Verbindlichkeiten werden nach § 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet. Für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist dabei auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen.

Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht oder bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht.
Die Umsatzsteuer für die Leistungen eines insolvenzbedrohten Unternehmers können damit nur unter bestimmten Umständen Masseverbindlichkeiten sein.
§ 55 Abs. 4 InsO ordnet an, dass bestimmte Steueransprüche, die durch oder mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Zeitraum nach seiner Bestellung bis zur Insolvenzeröffnung begründet worden sind, im eröffneten Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten gelten. Sie sind dann -anders als bloße Insolvenzforderungen- vorrangig zu befriedigen.
Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, zu dessen Gunsten ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt besteht und der vom Insolvenzgericht ermächtigt wird, die Entgeltforderungen des Unternehmers einzuziehen, führt allerdings dazu, dass das Entgelt uneinbringlich wird und die Umsatzsteuer nicht mehr erhoben werden kann. Wird nachfolgend durch den vorläufigen Insolvenzverwalter trotzdem Entgelt vereinnahmt, entsteht der Steueranspruch als Masseverbindlichkeit neu.
Die aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs klärt eine für die Praxis wichtige Streitfrage und ist im Insolvenzeröffnungsverfahren aller Unternehmer, die umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen, von großer Bedeutung, da § 55 Abs. 4 InsO die Steuerschuld zur Masseverbindlichkeit aufwertet.
Der Bundesfinanzhof wendet sich gegen die Sichtweise der Finanzverwaltung, die § 55 Abs. 4 InsO auf Steuerverbindlichkeiten anwendet, die auf Umsätzen beruhen, denen der schwache vorläufige Insolvenzverwalter nicht widersprochen hat. Stattdessen ist die Vorschrift nur nach Maßgabe der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse anzuwenden. Diese beziehen sich allerdings im Regelfall nicht auf Leistungen durch den insolvenzbedrohten Unternehmer, sondern auf den Forderungseinzug und damit auf das Recht des vorläufigen Insolvenzverwalters, Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen einzuziehen.
Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.
Verbindlichkeiten werden vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet.
§ 55 Abs. 4 InsO erweitert die Tatbestände, nach denen Masseverbindlichkeiten entstehen. Für diese kommt es auf die nach dem Insolvenzrecht bestehenden rechtlichen Befugnisse an. So sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur die Verbindlichkeiten, „die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden“. § 55 Abs. 2 InsO setzt Verbindlichkeiten voraus, „die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist“. § 55 Abs. 4 InsO dient zwar dazu, die nach § 55 Abs. 1 und 2 InsO bestehenden Tatbestände zu erweitern. Dies steht aber wie bei § 55 Abs. 1 und 2 InsO unter dem Vorbehalt, dass hierfür die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse zu berücksichtigen sind.
Nach Maßgabe der dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehenden rechtlichen Befugnisse ist für das Entstehen von Masseverbindlichkeiten bei umsatzsteuerrechtlichen Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht auf die lediglich zeitliche Verbindlichkeitsbegründung „nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters“1 abzustellen. Die Annahme, dass hiervon ausgenommen nur die Umsatzsteuerverbindlichkeiten seien, die „auf Umsätzen beruhen, denen der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ausdrücklich widersprochen hat“2, ist mit den insolvenzrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO nicht vereinbar. Insbesondere ist der Insolvenzordnung eine von der Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach den §§ 21 ff. InsO abweichende „tatsächliche“ Zustimmung oder eine „faktische“ Unternehmensfortführung neben einer Unternehmensfortführung i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO fremd. Ohne Einschränkung durch die einem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragenen Befugnisse kann der Schuldner frei entscheiden3. Das Erfordernis einer „tatsächlichen“ Zustimmung mit dessen Handlungen führt demgegenüber zwangsläufig zu nicht nachprüfbaren Unterstellungen. Auf einen fehlenden Widerspruch kann daher nur in dem Umfang abgestellt werden, als ein Recht zum Widerspruch besteht.
Ob eine umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeit aus dem Steuerschuldverhältnis Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ist, entscheidet sich nach der Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter.
§ 55 Abs. 4 InsO ist entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers auf Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis nach dem Umsatzsteuergesetz anzuwenden. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung dient § 55 Abs. 4 InsO dazu, die Durchsetzung des Umsatzsteueranspruchs im Insolvenzeröffnungsverfahren zu sichern4.
Kommt es für die Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters an, ist bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) -ebenso wie bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG)- auf die Entgeltvereinnahmung, nicht aber auf die Leistungserbringung abzustellen.
Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter -wie im Streitfall- zum Forderungseinzug ermächtigen. Der Forderungseinzug erfolgt zumindest in diesem Fall im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse und kann dementsprechend dazu führen, dass umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis, die mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen, zur Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO werden. Ob sich dies auch bereits aufgrund des allgemeinen Zustimmungsvorbehalts, der sich auf Verfügungen bezieht, ergeben kann, hat der Bundesfinanzhof im Streitfall nicht zu entscheiden.
