Eine Besetzungsrüge mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung für eine Übertragung auf den Einzelrichter hätten nicht vorgelegen, kann nur Erfolg haben, wenn die Übertragung objektiv willkürlich ist oder sich als greifbar gesetzwidrig erweist.
Die Übertragung des Rechtsstreits durch den Senat des Finanzgerichts auf eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 FGO) ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar und unterliegt nach § 124 Abs. 2 FGO nicht der Beurteilung der Revision. Die Übertragung ist daher grundsätzlich auch nicht verfahrensfehlerhaft im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO1 und kann somit auch grundsätzlich nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden2. Die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO für eine Übertragung des Rechtsstreits aufgeführten materiellen Voraussetzungen sind dabei nicht als tatbestandliche Voraussetzungen für das Übertragungsermessen des Finanzgerichts, sondern lediglich als der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht entzogene Leitlinien eines dem Finanzgericht eingeräumten Ermessens zu verstehen3.
Eine Besetzungsrüge mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 FGO für eine Übertragung auf den Einzelrichter hätten nicht vorgelegen, kann nur Erfolg haben, wenn die Übertragung objektiv willkürlich ist4 oder sich als greifbar gesetzwidrig erweist5. In zeitlicher Hinsicht darf der zuständige Bundesfinanzhof des Finanzgerichtes die Voraussetzungen des § 6 FGO beurteilen (und deshalb über die Übertragung entscheiden), wenn er sich ein hinreichendes Urteil über den Fall bilden kann. Dafür genügt im Allgemeinen der Eingang von Klagebegründung, der Klageerwiderung und der den Streitfall betreffenden Akten3.
Danach griff im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall die auf die Einzelrichterbestellung gestützte Besetzungsrüge nicht durch:
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht konnte die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 FGO als gegeben ansehen. Anhaltspunkte für die Erkennbarkeit besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten6 mussten sich angesichts der überschaubaren tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Streitfalls, in dem es um den Antrag geht, die Nichtigkeit der Anordnung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung festzustellen, dem Finanzgericht nicht aufdrängen.
Der Beschluss zur Übertragung auf den Einzelrichter ist auch nicht vorzeitig erfolgt. Das Finanzgericht hat die Einzelrichterübertragung vorgenommen, als das Finanzamt vorlag und die postalische Übersendung derjenigen Akten, die unmittelbar den Streitgegenstand betrafen, unter Angabe ihres überschaubaren Umfangs von ihm angekündigt worden war. Sowohl die Beteiligten als auch die grundsätzliche Problematik waren dem Finanzgericht bereits aus einem vorangegangenen Verfahren bekannt. Ob weitere Akten zum Zwecke der Sachaufklärung beizuziehen waren (oder gewesen wären, wie die Klägerin meint), ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung; denn es entspricht gerade dem Zweck der Einzelrichterbestellung, den Vollsenat von dieser Prüfung zu entlasten7.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10. November 2025 – V B 70/24
- vgl. BFH, Beschluss vom 15.04.2014 – V S 5/14 (PKH), BFH/NV 2014, 1381, Rz 15[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 12.10.2006 – VII B 326/05, BFH/NV 2007, 519; vom 01.09.2016 – VI B 26/16, BFH/NV 2017, 50, Rz 4[↩]
- BFH, Beschluss vom 13.03.2024 – VIII B 129/22, BFH/NV 2024, 536, Rz 25[↩][↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 27.12.2004 – IV B 16/03, BFH/NV 2005, 1078, unter II.II. 6.; vom 30.05.2022 – II B 55/21, BFH/NV 2022, 903, Rz 17[↩]
- BFH, Beschlüsse vom 16.12.1997 – IX R 22/95, BFH/NV 1998, 720, unter 2.a aa; vom 01.09.2016 – VI B 26/16, BFH/NV 2017, 50, Rz 5[↩]
- vgl. zu diesem Erfordernis BFH, Beschluss vom 28.01.2003 – VI B 75/02, BFH/NV 2003, 926, unter 1.b[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 30.05.2022 – II B 55/21, BFH/NV 2022, 903, Rz 21[↩]
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