigenden Ausgleichsanspruchs schied daher aus.

Der Anspruch des Versicherungsvertreters auf die Altersversorgung ist steuerrechtlich als solcher zu behandeln und kann im Streitfall auch nicht allein deshalb, weil er im Wesentlichen an die Stelle des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB getreten ist, den Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG zugerechnet werden.

Der Surrogationscharakter der Altersversorgung führt nicht dazu, dass die entsprechenden Ansprüche des Versicherungsvertreters dem Betriebsvermögen zuzuordnen sind. Die von den beiden Versicherungsgesellschaften geleisteten Beiträge zur Altersversorgung waren eine Gegenleistung für die Tätigkeit des Versicherungsvertreters als Versicherungsvertreter und von ihm als Betriebseinnahmen erfasst. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen deshalb dem Betriebs- und nicht dem Privatvermögen des Versicherungsvertreters zuzuordnen waren. Denn für die Frage der Zuordnung ist vielmehr grundsätzlich auf die Natur des versicherten Risikos abzustellen4. Der Abschluss einer Lebensversicherung ist in der Regel privat veranlasst, so dass Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag grundsätzlich zum Privatvermögen gehören5. Der Anspruch aus einer Lebensversicherung kann ausnahmsweise zum Betriebsvermögen gehören, wenn ein Steuerpflichtiger aus betrieblichem Anlass einen Lebensversicherungsvertrag zu Gunsten eines Dritten abschließt6.

Im Streitfall war der Abschluss der Lebensversicherungsverträge zwar aus der Sicht der Versicherungsunternehmen betrieblich veranlasst, nicht jedoch aus der Sicht des Versicherungsvertreters. Die Zahlung von Beiträgen durch die beiden Versicherungsunternehmen ändert nichts am „privaten“ Charakter der Alters- und Hinterbliebenenversorgung.

Die die Beitragsleistungen übersteigenden Beträge, welche der Versicherungsvertreter aufgrund der Lebensversicherungsverträge ausgezahlt erhielt, können auch nicht als Einkünfte aus einer ehemaligen gewerblichen Tätigkeit i.S. des § 24 Abs. 2 EStG i.V.m. § 15 EStG angesehen werden.

Der Zuordnung zu den Kapitaleinkünften steht das BFH-Urteil vom 25.03.19767 nicht entgegen. In dem Fall, der dem zitierten Urteil zugrunde lag, erhielt die Witwe eines Versicherungsvertreters vom Versicherungsunternehmen monatliche Rentenzahlungen, welche der BFH wegen des Zusammenhangs mit der früheren Tätigkeit des verstorbenen Ehemannes als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilte. Die Rentenzahlungen an die Witwe waren im Urteilsfall eine nachträglich erbrachte Gegenleistung für eine frühere gewerbliche Tätigkeit und aus diesem Grund weiterhin den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen.

Im Gegensatz hierzu waren im Streitfall die Beitragszahlungen der Versicherungsgesellschaften eine laufende Gegenleistung für die gewerbliche Tätigkeit des Versicherungsvertreters. Dagegen war der Zinsanteil, der in den Auszahlungsbeträgen enthalten war, welche der Versicherungsvertreter nach Ablauf der Vertragslaufzeit erhielt, Gegenleistung für die Kapitalüberlassung. Steuerrechtlich sind die Zinsen somit dem Grunde nach den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen.

Zutreffend hat das Finanzgericht die von den beiden Versicherungsunternehmen aufgrund der Alters- und Hinterbliebenenversorgung geleisteten Zahlungen als nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei beurteilt.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004 gehören außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dies gilt nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Diese Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 ist im Streitfall anzuwenden, da die Versicherungsverträge, aus denen die Kapitalerträge stammen, vor dem 1.01.2005 abgeschlossen worden sind (§ 52 Abs. 36 Satz 5 EStG 2007).

Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 ist entscheidend, dass der betreffende Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigten Vertragstypen gehört. Die Steuerbefreiung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 für Zinsen aus Versicherungen ist nicht an die weiteren Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge geknüpft8.

Nach den Feststellungen des Finanzgericht erfüllten die Lebensversicherungsverträge die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG 2004. Die Zahlungen, die der Versicherungsvertreter aufgrund der Verträge erhielt, waren somit auch insoweit steuerfrei, als sie die von den Versicherungsunternehmen; und vom Versicherungsvertreter geleisteten Beträge überstiegen.

Nur in Höhe von 4.063 EUR bestand ein Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters nach § 89b HGB, der zu laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. c, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG führte, die nach § 7 Satz 1 GewStG auch gewerbesteuerrechtlich zu erfassen waren9. Da die Gewerbesteuer im Streitjahr 2007 noch als Betriebsausgabe abziehbar war, ist dem Grunde nach eine Gewerbesteuerrückstellung anzusetzen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. Dezember 2016 – III R 41/14

  1. BGH, Urteil vom 30.12 1970 – VII ZR 141/68, BGHZ 55, 124[]
  2. BGH, Urteil vom 20.11.2002 – VIII ZR 146/01, BGHZ 153, 6[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014 – VII ZR 282/12, Der Betrieb 2014, 1425, m.w.N.[]
  4. BFH, Urteil vom 03.03.2011 – IV R 45/08, BFHE 233, 137, BStBl II 2011, 552, Rz 21; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 396[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 233, 137, BStBl II 2011, 552[]
  6. s. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 399, m.w.N.[]
  7. BFH, Urteil vom 25.03.1976 – IV R 174/73, BFHE 118, 572, BStBl II 1976, 487[]
  8. BFH, Urteil vom 01.03.2005 – VIII R 47/01, BFHE 211, 436, BStBl II 2006, 365[]
  9. BFH, Urteil vom 09.02.2011 – IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120; BFH, Beschluss vom 09.03.2016 – X B 142/15, BFH/NV 2016, 1030[]