Eine Gemeinde, die nicht auf privatrechtlicher, sondern auf hoheitlicher Grundlage Stellplätze für PKW in einer Tiefgarage gegen Entgelt überlässt, handelt als Unternehmer und erbringt steuerpflichtige Leistungen, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG). Eine derartige Wettbewerbsverzerrung liegt – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – auch vor, wenn eine Gemeinde Stellplätze zwar nach §§ 45, 13 StVO öffentlich-rechtlich auf einer öffentlich-rechtlich gewidmeten „Straße“ überlässt, es sich hierbei jedoch um Flächen einer Tiefgarage handelt.

Die Umsatzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts richtet sich nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1999 i.V.m. § 4 des KStG unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Umsatzsteuer-Richtlinie 77/388/EWG1.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art unternehmerisch und damit wirtschaftlich tätig. Bei diesen Betrieben handelt es sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG um alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 KStG). Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht hierzu.
Diese Vorschriften sind unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG richtlinienkonform auszulegen. Danach gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie hierfür als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als NichtSteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Danach ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Erfolgt ihre Tätigkeit auf öffentlichrechtlicher Grundlage, z.B. durch Verwaltungsakt, ist sie demgegenüber nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde2.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hat die Gemeinde gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 1 KStG mit der Parkraumüberlassung in der zur öffentlichen Gemeindestraße gewidmeten Tiefgarage eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, die sich aus ihrer Gesamtbetätigung heraushob.
Die wirtschaftliche Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts hebt sich aus ihrer Gesamttätigkeit heraus, wenn sie zu anderen Unternehmen unmittelbar in Wettbewerb tritt und sich die wirtschaftliche Tätigkeit von ihrer übrigen Betätigung deutlich abgrenzt3. Bestimmte Gewinn- und Umsatzgrenzen, wie sie Abschn. 23 Abs. 4 der UmsatzsteuerRichtlinien 1999 unter Bezugnahme auf R 6 Abs. 4 der KörperschaftsteuerRichtlinien vorsehen, lassen sich dagegen nicht mit den umsatzsteuerrechtlichen Erfordernissen4, insbesondere auch nicht mit dem notwendigen Ausschluss von Wettbewerbsverzerrungen5 vereinbaren. Dementsprechend hat der BFH bereits im Urteil vom 28.11.1991 – V R 95/866 entschieden, dass die Vermietung einer kommunalen Mehrzweckhalle, die im Übrigen für hoheitliche Schulzwecke genutzt wurde, sich aus der Gesamttätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts heraushebt. Für die Überlassung von PKWStellplätzen in einer eigens dafür vorgesehenen Tiefgarage, wie sie auch von privaten Anbietern von Stellplätzen in Großgaragen mit einer Vielzahl von Stellplätzen angeboten werden, gilt nichts anderes.
Im Streitfall war die Gemeinde bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmer tätig. Zwar hat sie bei der Parkraumüberlassung in der Tiefgarage nach §§ 45, 13 StVO auf hoheitlicher Grundlage gehandelt, ihre Behandlung als Nichtunternehmer würde jedoch zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen, wie das Finanzamt zu Recht geltend macht.
Nach dem „Isle of Wight Council“-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union7 sind „größere“ Wettbewerbsverzerrungen nur dann zu verneinen, wenn „die Behandlung öffentlicher Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige … lediglich zu unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen würde“. Es ist daher für die Behandlung einer auf öffentlichrechtlicher Grundlage tätigen juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht erforderlich, dass „erhebliche“ oder „außergewöhnliche“ Wettbewerbsverzerrungen vorliegen8. Weiter ist für die Wettbewerbsbeurteilung nicht nur der gegenwärtige, sondern auch der potenzielle Wettbewerb zu berücksichtigen. Im Übrigen kommt es für die Wettbewerbsbeurteilung nicht auf die Verhältnisse auf dem jeweiligen „lokalen Markt“ an. Denn die Frage der Wettbewerbsverzerrungen ist „in Bezug auf die fragliche Tätigkeit als solche zu beurteilen …, ohne dass sich diese Beurteilung auf einen lokalen Markt im Besonderen bezieht“9, so dass die Art der Tätigkeit maßgeblich ist. Jedoch kann die rein theoretische, durch keine Tatsache, kein objektives Indiz und keine Marktanalyse untermauerte Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten, nicht mit dem Vorliegen eines potenziellen Wettbewerbs gleichgesetzt werden. Eine solche Gleichsetzung setzt vielmehr voraus, dass sie real und nicht rein hypothetisch ist10.
