Ein Betrug kann auch in Form einer konkludenten Täuschung der an einem Verkauf ihrer Anteile interessierten Kommanditisten über den Wert der Unternehmensbeteiligung oder wertbildende Faktoren erfolgen.

Tatsachen sind alle gegenwärtigen oder vergangenen Ereignisse oder Zustände, die dem Beweis zugänglich sind [1].
Bloße Werturteile wie Rechtsauffassungen, Meinungsäußerungen oder reklamehafte Anpreisungen sind demgegenüber grundsätzlich keine Tatsachen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB. Etwas anderes gilt dann, wenn sie zugleich einen greifbaren, dem Beweis zugänglichen Tatsachenkern enthalten [2].
Welcher Inhalt einer Erklärung zukommt, hat der Tatrichter anhand des Empfängerhorizonts und der Erwartungen der Beteiligten zu ermitteln und festzustellen [3].
Bei einer Äußerung zu zukünftigen Entwicklungen, mithin einer Prognose, hängt die Frage, ob diese tauglicher Täuschungsgegenstand im Sinne von § 263 StGB ist, davon ab, ob sie Behauptungen über konkrete gegenwärtige oder vergangene Verhältnisse, Zustände oder Geschehnisse enthält oder nicht [4]. In einer Prognose kann daher trotz ihres Zukunftsbezuges bzw. des mit ihr verbundenen Werturteils eine Täuschung über Tatsachen liegen.
Beim Verkauf eines Kommanditanteils sind auch der Wert der Unternehmensbeteiligung sowie wertbildende Faktoren wie etwa die Höhe der veräußerungsfähigen Aktiva des Unternehmens (Grundstücke, Know-How, Maschinen usw.), die Höhe sämtlicher Passiva sowie der Umfang der voraussichtlichen Netto-Zahlungsmittelrückflüsse (Netto-Einnahmen) Tatsachen, die dem Beweis zugänglich sind und über die eine Täuschung möglich ist. Das jeweilige Guthaben auf den Verrechnungskonten ist nur eine von zahlreichen für die Gesamtbewertung relevante Position.
Die Grenze einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun – also insbesondere den jeweiligen Vertragsschluss – anknüpfen, wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist [5].
Diesen Anforderungen wurde die Beweiswürdigung des erstinstanzlich tätigen Landgerichts zur Täuschungshandlung nicht gerecht: Das Landgericht hat die Täuschung seitens des Angeklagten allein in der Verletzung der Auskunftspflichten aus einem Anlagevermittlungsvertrag in Form des Unterlassens eines Hinweises auf das Vorhandensein entnahmefähiger Guthaben auf einem Verrechnungskonto gesehen. Ob der Angeklagte bei den Verkaufsgesprächen konkludent über den Wert der Unternehmensbeteiligung oder wertbildende Faktoren hierfür getäuscht hat, hat das Landgericht nicht näher erörtert. Hierfür bestand jedoch Anlass, weil nach den Feststellungen des Landgerichts bereits in den Rundschreiben des Angeklagten bewusst unzutreffende Angaben enthalten waren.
So enthielten die Rundschreiben die objektiv unzutreffende Behauptung, die Kaufinteressenten würden derzeit „maximal 25% des eingetragenen Kapitals übernehmen, so dass ein Verkauf gegebenenfalls nicht in jedem Fall sichergestellt werden“ könne, obwohl dem Angeklagten bekannt war, dass der Kaufinteressent S. inen Großteil der Kommanditanteile der P. KG erwerben wollte. Hierdurch konnte der Eindruck einer abweichenden Nachfrage- bzw. Marktsituation vermittelt werden, die für die Wertbestimmung der Kommanditanteile von Bedeutung sein konnte. Das Landgericht hätte deshalb den Inhalt der Verkaufsgespräche im Einzelnen erörtern und dann würdigen müssen, ob der Angeklagte, der den uninformierten Kommanditisten einen Kaufpreis vorschlug und der über einen Wissensvorsprung bezüglich des Wertes verfügte, zumindest konkludent über den Wert der Unternehmensbeteiligung oder über wertbildende Faktoren getäuscht hat. Den Inhalt seiner Erklärungen hätte das Landgericht dabei anhand des Empfängerhorizonts und der Erwartungen der Beteiligten ermitteln und feststellen müssen [6]. Es hätte den Inhalt der Rundschreiben in den Blick nehmen müssen, in denen darauf hingewiesen wurde, dass die „Gesundheitswirtschaft vor großen Problemen“ stünde und jedes zweite Krankenhaus bereits „hohe Verluste“ schreiben würde. Hierbei hätte es bewerten müssen, ob nicht bereits durch diese Schreiben bei den potentiellen Verkäufern der Eindruck erweckt wurde, dass die Gewinnerwartungen, bei denen es sich um einen maßgeblichen wertbildenden Faktor des Unternehmens handelt, einbrechen würden.
