Das dauerdefizitäre Freibad – und seine Verpachtung an einen Trägerverein

Die steuerliche Begünstigung sog. dauerdefizitärer Tätigkeiten einer von der öffentlichen Hand beherrschten Kapitalgesellschaft gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG setzt voraus, dass die Kapitalgesellschaft das Dauerverlustgeschäft selbst ausübt. Übt die Kapitalgesellschaft das Dauerverlustgeschäft nicht selbst aus, weil sie den verlustbringenden Freibadbetrieb an einen eingetragenen Verein verpachtet hat, ist die Verpachtungstätigkeit nicht begünstigt.

Das dauerdefizitäre Freibad – und seine Verpachtung an einen Trägerverein

Betreibt eine städtische Gesellschaft ein verlustbringendes Freibad nicht selbst, sondern verpachtet sie es an einen Trägerverein, liegen diese Voraussetzungen für die steuerliche Begünstigung dauerdefizitärer Tätigkeiten der öffentlichen Hand nicht vor. Derartige Verpachtungstätigkeiten sind nicht begünstigt.

Fast alle größeren Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unterhalten Freibäder und entsprechen damit typischerweise einer Erwartungshaltung ihrer Bürger. Unter den klimatischen Bedingungen Mitteleuropas rechnen sich allerdings Freibäder für die Gemeinden betriebswirtschaftlich nicht, es sei denn diese würden hohe Eintrittspreise verlangen. Das wiederum ist sozialpolitisch aus Sicht vieler Menschen nicht akzeptabel. Folglich ist der Freibadbetrieb in Deutschland regelmäßig dauerdefizitär und führt fortlaufend zu erheblichen Verlusten für die Gemeinden. Der Gesetzgeber begünstigt solche dauerdefizitären Tätigkeiten der Gemeinden allerdings aus sozialpolitischen Gründen, indem er die Verluste steuerlich anerkennt und damit ihre Verrechnung mit Gewinnen der Gemeinden aus anderen Tätigkeiten ermöglicht (vgl. § 8 Abs. 7 KStG). Hierzu gehören z.B. städtische Gewinne aus Energieversorgungsunternehmen. Man spricht bei diesem Verrechnungsmodell üblicherweise vom kommunalen Querverbund.

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Der Bundesfinanzhof hat nun mit seinem Urteil anerkannt, dass auch der dauerdefizitäre Betrieb eines Freibades dem Grunde nach steuerlich begünstigt ist. Er entnimmt den gesetzlichen Regelungen jedoch die klare Aussage, dass die Begünstigung nur dann gewährt wird, wenn die Gemeinde entweder mit einem eigenen Betrieb (Betrieb gewerblicher Art) die dauerdefizitäre Tätigkeit selbst ausübt oder eine kommunale Eigengesellschaft (Kapitalgesellschaft, deren Anteile sich in der Hand einer Kommune befinden) das Freibad selbst betreibt.

Im hier entschiedenen Streitfall war hingegen die städtische Eigengesellschaft nicht selbst Betreiberin des Freibades. Sie hatte dieses an einen im Vereinsregister eingetragenen Trägerverein gegen Zusage der Verlustübernahme verpachtet. Dieses Verpachtungsmodell ist nicht steuerlich begünstigt. Mit dieser Entscheidung konnte der Bundesfinanzhof zugleich die umstrittene Rechtsfrage offenlassen, ob die gesetzliche Regelung der dauerdefizitären Tätigkeiten mit den unionsrechtlichen Beihilfevorschriften zu vereinbaren ist.

Nach § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 KStG sind bei Kapitalgesellschaften die Rechtsfolgen einer vGA i.S. des Abs. 3 Satz 2 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben. Ein Dauerverlustgeschäft liegt u.a. vor, soweit aus verkehrs, umwelt, sozial, kultur, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird.

Gemäß § 15 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 (i.V.m. § 34 Abs. 10 Satz 4) KStG ist § 8 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 7 bei der Organgesellschaft auf Dauerverlustgeschäfte i.S. des § 8 Abs. 7 Satz 2 nicht anzuwenden. Sind in dem dem Organträger zugerechneten Einkommen Verluste aus Dauerverlustgeschäften i.S. des § 8 Abs. 7 Satz 2 enthalten, ist § 8 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 7 bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden (§ 15 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 KStG).

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Diese Regelungen bedeuten, dass zunächst auf der Ebene der Organgesellschaft zu prüfen ist, ob einzelne dauerdefizitäre Tätigkeiten vorliegen, die aus einem „begünstigten“ Grund unterhalten werden. Ist dies der Fall, erfolgt im zweiten Schritt eine Ermittlung des zuzurechnenden Einkommens, ohne dass die Rechtsfolgen einer vGA gezogen werden. Den Wortlaut des § 15 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 KStG, wonach auch Abs. 7 nicht anzuwenden sei, erachtet der Bundesfinanzhof insoweit als missverständlich, weil bereits mit dem angeordneten Ausschluss der Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG -zugleich auch- die Rechtsfolgen der vGA auf Ebene der Organgesellschaft ausgeschlossen werden1. Im letzten Schritt ist auf der Ebene des Organträgers zu prüfen, ob in dem zugerechneten Einkommen der Organgesellschaft Verluste aus begünstigten Dauerverlustgeschäften enthalten sind. Für diesen Teil des Einkommens sind auf Ebene des Organträgers die Rechtsfolgen der vGA nicht zu ziehen. Soweit § 15 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 KStG davon spricht, dass § 8 Abs. 3 Satz 2 auf der Ebene des Organträgers anzuwenden ist, sieht der Bundesfinanzhof auch darin -lediglich- eine sprachliche Ungenauigkeit2. Die gleichfalls angeordnete Anwendung des § 8 Abs. 7 KStG zeigt, dass es allein darum gehen kann, die Folgen einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auch auf der Ebene des Organträgers auszuschließen und damit die steuerliche Privilegierung bestimmter Tätigkeiten auf beiden Ebenen sicherzustellen.