Demgegenüber kann nicht auf das Erbringen steuerbarer Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abgestellt werden. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt -wie im Streitfall- selbst keine Leistungen erbringt.
Für die Verbindlichkeitsbegründung i.S. von § 55 Abs. 4 InsO ist auch unter Berücksichtigung des für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) nicht die steuerbare Leistungserbringung maßgeblich. Denn dieser Zustimmungsvorbehalt bezieht sich nur auf „Verfügungen“. Im Hinblick auf diese Rechtsstellung wäre es zwar denkbar; vom Schuldner erbrachte Lieferungen und damit die Verschaffung der Verfügungsmacht an Gegenständen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG als masseverbindlichkeitsbegründend i.S. von § 55 Abs. 4 InsO anzusehen, wenn dies mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt. § 55 Abs. 4 InsO wäre dann aber auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) zu beschränken, da es bei der Erbringung sonstiger Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG jedenfalls an einem vergleichbaren Verfügungselement fehlte. Eine auf Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) beschränkte Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO ist aber bereits deshalb ausgeschlossen, da die Auslegung des § 55 Abs. 4 InsO nicht dazu führen darf, dass es im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Schuldners, der als Händler zustimmungspflichtige Lieferungen ausführt, zum Entstehen von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO kommt, während keine Masseverbindlichkeiten im Insolvenzeröffnungsverfahren eines Dienstleistungsunternehmens entstehen. Eine derartige Differenzierung hätte zur Folge, dass durch den unterschiedlichen Umfang, in dem Masseverbindlichkeiten entstünden, die Fortführung und Sanierung (vgl. § 1 Satz 1 InsO) von Dienstleistungsunternehmen erleichtert und von Handelsunternehmen erschwert würde. Dies wäre mangels sachgerechten Differenzierungsgrundes mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz5 unvereinbar.
Die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse sind auch umsatzsteuerrechtlich von Bedeutung. Bestellt das Insolvenzgericht -wie im Streitfall- für einen Unternehmer einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht und bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt und bezieht.
Aufgrund der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) und mit Recht zum Forderungseinzug (§§ 22 Abs. 2, 23 InsO) werden die noch ausstehenden Entgelte für zuvor erbrachte Leistungen uneinbringlich.
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist.
Wie der Bundesfinanzhof bereits für das eröffnete Insolvenzverfahren entschieden hat, werden die Entgelte für Leistungen, die der Unternehmer bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat und die der Unternehmer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vereinnahmt hat, im Augenblick vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens uneinbringlich. Maßgeblich ist hierfür, dass gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Empfangszuständigkeit für alle Leistungen, die auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erbracht werden, auf den Insolvenzverwalter übergeht und dass der Unternehmer somit aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, rechtswirksam Entgeltforderungen in seinem eigenen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil selbst zu vereinnahmen, da sie im Rahmen der Masseverwaltung und Masseverwertung zu vereinnahmen sind und damit zum Bereich der Masseverbindlichkeiten gehören6.
Ebenso ist es im Insolvenzeröffnungsverfahren, worüber der Bundesfinanzhof bisher noch nicht zu entscheiden hatte. Zwar ergibt sich das Recht zum Forderungseinzug hier nicht aus den einem Insolvenzverwalter gemäß §§ 80 ff. InsO zustehenden Befugnissen. Erlässt das Insolvenzgericht aber entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt das Verbot an Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen, und ermächtigt es den vorläufigen Insolvenzverwalter, Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen (§ 22 Abs. 2 InsO), wird damit das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber Drittschuldnern gemäß § 24 Abs. 1 InsO in einer Weise geregelt, die § 80 Abs. 1 und § 82 InsO entspricht7.
Ordnet das Insolvenzgericht daher wie im Streitfall an, dass der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter berechtigt ist, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Insolvenzschuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen und verbietet es zudem den Drittschuldnern an den Insolvenzschuldner zu zahlen, führt dies wie im eröffneten Insolvenzverfahren zur Uneinbringlichkeit der dem Unternehmer zustehenden Entgelte. Denn auch im Insolvenzeröffnungsverfahren ist es dann dem Unternehmer aufgrund der auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangenen Einziehungsbefugnis nicht mehr möglich, das Entgelt für die zuvor entstandene Steuerschuld zu erlangen. Ob es zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, ist als erst nachträglich eintretender Umstand für die steuerrechtliche Beurteilung unerheblich.
