Auch der Fiskus kann Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB sein1. Die Anwendung der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass hier das geschädigte Land zugleich Gläubiger des aufgrund einer Anordnung nach § 73a StGB entstehenden staatlichen Zahlungsanspruchs2 gegen den Angeklagten wäre.

Die Regelung des § 111i Abs. 2 StPO ist mithin anwendbar, wenn der Angeklagte (hier: ein in der Gerichtszahlstelle beschäftigter Justizangestellter) einen Geldbetrag aus seinen Untreuetaten erlangt hat und der Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73a StGB) Schadensersatzansprüche des Landes gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB in einer dem Wert des Erlangten entsprechenden Höhe entgegenstehen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB).
§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB verfolgt den Zweck, den Angeklagten vor einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen und ihm die Mittel zu belassen, die er zur Erfüllung der Ansprüche des Verletzten benötigt3.
Die zumindest abstrakte Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme besteht auch dann, wenn der Täter etwas aufgrund einer Tat zum Nachteil des Landes erlangt und diesem infolgedessen ein Anspruch gegen den Täter auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des dem Erlangten entsprechenden Geldwerts zusteht. Denn eine im Urteil getroffene Anordnung von Wertersatzverfall ließe zunächst die Möglichkeit des Verletzten unberührt, seine aus der Tat erwachsenen Ansprüche außerhalb des Strafverfahrens – hier zum Beispiel durch Vollstreckung des notariellen Schuldanerkenntnisses – durchzusetzen4. Daran ändert auch nichts, dass sich der Täter gegen eine doppelte Inanspruchnahme durch das Land erfolgreich zur Wehr setzen könnte.
Allerdings kann bei einem vermögenslosen Angeklagten die Vorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO entgegenstehen5. Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO.
Sollte das neue Tatgericht abermals eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO treffen6, wird es gegebenenfalls die Vorschrift des § 111i Abs. 2 Satz 4 StPO zu beachten haben. Danach soll das Gericht den Rahmen des späteren Auffangrechtserwerbs vorgeben, indem es den Umfang der erlangten Vermögenswerte unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlich durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingetretenen Restitution bestimmt7. Der Umstand, dass über das Vermögen des Angeklagten das Insolvenzverfahren eröffnet ist, steht einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO nicht entgegen8.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. März 2015 – 2 StR 322/14
- BGH, Beschluss vom 28.11.2000 – 5 StR 371/00, NStZ 2001, 155, 156[↩]
- vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73a Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 10.11.2009 – 4 StR 443/09, NStZ 2010, 693 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2006 – 3 StR 41/06, NStZ 2006, 621, 622[↩]
- zur Prüfungsreihenfolge im Rahmen des § 73c StGB vgl. BGH, Beschluss vom 13.02.2014 – 1 StR 336/13[↩]
- zur Fassung des Urteilstenors vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 51 f.; BGH, Beschluss vom 05.09.2013 – 1 StR 162/13, NStZ 2014, 149, 154[↩]
- BT-Drs. 16/700, S. 15[↩]
- BGH, Urteil vom 04.12 2014 – 4 StR 60/14, NJW 2015, 713, 715[↩]