Zurechnung von Vermietungseinkünften aufgrund schuldrechtlichen Nutzungsrechts

Wem Einkünfte zuzurechnen sind, hängt davon ab, wer den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt1. Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer einem anderen eines der in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung überlässt; ihm müssen die Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag oder einem ähnlichen Vertrag über eine Nutzungsüberlassung –rechtlich oder tatsächlich– zurechenbar sein2.

Zurechnung von Vermietungseinkünften aufgrund schuldrechtlichen Nutzungsrechts

Auch ein (nur befristetes) schuldrechtliches Nutzungsrecht kann zu einer Zurechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 EStG führen3. Während indes mit Einräumung eines Nießbrauchs an einem bereits vermieteten Grundstück der Nutzungsberechtigte kraft Gesetzes (§§ 566, 567 BGB) in die Rechtsstellung des Eigentümers als Vermieter eintritt4, bedarf es bei einem schuldrechtlichen Nutzungsrecht der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme, etwa durch entsprechende Vereinbarung der Vertragsparteien (Überlassender und Übernehmender) unter Zustimmung der Mieter5.

Nach diesen Maßstäben rechnete der Bundesfinanzhof im vorliegenden Fall die Vermietungseinkünfte nicht der Grundstückseigentümerin, sondern aufgrund eines schuldrechtlichen Nutzungsrechts deren Tochter zu: Die Klägerin hat, so der Bundesfinanzhof, in Bezug auf das Haus in S nicht den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht, ihr sind daher die daraus erzielten Vermietungseinkünfte auch nicht zuzurechnen.

Mit (privat-)schriftlichem Vertrag vom Dezember 2002 hat die Klägerin ihrer volljährigen Tochter das (schuldrechtliche) Nutzungsrecht an dem ihr, der Klägerin, gehörenden Haus in S eingeräumt. Dieser Vertrag wurde zivilrechtlich wirksam abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt; er war daher mangels entgegenstehender Umstände auch steuerrechtlich anzuerkennen. Durch unstreitige rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme im Dezember 2002 unter Zustimmung der Mieter ist die Tochter auch in die (bisherige) Vermieterstellung (der Klägerin) eingetreten. Dabei kann dahinstehen, ob in solchen Fällen –wie von der Verwaltung verlangt6– der Nutzungsberechtigte (zusätzlich) eine „gesicherte Rechtsposition“ innehaben muss; denn ist nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung zutreffend in Gestalt des vertraglich eingeräumten Nutzungsrechts als gegeben zu erachten7. Darüber hinaus findet sich für das Erfordernis einer Mindestlaufzeit für die Dauer von einem Jahr8 im Gesetz keine Grundlage. Im Übrigen wurde das Nutzungsrecht unter Berücksichtigung der Entwicklung auch nach dem Streitjahr9 unstreitig über insgesamt dreieinhalb Jahre durch die Tochter tatsächlich ausgeübt. Danach mussten die Einkünfte aus dem Haus in S bei der Klägerin mangels Tatbestandsverwirklichung außer Ansatz bleiben.

  1. vgl. BFH, Urteil vom 07.06.2006 – IX R 14/04, BFH/NV 2006, 2053, unter II.2.[]
  2. vgl. BFH, Urteile in BFH/NV 2004, 1079; vom 06.09.2006 – IX R 13/05, BFH/NV 2007, 406[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 26.04.2006 – IX R 22/04, BFH/NV 2006, 2046; vom 16.01.2007 – IX R 69/04, BFHE 216, 329, BStBl II 2007, 579, unter II.1.a, m.w.N.[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 26.04.1983 – VIII R 205/80, BFHE 138, 242, BStBl II 1983, 502, unter II.1. a.E.; in BFH/NV 2004, 1079[]
  5. vgl. BFH, Urteile in BFHE 138, 242, BStBl II 1983, 502; in BFH/NV 2006, 2046[]
  6. BMF, Schreiben in BStBl I 1998, 914, Rz 7[]
  7. s. dazu BFH, Urteil in BFH/NV 2004, 1079, unter II.1.b; zu formlosen Leihverträgen z.B. BFH, Urteile vom 21.01.1986 – IX R 27/83, BFH/NV 1986, 456; vom 27.06.1995 – IX R 29/90, BFH/NV 1996, 28; vom 16.04.2002 – IX R 53/98, BFH/NV 2002, 1152[]
  8. so BMF, Schreiben in BStBl I 1998, 914, Rz 7[]
  9. vgl. BFH, Urteile vom 27.07.2004 – IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192; vom 31.07.2007 – IX R 8/07, BFH/NV 2008, 350[]