Der minderjährige Angeklagte – und das letzte Wort der Eltern

Es stellt einen Verfahrensfehler dar, wenn die Jugendkammer den in der Hauptverhandlung anwesenden erziehungsberechtigten Eltern des zu dieser Zeit noch nicht volljährigen Angeklagten entgegen § 67 Abs. 1 JGG, § 258 Abs. 2 und 3 StPO nicht das von Amts wegen zu erteilende letzte Wort gewährt hat1.

Der minderjährige Angeklagte – und das letzte Wort der Eltern

Der Verfahrensverstoß führte im hier entschiedenen Fall indes nur zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil nur dieser, nicht aber der Schuldspruch auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht (s. § 337 Abs. 1 StPO). Es ist auszuschließen, dass das Landgericht andere Feststellungen zu den vier abgeurteilten Taten des Angeklagten getroffen hätte, wenn seinen Eltern das letzte Wort gewährt worden wäre2. Er hat sich umfassend geständig zu den tatsächlichen Geschehnissen eingelassen. Das Geständnis deckt sich mit den Einlassungen der Mitangeklagten und wird bestätigt durch die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise. Es ist nicht ersichtlich, dass die Eltern des Angeklagten Tatzeugen waren. Nicht vollends auszuschließen ist hingegen, dass mögliche Erklärungen der Erziehungsberechtigten die Bemessung der Jugendstrafe beeinflusst hätten.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. August 2020 – 3 StR 132/20

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.2017 – 4 StR 645/16, NStZ-RR 2017, 231 mwN[]
  2. vgl. auch BGH, Beschluss vom 28.03.2018 – 4 StR 629/17 2 mwN[]
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