Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers zur Altlastensanierung

Ein vor der „Altlastenentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts1 zur Grundstücksanierung herangezogener Grundstückseigentümer kann gegen die Vollstreckung bestandskräftiger Leistungsbescheide entsprechend § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG einwenden, dass diese Bescheide keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Erwägungen zu den Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit enthalten. Eine Berufung auf dieses Vollstreckungsverbot scheidet jedoch aus, wenn der Grundstückseigentümer für die den bestandskräftigen Leistungsbescheiden zugrundeliegenden Sanierungsanordnungen nicht nur als Zustandsstörer, sondern auch als Verhaltensstörer hätte in Anspruch genommen werden können.

Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers zur Altlastensanierung

Nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ist die Vollstreckung aus einer unanfechtbaren Entscheidung, die auf einer nach § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruht, unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts2 ist § 79 Abs. 2 BVerfGG – im Wege der Analogie – auch dann anwendbar, wenn in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Auslegung des einfachen Rechts über den Einzelfall hinausreichende Maßstäbe gesetzt werden, an welche die Fachgerichte ebenso gebunden sind wie im Fall der verfassungskonformen, eine verfassungswidrige Interpretationsmöglichkeit ausschließenden Auslegung einer Rechtsvorschrift durch das Bundesverfassungsgericht.

Dies ist hinsichtlich der „Altlastenentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts3 der Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat darin abstrakt-generell Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers für die Grundstücksanierung bei Altlasten entwickelt und damit den einfachrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit auch für die Rechtsanwendung in anderen Fällen reproduzierbare – und für die Verwaltungsgerichte verbindliche – Konturen gegeben4. Die nachträgliche Geltendmachung eines Vollstreckungsverbots entsprechend § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG mit der Behauptung, dass zuvor bestandskräftig gewordene Leistungsbescheide keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Erwägungen zu den Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit enthielten, kommt daher prinzipiell in Betracht.

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Der Grundstückseigentümer kann sich auf dieses Vollstreckungsverbot nicht berufen, wenn ihn die Behörde für die den bestandskräftigen Leistungsbescheiden zugrundeliegenden Sanierungsanordnungen nicht nur als Zustandsstörer, sondern auch als Verhaltensstörer hätte in Anspruch nehmen können.

Der Verhaltensstörer hat aber im Gegensatz zum (bloßen) Zustandsstörer grundsätzlich für sein Gefahr verursachendes Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen unbeschränkt einzustehen. Während die Zustandsverantwortlichkeit in der Regel mit dem Verlust des Eigentums oder der Sachherrschaft endet und den sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG ergebenden Grenzen unterliegt5, gelten diese Einschränkungen beim Verhaltensstörer nicht.

Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 25. September 2013 – 9 K 1907/11

  1. BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 – 1 BvR 242/91 u.a., NJW 2000, 2573[]
  2. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 1905/02, DÖV 2006, 299[]
  3. BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000, a.a.O.[]
  4. vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, a.a.O.; Lindner, NVwZ 2008, 170[]
  5. vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000, a.a.O.[]