Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Neben Privatwohnungen fallen auch Betriebs- und Geschäftsräume in den Schutzbereich des Art. 13 GG [1]. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein [2].

Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält.
Dieser Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz [3].
Die Durchsuchung bedarf einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist [4].
In dem hier vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall ging es um eine Durchsuchungsanordnung in einem Ermittlungsverfahren wegen des unerlaubten Führens eines akademischen Grades nach § 132a StGB. Die Beschwerdeführerin, Inhaberin einer Kommunikationsagentur, hatte in einem Blogbeitrag auf ihrer Internetseite beschrieben, einen Ehrendoktor einer ausländischen Fakultät von ihren Kindern zum Geburtstag geschenkt bekommen zu haben und diesen in dem Beitrag ihrem Namen vorangestellt. Die tatsächlichen Umstände für die Prüfung eines tatbestandsmäßigen Handelns im Sinne der Strafnorm waren den Strafverfolgungsbehörden aufgrund einer Internetrecherche bekannt. Für das gegen die Beschwerdeführerin geführte – später nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellte – Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs von Titeln nach § 132a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB bedurfte es daher der Ernennungsurkunde als Beweismittel nicht.
Unter diesen Umständen hätte der Zweck, verwertbare und verfahrenserhebliche Beweismittel zu erlangen, auch durch die Aufforderung wirksam erreicht werden können, den Strafverfolgungsbehörden die Ernennungsurkunde und weitere Beweismittel (Visitenkarten, etc.) zeitnah vorzulegen. Dieses wäre gegenüber der Durchsuchung ein milderes, aber für die Verfolgung der hier in Frage stehenden, eher gering wiegenden Straftat ein hinreichend wirksames Mittel gewesen. Zwar ist die Beschwerdeführerin als Beschuldigte nicht dazu verpflichtet, zu ihrer Strafverfolgung durch aktives Handeln beizutragen [5] und unterliegt im Strafverfahren keiner Darlegungs- und Beweislast [6]. Im Falle einer etwaigen Nichtvorlage der Ernennungsurkunde wären die Fachgerichte jedoch nicht gehindert gewesen, hieraus verwertbare Schlüsse zu ziehen. Diese Folgerungen hätten dem Beweiswert einer vollzogenen, die Beschwerdeführerin in schwer wiegender Weise belastenden Durchsuchung im Wesentlichen entsprochen. Eine Vorlage der Ernennungsurkunde hätte – wie auch das Auffinden im Rahmen der Durchsuchung – deren Überprüfung ermöglicht [7]. Auch der besondere Beweiswert der Urkunde in einem Strafverfahren gegen den gesondert verfolgten Titelverkäufer vermag eine Durchsuchung bei der Beschwerdeführerin nicht zu rechtfertigen, zumal die Strafverfolgungsbehörden im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür hatten, die Beschwerdeführerin werde Beweismittel bei einer bloßen Aufforderung zu ihrer Herausgabe unterdrücken.
Ob die Durchsuchung wegen der Intensität des Grundrechtseingriffs auch außer Verhältnis zu der geringen Schwere des Tatvorwurfs gestanden hat, den auch die angegriffenen Beschlüsse konzediert haben [8], konnte für das Bundesverfassungsgericht hiernach offen bleiben.
Ob die Durchsuchung in den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerin zugleich eine Verletzung der Pressefreiheit begründet, bedarf danach ebenfalls keiner Entscheidung.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. Juli 2015 – 1 BvR 1951/13
- vgl. BVerfGE 32, 54, 69 ff.; 44, 353, 371; 76, 83, 88; 96, 44, 51; 120, 274, 309; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 42, 212, 219 f.; 59, 95, 97; 96, 27, 40; 103, 142, 150 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 20, 162, 223; 57, 346, 355 f.; 76, 83, 91; 103, 142, 150 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 96, 44, 51; BVerfGK 4, 227, 233[↩]
- vgl. BGHSt 34, 39, 46[↩]
- vgl. BVerfGK 4, 227, 234 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGK 4, 227, 234[↩]
- vgl. BVerfGE 20, 162, 187[↩]