Zu berichtigen ist auch der Vorsteuerabzug. Der Bundesfinanzhof hat bereits mehrfach entschieden, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus nicht bezahlten Leistungsbezügen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt entsteht8. Der Gläubiger des Schuldners, für den der vorläufige Insolvenzverwalter bestellt wird, kann dann seinen Entgeltanspruch aus der an den Schuldner erbrachten Leistung -selbst wenn es nachfolgend zu keiner Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt, sondern diese z.B. mangels Masse unterbleibt- zumindest für die Dauer des Eröffnungsverfahrens und damit im Regelfall über einen längeren Zeitraum von ungewisser Dauer nicht mehr durchsetzen9. Dies gilt nicht nur für Entgeltansprüche eines Organträgers gegenüber der (bisherigen) Organgesellschaft -wie z.B. in der dem BFH, Urteil in BFHE 242, 433 zugrunde liegenden Fallgestaltung-, sondern allgemein für die gegen das Unternehmen gerichteten Entgeltansprüche aus Leistungen an das Unternehmen.
Uneinbringlich werden auch die Entgelte für die Leistungen, die der Unternehmer nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und Recht zum Forderungseinzug bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens (§§ 26, 27 InsO) erbringt oder bezieht. Für eine differenzierende Betrachtung nach den Leistungen, die das Unternehmen vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters erbringt oder bezieht und den Leistungen, die das Unternehmen nach dessen Bestellung bis zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht, besteht insbesondere unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters kein sachlicher Rechtfertigungsgrund. Erbringt der Unternehmer Leistungen, ist die Befugnis, die hierfür geschuldeten Entgelte zu vereinnahmen, in beiden Fällen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen. Anders als bei Leistungen, die durch einen verwaltungs- und verfügungsberechtigten vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO) oder nach Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter erbracht werden, kommt es damit zu einer Trennung von Leistungserbringung und Entgeltvereinnahmung.
Im Anschluss an die Uneinbringlichkeit kommt es durch die Entgeltentrichtung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung.
Vereinnahmt der vorläufige Insolvenzverwalter mit Recht zum Forderungseinzug und allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ein zuvor uneinbringlich gewordenes Entgelt aus einer Ausgangsleistung vor seiner Bestellung oder nach seiner Bestellung, führt die Entgeltvereinnahmung zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrags nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG. Dem steht nicht entgegen, dass die erste Berichtigung aufgrund Uneinbringlichkeit und die zweite Berichtigung aufgrund nachfolgender Vereinnahmung ggf. im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen10.
Die zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG ist -im Gegensatz zur ersten Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG- aufgrund einer späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO zu berücksichtigen, da es hierfür auf die rechtlichen Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters und damit auf das ihm eingeräumte Recht zum Forderungseinzug und zur Entgeltvereinnahmung ankommt.
Ebenso führt die durch den vorläufigen Insolvenzverwalter -im Rahmen seines Zustimmungsvorbehalts- veranlasste Zahlung von Entgelten aus vor oder nach seiner Bestellung bezogenen Leistungen zu einer zweiten Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG. Auch dies kann im selben Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum zusammentreffen.
Die zweite Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG mindert den Steueranspruch und ist im Fall einer nachfolgenden Insolvenzeröffnung bei der Berechnung der sich für den Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeit anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Die Rechtsprechung zur Uneinbringlichkeit verstößt entgegen einer hieran geübten Kritik11 nicht gegen das Unionsrecht.
Nach Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) ist die Steuerbemessungsgrundlage insbesondere im Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen zu vermindern. Die Bestimmung ist ohne inhaltliche Änderung an die Stelle von Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG getreten. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) lässt die Regelung einen „Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Maßnahmen zur Bestimmung des Betrags der Minderung“12. Ohne dass es insoweit einer eigenständigen Regelung für den Insolvenzfall bedarf, gehört zu den Bedingungen i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auch § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG und die Anwendung dieser Vorschrift im Insolvenzeröffnungsverfahren unter Berücksichtigung der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden Befugnisse. Zudem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 273 MwStSystRL berechtigt, weitere Pflichten vorzusehen, um eine genaue Erhebung der Steuer und damit die zutreffende Berechnung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel der EU nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1553/89 vom 29.05.1989 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel13 auch in Insolvenzfällen sicherzustellen.
Soweit Uneinbringlichkeit gegeben ist, führt die Vereinnahmung von Leistungsentgelten durch den Kläger zu einer zweiten Berichtigung des Steueranspruchs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG) als Masseverbindlichkeit. War der Kläger z.B. nach § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO befugt, Entgeltansprüche einzuziehen, die die KG sicherungshalber abgetreten hatte, gilt dies auch für den Fall der Sicherungszession.
Die durch den Kläger veranlasste Zahlung auf Leistungsbezüge begründet eine zweite Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG), die sich masseverbindlichkeitsmindernd auswirkt.