Die Art der Tätigkeit ist auch bei der Wettbewerbsbeurteilung der Parkraumüberlassung gemäß §§ 45, 13 StVO zu beachten.
Nach dem im Streitfall zu berücksichtigenden § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b des Straßen- und Wegegesetzes NordrheinWestfalen gehören zum Straßenkörper „die Fahrbahn, die Trennstreifen, die befestigten Seitenstreifen (Stand, Park- und Mehrzweckstreifen), die Bankette und die Bushaltestellenbuchten sowie die Rad- und Gehwege, auch wenn sie ohne unmittelbaren räumlichen Zusammenhang im Wesentlichen mit der für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn gleichlaufen (unselbständige Rad- und Gehwege), sowie Parkplätze, Parkbuchten und Rastplätze, soweit sie mit einer Fahrbahn in Zusammenhang stehen (unselbständige Parkflächen, unselbständige Rastplätze) und die Flächen verkehrsberuhigter Bereiche“ zur öffentlichen Straße.
Bei Parkplätzen ist dabei zwischen unselbständigen und selbständigen Parkplatzflächen zu unterscheiden, für die unterschiedliche Baulastträger zuständig sein können. Unselbständige Parkplatzflächen sind „in den Straßenkörper einer Straße derart einbezogen, daß sie mit ihm eine Einheit bilden“; selbständige Parkplatzflächen besitzen „gegenüber der Straße, mit der sie durch eine Zufahrt verbunden sind, selbständige Bedeutung und haben den Charakter einer eigenen öffentlichen Wegeanlage“. Parkplätze, die unmittelbar an die Fahrbahn einer Straße anschließen, sind regelmäßig Teil der Straße und somit unselbständige Parkplatzfläche11.
Ohne dass der straßen- und wegerechtlichen Beurteilung eine Bindungswirkung für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung zukommt, ist im Streitfall davon auszugehen, dass eine Tiefgarage ebenso wie sonstige neben einer Straße liegende Grundstücksflächen- gegenüber den dem allgemeinen Verkehr dienenden Straßenflächen eine eigenständige Bedeutung hat, so dass von einer selbständigen Parkplatzfläche auszugehen ist, die im Übrigen nach der Art der Tätigkeit9 ebenso durch einen privaten Leistungsanbieter zur Nutzung überlassen werden kann. Die Nichtbesteuerung des auf hoheitlicher Grundlage durchgeführten Betriebs einer gebührenpflichtigen Tiefgarage würde zu mehr als nur unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen, da bei einer nach der Art der Leistung vorzunehmenden Wettbewerbsprüfung nicht zwischen Tiefgaragen, Parkhäusern und anderen selbständigen Parkplatzflächen zu differenzieren ist. Dass die in der Tiefgarage vorhandenen Fahrbahnen als Zufahrt zu den dort überlassenen Einzelparkplätzen ebenso wie diese öffentlichrechtlich als Straße gewidmet waren, ist dabei für die maßgebliche Art der Tätigkeit (Parkraumüberlassung) ohne Belang.
Soweit der Bundesfinanzhof demgegenüber in seinem Urteil vom 27. Februar 200312 davon ausgegangen ist, dass allgemein für die nach §§ 45, 13 StVO erfolgende Parkplatzüberlassung kein wettbewerbsrelevanter Markt bestehe, hält der Bundesfinanzhof hieran im Hinblick auf das EuGH-Urteil „Isle of Wight Council“ (EuGH, Urteil „Isle of Wight Council“ in Slg.2008, I7203 nicht fest (Änderung der Rechtsprechung). Offenbleiben kann im Streitfall, ob ein Wettbewerbsverhältnis zu privaten Anbietern zu bejahen wäre, wenn es sich um unselbständige Parkplatzflächen auf öffentlichrechtlich gewidmeten Straßen handelt, die dem allgemeinen Verkehr dienen und die Straße nicht nur wie im Streitfall in einer Tiefgarage- als Zufahrt zu einem Parkplatz dient.
Die Gemeinde hat unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeit vergleichbar einem privaten Wettbewerber auf einer in sich geschlossenen und – gegenüber den dem eigentlichen Straßenverkehr dienenden Verkehrsflächen – selbständigen Fläche (Tiefgarage) Parkplätze angeboten. Die Annahme, die Behandlung der Gemeinde als Nichtunternehmer führe im Streitfall nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen, ist mit der EuGHRechtsprechung nicht zu vereinbaren. Dass die Gemeinde das Parken im streitigen Bereich die „meiste Zeit“ über unentgeltlich erlaubte, rechtfertigt nicht die Annahme, dass bei der „Parkraumbewirtschaftung“ kein Wettbewerb zu privaten Anbietern bestand. Denn für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der entgeltlichen Leistungstätigkeit ist unerheblich, wie eine juristische Person des öffentlichen Rechts sich bei der Erbringung unentgeltlicher Leistungen verhalten hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob ihre Behandlung als Nichtunternehmer im Hinblick auf die Art der entgeltlichen Leistungstätigkeit zu mehr als unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Dies ist im Streitfall zu bejahen.