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Nach diesen Maßgaben kommt die gesetzliche Begünstigung bestimmter dauerdefizitärer Tätigkeiten im Streitfall nicht zum Tragen, weil die Bädergesellschaft das Dauerverlustgeschäft nicht selbst betrieben hat.

Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass das Finanzgericht die Zuschusszahlungen der Bädergesellschaft an den Trägerverein als tatbestandliche vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gewertet hat. Das Finanzgericht hat seiner Entscheidung in diesem Punkt die einschlägige Bundesfinanzhofsrechtsprechung zugrunde gelegt, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird3.

Die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, also die außerbilanzielle Hinzurechnung der Zuschusszahlungen, sind im Streitfall zu ziehen, weil die Bädergesellschaft die in § 8 Abs. 7 KStG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt hat.

Die Bädergesellschaft gehört zwar grundsätzlich zum Kreis der Begünstigten, da die Mehrheit der Stimmrechte mittelbar auf die Stadt A als juristischer Person des öffentlichen Rechts entfallen und die Kommune als Alleingesellschafterin des Organträgers auch sämtliche Verluste aus dem Dauerverlustgeschäft trägt (§ 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG). Es genügt hierfür, wenn der öffentlich-rechtliche Anteilseigner die Verluste mittelbar trägt4.

Auch lag ein Dauerverlustgeschäft im Sinne des Gesetzes im Streitfall vor. Denn der Betrieb des Freibades B stellt eine wirtschaftliche Betätigung dar, die aus gesundheitspolitischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wurde. Schwimmbäder werden nach allgemeiner Meinung von den „gesundheitspolitischen Gründen“ erfasst5. Dass gerade solche Einrichtungen vom Gesetzgeber begünstigt werden sollten, geht auch unmittelbar aus der Gesetzesbegründung hervor, in der die Regelungsabsichten ausdrücklich am Beispiel der Schwimmbäder erläutert wurden6.

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Es ist für die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG allerdings schädlich, dass die Bädergesellschaft das Freibad nicht selbst betrieben hat, sondern die begünstigte Tätigkeit aufgrund des Pachtvertrages unmittelbar vom Trägerverein ausgeübt wurde7.

Der Bundesfinanzhof erachtet den Gesetzeswortlaut als eindeutig. Die in § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 KStG verwendeten Verben „ausüben“ und „unterhalten“ zeigen, dass die Norm nur solche Dauerverlustgeschäfte tatbestandlich erfasst, die von der Kapitalgesellschaft in eigener Person unternommen werden. Auch der Begriff des „Unterhaltens“, der etwas weiter reicht als der des „Ausübens“, setzt voraus, dass die Gesellschaft den Betrieb auf eigene Rechnung führt. Die Leistung eines Verlustausgleichs (verlorener Zuschuss) an einen Dritten (hier: den Trägerverein), der seinerseits das Dauerverlustgeschäft auf eigene Rechnung betreibt, lässt sich unter den Gesetzeswortlaut nicht mehr subsumieren. Ebenso klar und eindeutig ist der Wortlaut der Parallelregelung in § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 KStG („weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben“) gefasst. Deshalb ist auch im Rahmen dieser Vorschrift ein Verpachtungsbetrieb nicht begünstigt. Die Fiktionswirkung des § 4 Abs. 4 KStG kommt insoweit nicht zum Tragen.

Der Bundesfinanzhof sieht keinen Anlass für eine wortlautüberschreitende Interpretation des Gesetzes, insbesondere die Voraussetzungen für eine Analogie (planwidrige Regelungslücke) liegen nicht vor. Bei § 8 Abs. 7 KStG handelt es sich der Sache nach um eine Subventionsvorschrift8. Die Begünstigungsvoraussetzungen hat der Gesetzgeber tatbestandlich klar umschrieben. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Norm auf andere, unter Umständen ebenfalls subventionswürdige Konstellationen muss gesetzgeberischer Entscheidung vorbehalten bleiben.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. November 2016 – I R 56/15

  1. vgl. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz 141[]
  2. vgl. Ballwieser in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz 21.20[]
  3. BFH, Urteil vom 22.08.2007 – I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961[]
  4. vgl. Meier/Semelka in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 517[]
  5. vgl. z.B. BMF, Schreiben vom 12.11.2009, BStBl I 2009, 1303, Rz 46; Meier/Semelka in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 527; Gosch, KStG, 3. Aufl., § 8 Rz 1043j; Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 8 Rz 874[]
  6. vgl. BT-Drs. 16/10189, S. 69 f.[]
  7. gleicher Auffassung Gosch, a.a.O., Rz 1043k; Paetsch in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 8 Rz 1845 und 1852; Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 1124; Bracksiek, Finanz-Rundschau -FR- 2009, 15; Klein/Müller/Döpper in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., § 8 Rz 2818; BMF, Schreiben in BStBl I 2009, 1303, Rz 47; a.A. z.B. Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 8 Rz 876; Meier, FR 2010, 168; Belcke/Westermann, Betriebs-Berater 2016, 87; Krämer in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 7 KStG Rz 47; Tiedchen, EFG 2016, 227; inzident auch Urteil des Finanzgericht Münster vom 18.08.2015 10 K 1712/11 Kap, EFG 2015, 2076; ähnlich Hüttemann, Der Betrieb 2009, 2629[]
  8. vgl. z.B. Märtens in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder [Hrsg.], Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, S. 279[]
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