Bei der Aufteilung des Steueranspruchs für den Voranmeldungszeitraum in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit ist zu beachten, dass sich für einen Bereich (z.B. im vorinsolvenzrechtlichen Teil des § 38 InsO) ein Vergütungsbetrag ergeben kann, der durch eine Verbindlichkeit im anderen Bereich (z.B. dem Masseteil i.S. von § 55 Abs. 4 InsO) ausgeglichen wird. Die Summe der Aufteilungsbeträge muss allerdings der für sich den Voranmeldungszeitraum ergebenden Steuerschuld entsprechen14.
Bei der Berechnung der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO nicht zu berücksichtigen sind Berichtigungsansprüche, die wie z.B. § 15a UStG auf anderen Umständen als dem Forderungseinzug durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder den durch ihn veranlassten Zahlungen beruhen. Nicht zu berücksichtigen sind zudem Entgelte, die erst der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung für Leistungen vereinnahmt, die das Unternehmen während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat. Die dann mit der Vereinnahmung vorzunehmende zweite Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG führt entsprechend dem BFH, Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996 zu einer Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Vorsorglich weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass das Finanzamt berechtigt war, den sich für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO ergebenden Umsatzsteueranspruch nach der Insolvenzeröffnung durch Steuerbescheid festzusetzen15. Unerheblich ist dabei, dass -wie im Streitfall- für denselben Voranmeldungszeitraum bereits vor der Insolvenzeröffnung ein Vorauszahlungsbescheid vorlag, der sich gemäß § 168 Satz 1 AO auch aus einer Steueranmeldung ergeben kann, der einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.
Maßgeblich ist insoweit, dass unter den besonderen Bedingungen des Insolvenzverfahrens die doppelte Geltendmachung desselben Steueranspruchs trotz Vorliegens mehrerer Steuerbescheide für einen Voranmeldungszeitraum ausgeschlossen ist. Denn nach § 89 InsO ist eine Vollstreckung aus der vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerfestsetzung ausgeschlossen. Zudem ist das Finanzamt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verpflichtet, der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) eine auf das Kalenderjahr bezogene Steuerberechnung zugrunde zu legen16. Bei der Berechnung der Jahressteuer als Insolvenzforderung sind nur die Besteuerungsgrundlagen zu erfassen, die dem Insolvenzbereich des § 38 InsO zuzuordnen sind17.
Das Finanzamt kann danach den Steueranspruch, so wie er sich aus dem vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerbescheid für einen Voranmeldungszeitraum des Insolvenzeröffnungsverfahrens ergab, nur nach Korrektur um den als Masseverbindlichkeit festzusetzenden Teil des Steueranspruchs zur Insolvenztabelle anmelden. Im Hinblick auf das Erfordernis einer auf das Kalenderjahr bezogenen Tabellenanmeldung des Steueranspruchs erübrigt sich zudem die Frage, ob der Steuerfestsetzung für einen Voranmeldungszeitraum Titelfunktion i.S. von § 179 Abs. 2 InsO zukommt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. September 14 – V R 48/13
- BMF, Schreiben vom 17.01.2012, BStBl I 2012, 120, Rz 11[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 2012, 120, Rz 11[↩]
- vgl. Schmidt/Hölzle, InsO, 18. Aufl., 2013, § 21 Rz 6[↩]
- BT-Drs. 17/3030, S. 43 f.: zur „ungerechtfertigte[n] Benachteiligung des Fiskus“, dem durch die Neuregelung „ein Riegel vorgeschoben“ werden sollte[↩]
- vgl. hierzu allgemein z.B. BVerfG, Beschluss vom 21.06.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II. 3.c; und vom 24.11.2011 – V R 13/11, BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II. 5.b[↩]
- BGH, Urteil vom 22.02.2007 – IX ZR 2/06, DB 2007, 1079, unter II. 1.b[↩]
- BFH, Urteile vom 08.08.2013 – V R 18/13, BFHE 242, 433, Leitsatz 2; und vom 03.07.2014 – V R 32/13 Leitsatz[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 242, 433, unter II. 4.c bb[↩]
- BFH, Urteil vom 24.10.2013 – V R 31/12, BFHE 243, 451, unter II. 2.d[↩]
- vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 02.04.2014 – 7 K 7337/12, EFG 2014, 1427[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.09.2014 – C-589/12, GMAC, Deutsches Steuerrecht 2014, 1921, Rdnr. 32[↩]
- ABl.EG Nr. L 155 vom 07.06.1989, 9[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 232, 301, BStBl II 2011, 996, unter II. 3.c aa[↩]
- vgl. hierzu allgemein BFH, Urteil vom 29.01.2009 – V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II. 1.[↩]
- zum nur vorläufigen Charakter der Steuerberechnung für den Voranmeldungszeitraum im Verhältnis zur Steuerberechnung für den Besteuerungszeitraum vgl. auch BFH, Urteil vom 07.07.2011 – V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76, unter II. 3.a aa[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, unter II. 2.b[↩]