Ein täuschungsbedingter Irrtum über den Wert der eigenen Unternehmensbeteiligung oder über wertbildende Faktoren, der für jeden Einzelfall auch vor dem Hintergrund, dass die Kommanditisten von dem ihnen zustehenden Guthaben jährlich unterrichtet wurden, festzustellen wäre, könnte kausal zu der in der Anteilsveräußerung liegenden Vermögensverfügung und dabei zu einem höheren als dem vom Landgericht angenommenen Vermögensschaden geführt haben.
Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts zur subjektiven Tatseite hielt im hier entschiedenen Fall der rechtlichen Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof nicht stand:
Nach der Überzeugung des Landgerichts war der Vorsatz des Angeklag55 ten auf die auf den Verrechnungskonten vorhandenen Guthaben begrenzt. Demgegenüber habe dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden können, ob er bewusst und gewollt daran mitgewirkt habe, die Kommanditisten bei der Vermittlung der Kauf- und Übernahmeverträge „über die Angemessenheit der Kaufpreise“ zu täuschen. Maßgeblicher Bezugspunkt für den Tatvorsatz ist indes nicht die Angemessenheit des Kaufpreises, sondern, ob der Angeklagte über den Unternehmenswert oder wertbildende Faktoren getäuscht hat. Erst wenn hierzu ausreichende Feststellungen getroffen sind, was das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen hat, ist eine Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite möglich; denn diese muss an der objektiven Tatseite anknüpfen.
Das Landgericht hat zudem in seine Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite rechtsfehlerhaft nicht eingestellt, dass das Verfahren – wie sich aus den Urteilsgründen ergibt – hinsichtlich einer größeren Zahl von Fällen nach § 154 Abs. 2 StPO deswegen eingestellt wurde, weil das Guthaben auf dem Verrechnungskonto von dem jeweiligen Kommanditisten vor der Übertragung des Kommanditanteils abgehoben wurde bzw. weil der Angeklagte mit dem jeweiligen Kommanditisten oder seinem Vertreter über die Gesellschaftskonten gesprochen hatte. Es hätte daher der Erörterung bedurft, ob der Angeklagte im Hinblick auf diese Fälle der Auffassung gewesen sein könnte, auch den anderen Kommanditisten seien die ihnen zustehenden Guthaben auf den Verrechnungskonten bekannt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Dezember 2019 – 1 StR 171/19
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.03.2019 – 4 StR 426/18 Rn. 13; Urteile vom 08.10.2014 – 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1 Rn.20; und vom 22.10.1986 – 3 StR 226/86 Rn. 8, BGHSt 34, 199, 201[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 22.02.2017 – 2 StR 573/15 Rn. 18; und vom 08.10.2014 – 1 StR 359/13, aaO; Beschlüsse vom 06.10.2009 – 4 StR 307/09 Rn. 3; und vom 26.08.2003 – 5 StR 145/03 Rn. 41, BGHSt 48, 331, 344[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 22.02.2017 – 2 StR 573/15, aaO; und vom 15.12.2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165 Rn.20; Beschluss vom 09.06.2009 – 5 StR 394/08, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 17 Rn. 15[↩]
- BGH, Urteil vom 17.10.1972 – 5 StR 281/72, MDR 1973, 18 bei Dallinger[↩]
- BGH, Urteil vom 15.12.2006 – 5 StR 161/06, BGHSt 51, 165 Rn. 27[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.03.2019 – 4 StR 426/18 Rn. 13; Urteil vom 22.02.2017 – 2 StR 573/15 Rn. 17[↩]