Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt zu einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in bestehende Mietverträge vom Veräußerer ein Vermietungsunternehmen übernimmt.

Das ist auch dann der Fall, wenn der Veräußerer ein Bauträger ist, der ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und sodann veräußert hat, falls im Zeitpunkt der Veräußerung infolge einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit beim Veräußerer ein Vermietungsunternehmen vorliegt, das vom Erwerber fortgeführt wird.
Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer.
§ 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).
Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (nunmehr Art.19 MwStSystRL 2006/112/EG).
Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.
Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG bezweckt, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen, und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben; nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit1. Dagegen fordert Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG nicht, dass der Begünstigte vor der Übertragung eine wirtschaftliche Tätigkeit derselben Art ausgeübt haben müsste wie der Übertragende2.
Für die Feststellung, ob ein Geschäft unter den Begriff der Übertragung eines Gesamtvermögens i.S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG fällt, muss eine Gesamtwürdigung der für das betreffende Geschäft kennzeichnenden tatsächlichen Umstände vorgenommen werden. Dabei ist der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Fortführung geplant ist, besondere Bedeutung zuzumessen3.
Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt dann zur Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG, wenn durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Mietvertrag ein Vermietungsunternehmen übernommen wird4.
Es liegt aber keine Geschäftsveräußerung im Ganzen in diesem Sinne vor, wenn -was Bauträger betrifft- die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter/Pächter für die einzelnen Einheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung aufgrund bereits erfolgter Vermietung ertragssteigernd veräußern zu können5.
Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall waren die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG erfüllt:
Gegenstand der Übertragung war ein im Zeitpunkt der Veräußerung im Januar 2006 bereits seit zwei bis drei Jahren langfristig vermieteter Bürogebäudekomplex. Die Erwerberin hat alle bestehenden Mietverhältnisse, wie von ihr beabsichtigt, fortgeführt.
Das Grundstück war zwar im Zeitpunkt des Verkaufs im Januar 2006 nicht vollständig vermietet. Dies steht aber der Beurteilung des Finanzgericht nicht entgegen, seinerzeit habe (auch) die Veräußerin bereits ein Vermietungsunternehmen betrieben. Denn im Zeitpunkt der Veräußerung des Grundstücks waren bereits 90 % der Flächen vermietet. Der Leerstand (10 %) war unwesentlich und für die Annahme eines Vermietungsunternehmens somit unschädlich6.
Die -von ihm unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Streitfalls im Einzelnen begründete- Würdigung des Finanzgerichts, die Veräußerin habe im Veräußerungszeitpunkt ein Vermietungsunternehmen betrieben7, ist für den Bundesfinanzhof im vorliegenden Fall revisionsrechtlich nicht zu beanstanden:
Sie ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, weder widersprüchlich, lückenhaft oder mehrdeutig und verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Sie bindet damit den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO8.
Die Einwendungen des Finanzamt greifen nicht durch.
Soweit das Finanzamt vorbringt, bei einem Projekt der hier vorliegenden Größenordnung benötige der geplante Verkauf eine gewisse Vorlaufzeit, die die Veräußerin durch Vermietung des Objekts gewinnbringend genutzt und zudem beabsichtigt habe, durch langfristige Mietverträge den zu erwartenden Verkaufserlös zu steigern, weshalb die Vermietung nicht zur Haupttätigkeit der Veräußerin herangereift sein könne, setzt es lediglich seine eigene Wertung des Sachverhalts an die Stelle der möglichen Würdigung des Finanzgericht.
Dieser Einwand kann der Revision deshalb ebenso wenig zum Erfolg verhelfen wie der Hinweis auf die Einschätzung des für die Veräußerin zuständigen Finanzamt, das deren Unternehmen als ein Bauträgerunternehmen angesehen hat, das mit dem Erwerb, der Sanierung, der Mieterfindung und dem Verkauf seinen Abschluss gefunden habe, weshalb es nicht fortgeführt werden könne.
Ohne Erfolg bleibt auch das Revisionsvorbringen, die Veräußerin habe schon im Zeitpunkt des Erwerbs des Objekts dessen Wiederverkauf beabsichtigt.
Denn eine anfängliche, weiter bestehende und ihrem Unternehmenszweck entsprechende Absicht der Veräußerin, das Objekt wieder zu verkaufen, steht einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG nicht zwingend entgegen. Ein Bauträger, der -wie hier die Veräußerin- als Objektgesellschaft eine erworbene Immobilie nach ihrer Sanierung zunächst über mehrere Jahre hält, sukzessive weitgehend vermietet und dann gewinnbringend und wie von Anfang an beabsichtigt zum „richtigen“ Zeitpunkt veräußert, kann mit zunehmender Dauer selbst einen auf Vermietung gerichteten unternehmerischen Nutzungszusammenhang geschaffen haben, den er im Zuge der Veräußerung des Objekts auf den Erwerber übertragen kann9.
Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in BFHE 210, 146, BStBl II 2007, 61 und in BFHE 222, 170, BStBl II 2009, 254 sowie in BFH/NV 2011, 854 ergibt sich nichts anderes.
In diesen Fällen war -anders als im Streitfall- eine nachhaltige Vermietungstätigkeit des Veräußerers nicht gegeben, weil z.B. die Vermietungsdauer nur einen Monat betragen hatte10, ein Makler unmittelbar nach Abschluss eines Mietvorvertrags zum Verkauf des (erst noch) zu bebauenden Grundstücks beauftragt worden war11 oder der Veräußerer im März das noch nicht fertig gestellte Objekt schon bei aufgenommenen Vertragsverhandlungen über den Verkauf verpachtet und im Oktober desselben Jahres veräußert hatte12. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor.
Soweit das Finanzgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 12.11.201413, gegen das Revision eingelegt wurde14, entschieden hat, dass bei einer nur 17 Monate währenden Vermietungsdauer und „einer von Anfang an mindestens gleichwertigen Verkaufsabsicht“ die Veräußerung eines Mietgrundstücks keine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstelle, kann der Bundesfinanzhof offen lassen, ob er dieser Auffassung nach den genannten Grundsätzen folgen könnte; jedenfalls ist insoweit ein nicht vergleichbarer Sachverhalt gegeben.
Denn hier hat das Finanzgericht die Umstände des Streitfalls dahingehend gewürdigt, dass die bei einem Bauträgerunternehmen stets vorliegende „finale Veräußerungsabsicht“ das Unternehmen der Veräußerin nicht (mehr) maßgeblich geprägt habe. Eine andere Tätigkeit -die Vermietung- habe sich derart stark herausgebildet, dass sie am Ende dominiert habe15.
a)) Das Finanzgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil vorliegend die Vertragsparteien im Grundstückskaufvertrag unzutreffend davon ausgegangen sind, diese liege nicht vor, und auf die grundsätzliche Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichtet haben16.
Auch ist, wie das Finanzgericht des Saarlands17 zutreffend erkannt hat, für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung nicht entscheidend, ob das Objekt bilanzsteuerrechtlich dem Umlauf- oder Anlagevermögen zuzuordnen ist18.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. August 2015 – XI R 16/14
- vgl. EuGH, Urteile vom 27.11.2003 Zita Modes – C-497/01, EU:C:2003:644, UR 2004, 19, Rz 44; vom 10.11.2011 Schriever – C-444/10, EU:C:2011:724, BStBl II 2012, 848, Rz 37; BFH, Urteile vom 30.01.2014 – V R 33/13, BFH/NV 2014, 1238, Rz 15, m.w.N.; vom 04.02.2015 – XI R 42/13, BFHE 248, 472, BStBl II 2015, 616, Rz 17 f., m.w.N.[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Zita Modes, EU:C:2003:644, UR 2004, 19, Rz 45[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Schriever, EU:C:2011:724, BStBl II 2012, 848, Rz 32[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 11.10.2007 – V R 57/06, BFHE 219, 284, BStBl II 2008, 447, unter II. 2.; vom 06.05.2010 – V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, Rz 16; vom 05.06.2014 – V R 10/13, BFH/NV 2014, 1600, Rz 11; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 01.04.2004 – V B 112/03, BFHE 205, 511, BStBl II 2004, 802; BFH, Urteile in BFHE 210, 146, BStBl II 2007, 61, unter II. 1.a; vom 07.07.2005 – V R 78/03, BFHE 211, 63, BStBl II 2005, 849, unter II. 1.a bb; in BFHE 222, 170, BStBl II 2009, 254, unter II. 1.c; in BFH/NV 2011, 854, Rz 22; jeweils m.w.N.; vgl. auch Friedrich-Vache, Mehrwertsteuerrecht 2014, 624[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil vom 30.04.2009 – V R 4/07, BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, unter II. 3., Rz 30, zu einer unschädlichen Vermietungsquote von 37 %[↩]
- FG Saarland, Urteil vom 05.03.2014 – 1 K 1265/11, Rz 49 bis 53[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 17.12 2014 – XI R 16/11, BFHE 248, 436, BStBl II 2015, 427, Rz 33[↩]
- vgl. Behrens/Schmitt, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht -UVR- 2008, 220 [223]; ferner Herbert, UR 2004, 506 [511][↩]
- BFH, Urteil in BFHE 210, 146, BStBl II 2007, 61, unter II. 1.a, Rz 20[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 222, 170, BStBl II 2009, 254, unter II. 2., Rz 24[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2011, 854, unter II. 1.c, Rz 24[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2014 – 7 K 7283/12, EFG 2015, 334[↩]
- BFH – V R 66/14[↩]
- FG, Urteil, S. 24, Rz 52[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 226, 138, BStBl II 2009, 863, unter II. 3., Rz 31[↩]
- FG Saarland, aaO[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 24.09.2009 – V R 6/08, BFHE 227, 506, BStBl II 2010, 315, Leitsatz; ferner Behrens/Schmitt, UVR 2008, 220 [223][↩]