Der „OK-Vermerk“ eines Sendeberichts belegt -jedenfalls- das Zustandekommen einer Verbindung zwischen dem Telefaxgerät des Absenders und dem des Empfängers; er stellt damit wenigstens ein Indiz für den Zugang eines Telefaxes dar1. Zwar trägt der Kläger grundsätzlich die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die fristgerechte Klageerhebung, allerdings darf ihm nicht die Feststellungslast für Vorgänge aufgebürdet werden, die sich im gerichtsinternen Bereich abgespielt haben und deren Unaufklärbarkeit allein in den Verantwortungsbereich des Gerichts fällt.

Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, die tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung zu ermitteln2. Unbeschadet der Mitwirkungspflichten der Beteiligten hat das Finanzgericht dem Amtsermittlungsgrundsatz besondere Bedeutung zuzumessen, soweit es sich um Feststellungen handelt, denen unmittelbar entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt. In diesen Fällen hat das Finanzgericht jedenfalls solchen tatsächlichen Zweifeln nachzugehen, die sich ihm nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten aufdrängen müssen3.
Gemessen daran hat im hier entschiedenen Fall das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt4 seine Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen verletzt, indem es nicht hinreichend aufgeklärt hat, ob die Klageschrift vom 08.10.2020 bereits an diesem Datum -und damit innerhalb der Frist des § 47 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO- als Fax beim Finanzgericht eingegangen ist.
Es bestehen aber -aufgrund der sich bei den Akten befindlichen Sendeberichte- Anhaltspunkte für den Eingang der per Telefax gesendeten Klageschrift beim Finanzgericht am 08.10.2020.
So belegt der „OK-Vermerk“ eines Sendeberichts -jedenfalls- das Zustandekommen einer Verbindung zwischen dem Telefaxgerät des Absenders und dem des Empfängers5; er stellt damit wenigstens ein Indiz für den Zugang eines Telefaxes dar6, welches das Tatsachengericht im Rahmen des ihm obliegenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichten kann7.
Unter den Gegebenheiten des Streitfalls ergibt sich auch aus dem von der Klägerin mit ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 23.10.2020 vorgelegten „Sendebericht“ ein Indiz für den Zugang der Klageschrift am 08.10.2020.
Dieser enthält -neben einem Teil des ersten Blattes der Klageschrift vom 08.10.2020- unter anderem die Zeitangabe „08/10 15:50“, eine Seitenanzahl von 14, die Faxnummer des Finanzgerichtes sowie die Angabe „ÜBERTR OK“. Zwar findet sich hierin zugleich für die „Ü.-DAUER“ die Angabe „00:00:00“. Hieraus folgt jedoch im Streitfall nicht, dass die Angabe „ÜBERTR OK“ kein Indiz für den Zugang der Klageschrift vom 08.10.2020 darstellt. Vielmehr weist der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht vorgelegte, ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 23.10.2020 betreffende „Sendebericht“ neben der Angabe „ÜBERTR OK“ ebenfalls „00:00:00“ als „Ü.-DAUER“ aus, obwohl der Antrag an dem im Sendebericht angegebenen Datum per Fax beim Finanzgericht eingegangen ist. Darüber hinaus lässt sich die in dem Sendebericht angegebene Uhrzeit („12:02“) in Übereinstimmung mit der Angabe auf dem bei den Akten befindlichen Faxausdruck („12:03“) bringen.
Da damit nahe liegt, dass das Faxgerät der Klägerin auch bei einer mit „00:00:00“ angegebenen Übertragungsdauer Faxsendungen vollständig an das Empfängergerät überträgt -und damit der Vermerk „ÜBERTR OK“ auch in diesen Fällen einen Anhaltspunkt für den Zugang des betreffenden Telefaxes bei dem Empfänger darstellt-, hätte sich das Finanzgericht nicht darauf beschränken dürfen, den Eingang der Klageschrift am 08.10.2020 ohne Weiteres zu verneinen. Vielmehr hätte sich ihm die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsermittlung -ohne dass es auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten (Beweis-)Anträge ankommt- von Amts wegen aufdrängen müssen.
So hätte sich das Finanzgericht angesichts der -mit insoweit identischen Angaben des „Sendeberichts“- erfolgreichen Übertragung des Faxes am 23.10.2020 mit der technischen Bedeutung der Angabe „ÜBERTR OK“ sowie der mit „00:00:00“ angegebenen „Ü.-DAUER“ auseinandersetzen müssen. Insbesondere wäre -unter Heranziehung des von der Klägerin vorgelegten Benutzerhandbuchs sowie gegebenenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen8- der Frage nachzugehen gewesen, ob bei dem konkreten von der Klägerin verwendeten Gerät der Vermerk „ÜBERTR OK“ bei gleichzeitiger Angabe einer bestimmten Seitenzahl sowie der „Ü.-DAUER“ mit „00:00:00“ das Zustandekommen einer Verbindung zwischen dem Telefaxgerät des Absenders und dem des Empfängers belegt sowie -hierauf aufbauend-, ob die Übermittlung einer Telefaxnachricht trotz Vorliegens eines Sendeberichts mit dem Vermerk „ÜBERTR OK“ an Leitungsstörungen, die zum Abbruch der Verbindung geführt haben könnten, gescheitert sein könnte.
