Vom Erben nachgezahlte Kirchensteuer – und der Sonderausgabenabzug

Zahlungen auf offene Kirchensteuern des Erblassers durch den Erben sind bei diesem im Jahr der Zahlung als Sonderausgabe abziehbar.

Vom Erben nachgezahlte Kirchensteuer – und der Sonderausgabenabzug

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG sind bestimmte im Einzelnen aufgeführte „Aufwendungen“ als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden. Aus der Verwendung des Begriffs „Aufwendungen“ und aus dem Zweck des § 10 EStG, bestimmte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG auszunehmen, folgt nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist1.

Da im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall die Berücksichtigung der von der Erbin gezahlten Kirchensteuer als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten nicht in Betracht kommt, ist sie nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgabe abziehbar2.

Eine teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts ist angesichts der wirtschaftlichen Belastung der Erbin durch die Kirchensteuerzahlung nicht angemessen und kommt deshalb nicht in Betracht.

Nach § 1922 Abs. 1 BGB ging mit dem Tod des – V dessen Vermögen als Ganzes auf dessen Erben, die Erbin und ihre Geschwister, über. § 1967 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Erben, somit also auch die Erbin, für die Nachlassverbindlichkeiten haften. Als Erbin ist die Erbin damit mit dem Erbfall in die steuerschuldrechtliche Position des Erblassers eingetreten (§ 45 Abs. 1 AO) und sie wurde selbst Steuerschuldnerin hinsichtlich der von – V hinterlassenen Steuerrückstände. Da im Streitfall weder Nachlassverwaltung angeordnet noch das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, der Erbin weder die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) noch die Einrede der Überbeschwerung (§ 1992 BGB) zusteht, hatte sie für die Kirchensteuer als Nachlassverbindlichkeit unbeschränkt, also nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit ihrem Eigenvermögen einzustehen.

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Der Bundesfinanzhof hat bereits im Urteil vom 05.02.19603 erkannt, dass die Kirchensteuer, die ein Steuerpflichtiger in seiner Eigenschaft als Erbe entrichtet, als Sonderausgabe abziehbar ist, und damit sein Urteil vom 01.03.19574 die Vermögensteuer betreffend bestätigt.

Im Urteil vom 16.05.20015 hat der Bundesfinanzhof die Rechtsprechung in BFHE 70, 374, BStBl III 1960, 140 und in BFHE 64, 358, BStBl III 1957, 135 zum Sonderausgabenabzug des Erben für den Erblasser treffende Vermögen- und Kirchensteuer bestätigt und ausgeführt, Besteuerungsmerkmale, die (nur) in der Person des Erblassers begründet seien, würden auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anweisung bei der Besteuerung des Erben berücksichtigt.

Auch der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat im Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, Rz 77 nach der Änderung der Rechtsprechung zum Eintritt des Erben in den Verlustabzug nach § 10d EStG ausdrücklich an der Rechtsprechung in BFHE 70, 374, BStBl III 1960, 140 festgehalten.

Zwar kann das Urteil des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 2010, 848 kein Beleg dafür sein, dass die Erbin im Streitfall die den Erblasser betreffende Kirchensteuerlast als Sonderausgabe abziehen könne, weil die Verpflichtung zur Zahlung der Steuerberatungskosten auf einer eigenen Entscheidung des Erben und auf einem von ihm selbst begründeten Vertragsverhältnis beruhe. Der Erbfall sei nur der Anlass, nicht aber der Grund der Verpflichtung. Doch lässt sich dieser Entscheidung inhaltlich nichts für oder gegen den Sonderausgabenabzug im Streitfall entnehmen.

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Auch aus dem Urteil des Finanzgericht Düsseldorf in EFG 2007, 1503 kann keine Absage an den Sonderausgabenabzug der Kirchensteuerzahlung eines Erben abgeleitet werden. Hier hat der Kläger als Haftungsschuldner nach § 42d EStG auf eine fremde Steuerschuld geleistet. Im Streitfall war die Erbin als Rechtsnachfolgerin des – V (Mit-)Schuldnerin der Kirchensteuer.

Die Zuwendungsentscheidung beim Spendenabzug als höchstpersönlichen Umstand6 kann nicht auf den Kirchensteuerabzug übertragen werden. Denn im Gegensatz zur maßgeblichen tatsächlichen Zahlung bei § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG knüpft § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG mit den „Zuwendungen“ nach der Bundesfinanzhofsrechtsprechung über die bloße Zahlung hinausgehend an eine besondere Widmung der Leistung zu einem bestimmten Zweck an. Im Übrigen hat im vorliegenden Fall die Erbin -anders als im BFH, Urteil in BFH/NV 2009, 375- die Zahlung der Kirchensteuer selbst geleistet.

Im Gegenzug wären auch Erstattungen überzahlter Kirchensteuer des Erblassers auf eigene Zahlungen des Erben anzurechnen und würden dessen Sonderausgabenabzug schmälern.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Juli 2016 – X R 43/13

  1. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 28.05.1998 – X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBl II 1999, 95, unter 3.a, m.w.N.; s. dazu auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.02.1988 1 BvR 930/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 271, unter 1.b[]
  2. so auch Stöcker in Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 674; Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 42; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 38; Lindermann in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10 Rz 14 f.; Meier, Finanz-Rundschau 1987, 31; Schmidt/Heinicke, EStG, 35. Aufl., § 10 Rz 26; a.A. Lindberg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 10 Rz 15c; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz B 183 und G 41; Ring, Deutsche Steuer-Zeitung 1981, 24; Ruppe, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft 10 [1987], 45, 93[]
  3. BFH, Urteil vom 05.02.1960 – VI 204/59 U, BFHE 70, 374, BStBl III 1960, 140[]
  4. BFH, Urteil vom 01.03.1957 – VI 57/55 U, BFHE 64, 358, BStBl III 1957, 135[]
  5. BFH, Urteil vom 16.05.2001 – I R 76/99, BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487[]
  6. BFH, Urteil vom 21.10.2008 – X R 44/05, BFH/NV 2009, 375[]
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