Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich.

Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge als eine Tat zusammenzufassen1.
Etwas anderes gilt aber dann, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff willkürlich und gekünstelt erschiene2.
So liegt es hier: Die vom Angeklagten und seinen Mittätern (§ 25 Abs. 2 StGB) abgegebenen Schüsse richteten sich im Rahmen eines einheitlichen Angriffs jeweils gegen eine nicht weiter individualisierte Anzahl afghanischer Polizisten. Eine Aufspaltung dieses einheitlichen Geschehens in einzelne Schüsse und einzelne (potentielle) Opfer eines Tötungsdelikts erscheint bei natürlicher Betrachtung nicht möglich. Dies gilt insbesondere in dem Fall, in dem der Tatbeitrag des Angeklagten darin bestand, nicht selbst gezielte Schüsse gegen die Polizisten der Station abzugeben, sondern durch Schüsse in die Luft den vor ihm Kämpfenden Feuerschutz zu geben. In beiden Fällen handelte es sich jeweils bei dem Vorgehen des Angeklagten um ein einheitliches Geschehen, bei dem – selbst wenn, was hier nicht festgestellt ist, mehrere Polizisten den Tod gefunden hätten – von Tateinheit im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen wäre.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 59/18
- vgl. BGH, Urteil vom 24.02.1994 – 4 StR 683/93, BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 9; Beschluss vom 11.10.2005 – 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 28.10.2004 – 4 StR 268/04, NStZ 2005, 262, 263[↩]