Für die Beurteilung als Wettbewerbsverzerrung ist unerheblich, dass die Gemeinde ihre Leistungen zum gleichen Preis wie steuerpflichtige private Wettbewerber angeboten hat. Denn nach dem Salix-Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union13 ist Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, „dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, … als Steuerpflichtige gelten, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige aufgrund des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 oder 4 zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zulasten ihrer privaten Wettbewerber führen würde …“. Bleiben die Leistungen der Gemeinde unbesteuert, ergibt sich auch bei gleicher Preishöhe eine Wettbewerbsverzerrung zulasten ihrer privaten Wettbewerber.
Ohne Erfolg macht die Gemeinde geltend, der Steuerpflicht stehe entgegen, dass die Parkraumüberlassung nur „kurzfristig“ erfolgte und sie nach eigenen Angaben mit der entgeltlichen Parkraumbewirtschaftung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung tätig wurde. „Kurzfristiges“ Parken ist der Art nach auch in privaten Parkhäusern möglich. Dass in privaten Parkhäusern auch über einen längeren Zeitraum geparkt werden kann, wenn dies der Kunde wünscht, spricht nicht gegen das Vorliegen eines insoweit bestehenden Wettbewerbsverhältnisses, da im privaten Parkhaus und der öffentlichrechtlich betriebenen Tiefgarage gleichermaßen „kurzfristig“ geparkt werden kann und wird. Darüber hinaus sind für die Umsatzbesteuerung einer hoheitlich ausgeübten Tätigkeit die mit dieser Tätigkeit verfolgten Ziele wie z.B. kommunale Verkehrsteuerung nicht maßgeblich. Weiter war es im Hinblick auf die in der Widmung enthaltene Nutzungsbeschränkung als Zufahrt für die Nutzer der Stellplatzflächen unerheblich, dass die „Tiefgarage“ auch als Durchfahrt zur Umgehung einer Ampelanlage genutzt werden konnte. Auf die Verhältnisse auf dem lokalen Markt für Parkplätze kommt es im Übrigen nicht an.
Die Parkraumüberlassung war schließlich gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG auch steuerpflichtig, sofern die Steuerfreiheit nach Satz 1 dieser Vorschrift auf eine auf hoheitlicher Grundlage erfolgende Nutzungsüberlassung überhaupt anzuwenden ist.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Dezember 2011 – V R 1/11
- Sechste Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG[↩]
- BFH, Urteile vom 15.04.2010 – V R 10/09, BFHE 229, 416, BFH/NV 2010, 1574, unter II.B.02. bis 5., m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union; und vom 03.03.2011 – V R 23/10, BFHE 233, 274, BFH/NV 2011, 1261, unter II.02.a aa[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 25.10.1989 – V R 111/85, BStBl II 1990, 868[↩]
- BFH, Urteil vom 17.03.2010 – XI R 17/08, BFHE 230, 466; in BStBl II 1990, 868, und BFH, Urteil vom 11.01.1979 – V R 26/74, BFHE 127, 83, BStBl II 1979, 746[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 229, 416, BFH/NV 2010, 1574, unter II.B.02.e[↩]
- BFHE 167, 207, BStBl II 1992, 569[↩]
- EuGH, Urteil vom 16.09.2008 – C-288/07 [Isle of Wight Council], Slg.2008, I7203 Rdnr. 76[↩]
- EuGH, Urteil „Isle of Wight Council“ in Slg.2008, I7203 Rdnr. 74[↩]
- EuGH, Urteil „Isle of Wight Council“ in Slg.2008, I7203 Rdnr. 53[↩][↩]
- EuGH, Urteil „Isle of Wight Council“ in Slg.2008, I7203, Leitsatz 2[↩]
- Herber in Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl.2010, S. 283 f. Rz 23[↩]
- BFH, Urteil vom 27.02.2003 – V R 78/01, BFHE 201, 554, BStBl II 2004, 431, unter II.03.d dd[↩]
- EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-102/08 [Salix], Slg.2009, I4629, Leitsatz 2[↩]