Die vom Finanzgericht vorgenommene Sachaufklärung ist erkennbar unzureichend. Das Finanzgericht hat sich auf eine „Nachfrage“ bei seinem „Systemadministrator“ beschränkt, der mitteilte, dass es aus technischen Gründen nicht (mehr) möglich sei, das Faxjournal des Gerichtsfaxes als Empfangsgerät für den 08.10.2020 abzurufen oder auszudrucken. Hierbei lässt das Finanzgericht jedoch unberücksichtigt, dass es für die „Erhebung“ der Klage ausschließlich darauf ankommt, dass diese in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt ist9, nicht aber auf eine tatsächliche Kenntnisnahme. Daher hätte das Finanzgericht dienstliche Erklärungen der damals mit der Bedienung des Telefaxgeräts betrauten Bediensteten des Gerichts einholen müssen, um aufzuklären, ob es -worauf auch einer der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht gestellten Beweisanträge abzielt- am 08.10.2020 bei dem von der Klägerin angewählten Telefaxgerät zu einer Störung gekommen war und wie eingegangene Telefaxschreiben im Geschäftsgang erfasst wurden. Ferner wäre zu ermitteln gewesen, wie die Weiterleitung eingegangener Telefaxschreiben an die einzelnen Geschäftsstellen im Oktober 2020 organisiert war und wie sichergestellt wurde, dass als Telefax eingegangene Klagen einer anzulegenden Verfahrensakte zugeordnet und dort abgeheftet wurden.
Ungeachtet des Umstandes, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht auf die Erhebung eines Zeugen- sowie eines Sachverständigenbeweises gerichtete Anträge gestellt hat, und das Finanzgericht im Urteil begründet hat, warum es von der Erhebung der beantragten Beweise abgesehen hat10, hat die Klägerin in Bezug auf die dargelegten Sachaufklärungsmängel ihr Rügerecht nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung in jedem Fall schon deshalb nicht verloren, da sich dem Finanzgericht die Notwendigkeit der weiteren Aufklärung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen11.
Das Urteil des Finanzgerichtes kann auf der unzureichenden Sachaufklärung beruhen. Es besteht die Möglichkeit, dass sich das Finanzgericht bei der gebotenen weiteren Sachaufklärung vom fristgerechten Eingang der Klage überzeugt hätte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass -lässt sich der Nachweis für die fristgerechte Klageerhebung nicht führen- zwar die Klägerin hierfür grundsätzlich die objektive Beweislast (Feststellungslast) trägt12, ihr diese jedoch nicht für Vorgänge aufgebürdet werden darf, die sich im gerichtsinternen Bereich abgespielt haben und deren Unaufklärbarkeit -was im Streitfall angesichts des Umstandes, dass sich das Finanzgericht erst am 22.09.2023 und damit nahezu drei Jahre nach dem behaupteten Klageeingang zu einer „Nachfrage“ bei seinem „Systemadministrator“ veranlasst sah, in Betracht kommt- allein in den Verantwortungsbereich des Gerichts fällt13.
Der Bundesfinanzhof hielt es daher für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Dem Finanzgericht wird hierdurch Gelegenheit gegeben, die unterbliebenen Ermittlungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Juli 2025 – V B 63/23
- Anschluss an BFH, Beschluss vom 22.06.2020 – VI B 117/19, BFH/NV 2020, 1270[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 17.09.2003 – I B 18/03, BFH/NV 2004, 207[↩]
- z.B. BFH, Beschluss vom 07.07.2014 – X B 134/13, BFH/NV 2014, 1772, Rz 11[↩]
- FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.09.2023 – 3 K 856/20[↩]
- BGH, Beschluss vom 14.05.2013 – III ZR 289/12, NJW 2013, 2514, Rz 11; BSG, Beschluss vom 20.10.2009 – B 5 R 84/09 B[↩]
- BFH, Beschluss vom 22.06.2020 – VI B 117/19, BFH/NV 2020, 1270, Rz 18; ebenso BGH, Urteile vom 07.12.1994 – VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665, unter II. 3.; vom 19.02.2014 – IV ZR 163/13, NJW-RR 2014, 683; BGH, Beschlüsse vom 08.10.2013 – VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179, Rz 12; vom 14.05.2013 – III ZR 289/12, NJW 2013, 2514, Rz 11; vom 21.07.2011 – IX ZR 148/10, Immobilien- & Baurecht -IBR- 2011, 733, Rz 3; vgl. auch BAG, Urteil vom 14.08.2002 – 5 AZR 169/01, BAGE 102, 171[↩]
- BFH, Beschluss vom 22.06.2020 – VI B 117/19, BFH/NV 2020, 1270, Rz 19[↩]
- vgl. hierzu OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 05.03.2010 – 19 U 213/09, IBR 2010, 267; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2008 – 12 U 65/08, Der Betrieb 2008, 2479[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 30.05.1984 – I R 218/80, BFHE 141, 221, BStBl II 1984, 668[↩]
- vgl. hierzu z.B. BFH, Beschluss vom 26.11.2008 – IX B 122/08, BFH/NV 2009, 600[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 22.05.2019 – X B 109/18, BFH/NV 2019, 900[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 24.09.1985 – IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268; vom 21.04.1988 – IV R 200/85, BFH/NV 1989, 172; BFH, Beschluss vom 08.07.2003 – VIII B 3/03, BFH/NV 2003, 1441[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 28.10.1987 – I R 12/84, BFHE 151, 315, BStBl II 1988, 111; s.a. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 01.08.1996 – 1 BvR 121/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 759[↩]