Nach Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf bestehen ernstliche Zweifel, ob nachträgliche Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weiterhin nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

In dem entschiedenen Fall finanzierte die Antragstellerin eine von ihr erworbene Immobilie mit einem Bankkredit. Diesen konnte sie aus dem Erlös der Zwangsversteigerung der Immobilie nur zum Teil zurückzahlen.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der von der Antragstellerin in der Folge gezahlten Schuldzinsen als Werbungskosten –entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs- ab. Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Vollziehung des Steuerbescheides ausgesetzt, da der Bundesfinanzhof zwischenzeitlich die Revision in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren zugelassen hat und sowohl in der Literatur als auch von Richtern des Bundesfinanzhofs Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geäußert worden sind.
Eine Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides für 2007 und der Ablehnungsbescheide für 2008 und 2009 sind gegeben. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die nachträglichen Zinsaufwendungen der Antragstellerin vom Werbungskostenabzug auszunehmen sind.
Der Bundesfinanzhof hat zwar, worauf der Antragsgegner hinweist, einen Abzug von Schuldzinsen als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung abgelehnt, wenn diese nach Veräußerung des Vermietungsobjektes angefallen sind, und zwar auch dann, wenn diese deswegen entstanden sind, weil der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der zur Finanzierung aufgenommenen Darlehen ausgereicht hat1.
Der Bundesfinanzhof hat aber mit Urteil vom 16.03.2010 in Einschränkung seiner bis dahin bestehenden Rechtsprechung entschieden, dass Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung im Sinne von § 17 EStG, die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, als Werbungskosten abgezogen werden dürfen2.
Darüber hinaus bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesfinanzhof auch die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgeben wird. Die Finanzgerichte haben sich wiederholt gegen die entsprechende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gewandt. Es ist unter dem Aktenzeichen IX R 67/10 ein Verfahren beim BFH zu dieser Frage anhängig, in dem das Finanzgericht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gefolgt ist, der Bundesfinanzhof hat dann aber seinerseits auf die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hin die Revision zugelassen3. Und es haben namhafte Autoren die bisherige Rechtsprechung des BFH in Zweifel gezogen beziehungsweise sich gegen die bisherige Rechtsprechung des BFH gewandt.
So führt Richter am Bundesverfassungsgericht Professor Dr. Mellinghoff in seiner Kommentierung zu § 24 EStG4 aus:
„Anders als der Bundesfinanzhof gehen zahlreiche Finanzgericht und die überwiegende Auffassung der Literatur grundsätzlich zu Recht davon aus, dass der Abzug nachträglicher Schuldzinsen als Werbungskosten ebenso möglich sein müsse, wie der Abzug als Betriebsausgaben. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Schuldzinsen und aufgenommenem Fremdkapital wird in den Fällen, in denen der Veräußerungserlös zur Schuldentilgung nicht ausreicht, ebenso wenig beendet wie bei den Gewinneinkunftsarten. Wesentlicher Grund für den Abzug nachträglicher Schuldzinsen ist bei den Gewinneinkunftsarten der Veranlassungszusammenhang und nicht die (zumindest anzuzweifelnde) Tatsache, dass es sich bei den verbleibenden Schulden um zurückbehaltenes Betriebsvermögen handelt. Durch die Entscheidung zur Aufgabe der Vermietungstätigkeit schafft der Steuerpflichtige bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung keinen neuen Veranlassungszusammenhang. Reicht der Veräußerungserlös nicht zur Schuldendeckung aus, ändert sich an der ursprünglichen Zweckbestimmung des Kapitals und damit an der Veranlassung durch die Vermietungstätigkeit nichts. Nachdem der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung nunmehr zu den Beteiligungseinkünften nach § 17 geändert hat, bleibt abzuwarten, ob er die erforderlichen Konsequenzen auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zieht. Insbesondere durch die erweiternde Erfassung der privaten Veräußerungsgeschäfte nach § 23 besteht noch weniger Grund, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten.“
Ähnlich hat sich Professor Dr. Pezzer, Vorsitzender Richter des 8. Senats des Bundesfinanzhofs, auf der 35. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft am 13./14. September 2010 in Potsdam unter der Überschrift „Bevorstehende Weiterentwicklung der Rechtsprechung des 9. Senats zu nachträglichen Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung?“ geäußert. Nach dem personellen Wechsel in der Richterschaft des Bundesfinanzhofs stehe die bisherige Rechtsprechung auf dem Prüfstand. Er selbst habe sich schon im Rahmen seiner Tätigkeit als Richter am Finanzgericht gegen diese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gewandt.
Finanzgericht Düsseldorf, Beschluss vom 30. Mai 2011 – 9 V 1474/11 A(F)
- BFH, Urteil vom 12.11.1991 – IX R 15/90, BStBl II 1992, 289; einschränkend bereits: BFH, Urteil vom 16.09.1999 – IX R 42/97, BStBl II 2001, 528[↩]
- BFH, Urteil vom 16.03.2010 – VIII R 20/08, BStBl II 2010, 787[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 17.12.2010 – IX B 111/10[↩]
- in Kirchhof, EStG, 10. Auflage, 2011, § 24 Rz. 43[↩]