Eine Verbindlichkeit, die nur aus einem künftigen Handelsbilanzgewinn oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, ist nach Ansicht des Niedersächsischen Finanzgerichts zu passivieren.

Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die buchführende Unternehmerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich vornehmlich aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs „Vorschriften für alle Kaufleute“ der §§ 238 ff. HGB. Nach § 247 Abs. 1 HGB sind handelsrechtlich und damit nach § 5 Abs. 1 EStG auch steuerrechtlich Verbindlichkeiten zu passivieren. Eine Verbindlichkeit ist zu bilanzieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und eine wirtschaftliche Belastung darstellt1.
Eine betrieblich begründete Verbindlichkeit muss in Handels- und Steuerbilanz ausgewiesen werden, solange nicht der Gläubiger dem Schuldner aus betrieblicher Veranlassung die Schuld gemäß § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches erlässt oder sich ergibt, dass die Verbindlichkeit aus sonstigen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt zu werden braucht2.
Bei Anwendung dieser Grundsätze stehen dem Ausweis der Darlehnsverpflichtungen die getroffenen Rangrücktrittsvereinbarungen nicht entgegen, nach deren Inhalt die Gläubigerin mit ihren Darlehensforderungen dergestalt im Rang hinter die Forderung sämtlicher anderer Gläubiger einschließlich aller in § 39 Abs. 1 und Abs. 2 InsO genannten Gläubiger zurück getreten ist, dass sie Tilgung und Verzinsung der Darlehen nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann und dass sie darüber hinaus im vorliegend nicht gegebenen Fall der Insolvenz vom Insolvenzverwalter unter Anwendung des § 199 Satz 2 InsO nur Herausgabe des Teils des Überschusses beanspruchen kann, der ihr bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde.
Denn die getroffenen Rangrücktrittsvereinbarungen führten nicht zum Erlöschen der Schulden. Die Unternehmerin blieb vielmehr unverändert verpflichtet, die Schulden aus einem künftigen Bilanzgewinn zu bedienen. Auch soweit danach die zurücktretende Gläubigerin vorerst keinen unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen der Unternehmerin als Befriedigungssubstrat hatte, stellen sich die Rangrücktritte aus Sicht der Unternehmerin als Vereinbarungen dar, die lediglich zu einer veränderten Rangordnung, nicht hingegen zu einer Minderung ihrer Verbindlichkeiten insgesamt führten. Diese sind daher weiterhin bilanziell auszuweisen3.
Der Passivierung der Darlehensverbindlichkeiten im Streitfall steht nicht § 5 Abs. 2a EStG i.d.F. des StBereinG 19994 entgegen. Gemäß § 5 Abs. 2a EStG sind für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
Zwar ist bei Anwendung dieser Vorschrift nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs5 und der überwiegenden Auffassung in der Literatur6 eine Verbindlichkeit unter Vereinbarung eines Rangrücktritts in der Weise, dass die Forderung des Gläubigers hinter die Forderungen aller übrigen Gläubiger zurücktritt und nur aus künftigen Jahresüberschüssen zu erfüllen ist, nicht auszuweisen, weil der Gläubigerin insofern an einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung fehlt.
Aber die im vorliegend vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedenen Fall streitgegenständlichen Rangrücktrittsvereinbarungen berechtigen die Gläubigerin nicht, die Erfüllung der streitbefangenen Darlehensforderungen nur aus künftigen Einnahmen und Gewinnen zu verlangen. Die Rangrücktrittsvereinbarungen knüpfen vielmehr die Berechtigung eines Erfüllungsverlangens der Gläubigerin an das Entstehen eines künftigen Bilanzgewinns.
Der handelsrechtliche Begriff des Bilanzgewinns entspricht nicht den steuerrechtlichen Begriffen Jahresüberschuss oder Gewinn, sondern ist weiter gefasst.
So wird der Begriff des Handels-„Bilanzgewinns“ in § 158 Abs. 1 AktG als eine Position definiert, die sich nach § 275 Abs. 4 HGB aus der Fortführung der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Jahresüberschuss ergibt. Der Bilanzgewinn wird ausgehend vom Jahresüberschuss der Gewinn- und Verlustrechnung i.S.d. § 275 Abs. 2 Pos.20 HGB fortentwickelt, indem der Jahresüberschuss um Vorträge aus dem Vorjahr, Entnahmen aus der Kapitalrücklage und Entnahmen aus der Gewinnrücklage ergänzt wird. Der Bilanzgewinn ergibt sich damit als Resultat aus den einzelnen Maßnahmen der bilanziellen Ergebnisverwendung.
Der Gewinnbegriff des § 5 Abs. 2a EStG folgt hingegen allein aus dem Ergebnis der Geschäftstätigkeit eines Wirtschaftsjahres und ist damit enger gefasst. So kann beispielsweise eine Entnahme aus einer Kapitalrücklage in einem Jahr, in dem kein Jahresüberschuss erwirtschaftet wurde, zu einem Bilanzgewinn führen, der die Gläubigerin berechtigte, auf der Grundlage der Rangrücktrittsvereinbarungen in Höhe des Bilanzgewinns Erfüllung der Darlehensforderungen zu verlangen.
Nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts schließt die Anknüpfung der Rangrücktrittsvereinbarungen vom 07.10.2004 an den Handelsbilanzgewinn, der weiter gefasst ist als die in § 5 Abs. 2a EStG normierten Tatbestandsmerkmalen „künftige Gewinne“ und „künftige Einnahmen“, die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG auf die streitbefangenen Darlehensverbindlichkeiten aus, da § 5 Abs. 2a EStG nur der Passivierung von Verbindlichkeiten entgegen steht, die nur aus künftigen Einnahmen oder Gewinnen zu tilgen sind.
Dabei darf nicht unbeachtet bleiben, dass nach der Rechtsprechung7 und nach Auffassung der Finanzverwaltung8 Rangrücktrittsvereinbarungen die Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG ausschließen, soweit der Rangrücktritt die Möglichkeit der Bedienung aus anderem freien Vermögen vorsieht. Der Begriff des freien Vermögens in diesem Sinne wird definiert als das die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigende Vermögen. Bei einer Kapitalgesellschaft, deren Vermögensdarstellung sich aus § 266 HGB ergibt, ist in der Handelsbilanz eine Position „freies Vermögen“ nicht vorgesehen. Nach § 266 Abs. 3 HGB ist als Differenz zwischen Vermögen (Aktivseite) und Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen das Eigenkapital gem. § 266 Abs. 3a HGB definiert. Danach spiegelt sich das freie Vermögen in den Positionen gezeichnetes Kapital, Kapital- bzw. Gewinnrücklage, Gewinnvortrag und Jahresüberschuss wieder. Diese Positionen lassen sich jedoch im Rahmen der Ergebnisverwendung als Bilanzgewinn ausweisen, so dass das freie Vermögen jederzeit dem Bilanzgewinn zugeführt werden kann. Somit ist nach der Formulierung der streitbefangenen Rangrücktrittsvereinbarungen vom 07.10.2004 eine Tilgung auch aus dem freien Vermögen möglich, das im Übrigen bilanztechnisch nicht nur durch Jahresüberschüsse, sondern auch durch Gesellschaftereinlagen entsteht9.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand, die Begriffe Gewinn und Bilanzgewinn seien gleichzusetzen, weil die Unternehmerin zum Bilanzstichtag 30.06.2005 nicht über freies Vermögen verfügt habe.
Denn der Umstand, dass ein Schuldner Verbindlichkeiten mangels ausreichenden Vermögens nicht oder nur teilweise zurückzahlen kann, lässt die wirtschaftliche Belastung des Vermögens des Schuldners nach ständiger Rechtsprechung nicht entfallen10. Ausreichend ist vielmehr, dass das vorhandene Vermögen der Unternehmerin aufgrund der geschlossenen Rangrücktrittsvereinbarungen weiterhin wirtschaftlich belastet ist.
Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass der bilanziellen Darstellung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft nicht ohne weiteres deren tatsächlicher Wert zu entnehmen ist. So sind Handelsgesellschaften beispielsweise nicht berechtigt, originäre Firmenwerte zu aktivieren und nicht realisierte stille Reserven auszuweisen. Auch die Unternehmerin hatte – wie in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt – berechtigte Hoffnungen, aus ihren Beteiligungen an der T1 und der T2 noch Erträge zu erzielen und hat solche auch tatsächlich erzielt.
Nach allem steht § 5 Abs. 2a EStG der Passivierungsverpflichtung nicht entgegen.
Darauf, dass die Gläubigerin nach den Rangrücktrittsvereinbarungen von der Unternehmerin neben einer Erfüllung aus einem künftigen Handelsbilanzgewinn auch Tilgung aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen konnte, kommt es damit vorliegend nicht an. Auch wenn die Berechtigung der Gläubigerin, die Erfüllung aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu verlangen, die Unternehmerin zum Bilanzstichtag wirtschaftlich nicht belastete, weil zu diesem Zeitpunkt weder ihre Liquidation beschlossen war noch eine solche drohte11.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12. Juni 2014 – 6 K 324/12
- BFH, Urteil vom 30.11.2011 – I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332 m.w.N.[↩]
- BFH, Urteile vom 30.03.1993 – IV R 57/91, BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502; vom 20.10.2004 – I R 11/03, BFHE 207, 295, BStBl II 2005, 581; und vom 16. 05.2007 – I R 36/06, BFH/NV 2007, 2252[↩]
- BFH, Urteil vom 16.05.2007 – I R 36/06, BFH/NV 2007, 2252 m.w.N.; BMF, Schreiben vom 08.09.2006, BStBl I 2006, 497[↩]
- Steuerbereinigungsgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13[↩]
- BFH, Urteil vom 30.11.2011 – I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332[↩]
- so Neumann, Der GmbH-StB 2009, 192, 194; Lang, DStZ 2006, 789; BMF, Schreiben vom 08.09.2006, BStBl I 2006, 497; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 5 Rz 315; ders., BB 2007, 35, 37; Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Rz 675 „Besserungsvereinbarung“[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 30.11.2011 – I R 100/10, BFHE 235, 476, BStBl II 2012, 332 unter – II 2 b bb; und vom 16.05.2007 – I R 36/06, BFH/NV 2007, 2252[↩]
- BMF, Schreiben vom 08.09.2006, BStBl I 2006, 497[↩]
- vgl. Altendorf, GmbH-StB 2012, 147, 149; und Hoffmann, StuB 2012, 209, 210[↩]
- BFH, Urteil vom 09.02.1993, BStBl II 1993, 747[↩]
- vgl. insofern BFH, Urteil vom 30.11.2011 – I R 100/10, BStBl II 2012, 332 unter – II 2 b[↩]