Auch die Wertung des Landgerichts, die Veräußerer der Kommanditanteile hätten, weil sie irrtumsbedingt noch abrufbare Guthaben auf Verrechnungskonten nicht abgerufen oder bei der Kaufpreisbildung geltend gemacht haben, einen Vermögensschaden in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung erlitten, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
 
Ein Vermögensverlust als Schaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung)1. Maßgeblich ist jeweils der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung2.
Die Annahme eines gegenwärtigen Vermögensschadens ist nur bei der konkreten Gefahr eines zukünftigen Verlusts mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) vereinbar. (Abstrakte) Risiken genügen nicht. Denn dies widerspräche dem Charakter des Betrugs als Vermögensdelikt3. Das Tatgericht ist gehalten, den Vermögensschaden zu beziffern.
Ein Vermögenschaden in diesem Sinne bereits zu Beginn der Verhandlungen über die Veräußerung der Kommanditanteile ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht eingetreten. Dessen Wertung, schon durch die fehlende Aufklärung über die von den Verrechnungskonten noch abrufbaren Guthaben sei im Vermögen des potentiellen Verkäufers ein endgültiger „Gefährdungsschaden“ entstanden, ist rechtsfehlerhaft. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ansicht des Landgerichts zutrifft, der Kauf- und Übernahmevertrag erlaube – auch im Innenverhältnis – noch bis zur Eintragung des Gesellschafterwechsels im Handelsregister das Abrufen der Guthaben, obwohl der Kaufvertrag bestimmt, dass der Verkäufer die Kommanditbeteiligung einschließlich aller Gesellschafterkonten „mit sofortiger Wirkung“ an den Käufer verkauft und überträgt.
Bei Beginn der jeweiligen Vertragsverhandlungen stand noch gar nicht fest, ob ein Kauf- und Übernahmevertrag tatsächlich geschlossen würde. Kannte der Kommanditist zu diesem Zeitpunkt das ihm zustehende Guthaben, das bei einer Veräußerung des Kommanditanteils auf den Erwerber mitübertragen würde, nicht, so bestand zwar die Gefahr, dass er unbewusst das Guthaben mitveräußerte. Für die Annahme eines Vermögensschadens reicht dies jedoch nicht aus. Denn der Bestand eines Auszahlungsanspruchs wird durch seine unterbliebene Geltendmachung nicht berührt4. Jedenfalls vermindert die fortdauernde Unkenntnis von einem Anspruch den Wert des weiter bestehenden Anspruchs nicht in bezifferbarer Weise5.
Den Veräußerern der Kommanditanteile könnte jedoch – eine Täuschung durch Unterlassen unterstellt – infolgedessen durch den Abschluss des Kauf- und Übernahmevertrages ein Vermögensschaden entstanden sein, wenn sie durch oder infolge dieses Vertragsschlusses den Anspruch auf Auszahlung der auf den Verrechnungskonten vorhandenen Guthaben an den Erwerber verloren haben. Dieser wurde von der Abtretung der Kommanditbeteiligung mitumfasst (§§ 413, 398 ff. BGB); allein bedurfte es zur Wirksamkeit dieser Abtretung der Zustimmung der Komplementärgesellschaft (vgl. § 399 Alternative 2 BGB). Den Eintritt eines Vermögensschadens kann der Bundesgerichtshof jedoch nicht prüfen, weil das Landgericht eine Gesamtsaldierung des Vermögens vor und nach dem Vertragsschluss über die Veräußerung der Kommanditanteile nicht vorgenommen hat. In diese Gesamtsaldierung wären nicht nur der aufgrund des Vertragsabschlusses zugunsten der Veräußerer entstandene Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und der auf den Verrechnungskonten vorhandene Guthabenstand, sondern auch der Wert der Kommanditanteile und auf den Erwerber übergehende Verbindlichkeiten gegenüber der P. aufgrund möglicherweise noch nicht vollständig geleisteter Kommandit(pflicht)einlagen einzubeziehen gewesen. Zum Wert der Kommanditanteile und zur Frage, ob die Kommanditeinlagen vollständig geleistet waren, hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Das jeweilige Guthaben auf den Verrechnungskonten ist nur eine von mehreren für die Gesamtsaldierung bedeutsame Position.
In dem Fall, in dem schon der Guthabenstand des Verrechnungskontos den vereinbarten Kaufpreis für den Kommanditanteil überstieg, liegt zwar unabhängig vom Wert der Kommanditanteile nahe, dass der Kommanditistin durch Abschluss des Kauf- und Übernahmevertrages über ihren Geschäftsanteil ein Vermögensschaden entstanden ist. Die Urteilsfeststellungen sind jedoch auch in diesem Fall bereits deswegen durchgreifend lückenhaft, weil es an einer Feststellung fehlt, ob die Kommanditeinlage vollständig geleistet war.
Ein Vermögensverlust als Schaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt dann ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Dies ist bei einer bloßen Nichtgeltendmachung der von den Verrechnungskonten noch abrufbaren Guthaben noch nicht der Fall.
Mithin lag die maßgebliche Vermögensverfügung in der Abtretung der Kommanditanteile einschließlich der Guthaben auf den Verrechnungskonten, weil die Kommanditisten hierdurch den Anspruch auf Auszahlung der auf den Verrechnungskonten vorhandenen Guthaben an den Erwerber verloren (§§ 413, 398 ff. BGB). Es wäre deshalb eine Gesamtsaldierung des Vermögens vor und nach dem Vertragsschluss über die Veräußerung der Kommanditanteile vorzunehmen gewesen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Dezember 2019 – 1 StR 171/19
- st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 04.07.2019 – 4 StR 36/19 Rn 13; vom 14.03.2019 – 4 StR 426/18 Rn. 17; vom 18.02.2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199 Rn. 10; vom 25.01.2012 – 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95 Rn. 75; und vom 29.01.2013 – 2 StR 422/12 Rn. 15; Urteile vom 08.10.2014 – 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1 Rn. 31; vom 02.02.2016 – 1 StR 437/15, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 86 Rn. 33; und vom 16.06.2016 – 1 StR 20/16 Rn. 33[↩]
- BGH, Urteile vom 02.02.2016 – 1 StR 437/15, aaO; vom 16.06.2016 – 1 StR 20/16, aaO; Beschluss vom 14.04.2011 – 2 StR 616/10 Rn. 12[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.12.2011 – 2 BvR 2500/09 u.a. Rn. 175 ff., BVerfGE 130, 1, 47 ff.[↩]
- vgl. Bublitz/Gehrmann, wistra 2004, 126, 128 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2013 – 3 StR 146/13 Rn. 14[↩]











