Die aktuelle Situation der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen entspricht nach Einschätzung des Oberlandesgerichts Braunschweig den neuen gesetzlichen Anforderungen.

Auch den vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 04.05.2011 aufgestellten Grundsätze zur therapeutischen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung und allgemein zum Abstandsgebot (vgl. hierzu das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung1, jetzt § 66c StGB) sind in genügender Weise berücksichtigt worden, bzw. ist dies zeitnah zu erwarten.
Bei der Besichtigung des Zentrums für Sicherungsverwahrung konnte sich das Oberlandesgericht davon überzeugen, dass den Verurteilten jeweils ein eigenes, ca. 23 m2 großes Appartement zur Verfügung steht, das aus einem Wohn- und Schlafteil sowie einer eigenen mit Dusche, WC und Waschbecken ausgestatteten Nasszelle besteht. In jedem Appartement gibt es außerdem Fernsehen und Telefon sowie einen eigenen Kühlschrank. Daneben verfügt jede Wohngruppe über eine geräumige und modern eingerichtete Gemeinschaftsküche (Herd, Küchengeräte, großer Gefrierschrank, großer Kühlschrank) sowie eine Sitzgruppe mit großem Flachbildschirm. Alle Appartements sind derzeit mit – durchaus geschmackvoll und wohnlich wirkenden – Möbeln ausgestattet. Den Sicherungsverwahrten ist es jedoch auch erlaubt, eigene Möbel oder Wohntextilien einzubringen.
Das für den Vollzug der Sicherungsverwahrung innerhalb der Justizvollzugsanstalt Rosdorf neu errichtete Gebäude hat als weitere Gemeinschaftsräume einen mit modernen Geräten eingerichteten Fitnessbereich, einen Außenbereich mit Garten – die Sicherungsverwahrten haben sich dort als Gemeinschaftsprojekt einen Grillplatz sowie einen Küchengarten eingerichtet – sowie eine Bastelwerkstatt.
Die Sicherungsverwahrten – mit Ausnahme derjenigen, die in den besonders gesicherten Wohngruppen leben – können sich zwischen 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr innerhalb und außerhalb ihres Gebäudes frei bewegen und dazu die Türen mittels Chipkarte entsperren.
Danach steht zunächst außer Frage, dass sich die Wohnsituation der in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf sicherungsverwahrten Personen in ganz entscheidender Weise von Gefangenen unterscheidet, die sich im Strafvollzug befinden. Der Vorschrift des § 66c Abs. 1 Nrn. 1, 2 StGB ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts daher in jeder Hinsicht Rechnung getragen.
Die Einschätzung, dass die personelle Ausstattung der JVA Rosdorf bei der Behandlung des Verurteilten zu einem Stillstand führt, teilt das Oberlandesgericht nach Auswertung des Konzeptes der Abteilung Sicherungsverwahrung der JVA Rosdorf (Stand: 05.12.2013) ebenfalls nicht.
§ 66c Abs. 1, 2 StGB ist das Ziel der Maßregel, die Gefährlichkeit des Verurteilen durch geeignete, ggf. auf ihn individuell zugeschnittene Behandlungsangebote soweit zu vermindern und durch vollzugslockende Maßnahmen zu erproben, dass eine Entlassung aus der Sicherungsverwahrung ohne weitere Gefährdung der Allgemeinheit durch neue Straftaten schnellstmöglich erreicht werden kann. Dem trägt das o.g. Konzept ersichtlich Rechnung.
Dabei wird der Therapievorrang im Zentrum für Sicherungsverwahrung zunächst schon dadurch unterstützt, dass jede Wohngruppe von einer Betreuungsperson geleitet wird, die jeweils über entsprechende Erfahrungen – bspw. als Sozialarbeiter – verfügt. Neben der Aufsichtsfunktion kommt den Betreuern in erster Linie die Aufgabe zu, Ansprechpartner für Probleme zu sein, zu Gemeinschaftsaktivitäten zu motivieren und etwaige Konflikte innerhalb der Wohngruppen zu schlichten. Der therapeutische Ansatz beginnt somit bereits in der Wohngruppe selbst. Das Konzept soll verhindern, dass die Sicherungsverwahrten sich isolieren und zurückziehen, sondern stattdessen soziale Interaktion in einem, den allgemeinen Lebensverhältnissen möglichst nahe kommenden Umfeld (wieder) erlernen.
Das grundsätzliche Therapiekonzept des Zentrums für Sicherungsverwahrung, das ersichtlich an Erfahrungen, die in sozialtherapeutischen Anstalten gewonnen wurden, angelehnt ist, ist nunmehr vollständig erarbeitet und kann umgesetzt werden. Dazu sind in der JVA Rosdorf insgesamt 6 Stellen für anstaltsinterne Psychologen (mit Psychotherapeutenausbildung) vorgesehen, von denen schon 2 Stellen besetzt werden konnten. Da das Zentrum für Sicherungsverwahrung derzeit erst zur Hälfte belegt ist und zudem Psychotherapieleistungen auch durch externe Therapeuten erbracht werden, ist dies grundsätzlich ausreichend. Dass gerade neu eingestellte oder erstmals im Bereich der Sicherungsverwahrung eingesetzte Mitarbeiter erst einmal geschult und eingearbeitet werden müssen, ist unvermeidbar und bringt den Bestand der angeordneten Maßregel schon deshalb nicht in Gefahr, weil der Verurteilte nicht ohne Betreuung bleibt, sondern auf der Grundlage des schon in der JVA Celle, d. h. vor seiner Verlegung in die JVA Rosdorf aufgestellten Vollzugsplans gegenwärtig betreut wird.
Dass bei einer so weitreichenden gesetzlichen Neuregelung, die mit erheblichen baulichen und organisatorischen Anforderungen einhergeht, nicht allen Anforderungen von Anfang an genügt werden kann, sondern Verwerfungen und Verzögerungen unvermeidlich sind, liegt ebenfalls auf der Hand. Auch der Gesetzgeber hat dies gesehen, wie sich insbesondere an der Regelung des § 67d Abs. 2 Satz 2 StPO erkennen lässt. Der vom Verurteilten gerade auch mit den bei der Behandlungsuntersuchung sowie dem Therapiekonzept eingetretenen Verzögerungen begründete Antrag auf sofortige Beendigung der Maßregel hat daher keinen Erfolg.
Oberlandesgericht Braunschweig – Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 Ws 279/13
- vom 05.12.2012, BGBl.2012 I. S. 2425 ff[↩]