Die Versklavung einer Jesidin

Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an eine Strafbarkeit wegen Völkermordes nach § 6 Abs.1 Nr. 3 VStGB und eine hierauf gerichtete Beihilfehandlung präzisiert.

Die Versklavung einer Jesidin

Der Bundesgerichtshof hatte aktuell über die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz1 zu entscheiden, mit dem diese wegen des Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, Freiheitsentziehung und Verfolgung, wegen Beihilfe zum Völkermord, zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zu Kriegsverbrechen gegen Personen, wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und weiteren Delikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt worden war. Auf die Revision der Angeklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil im Schuldspruch geändert, im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision hat er verworfen.

Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen reiste die in Deutschland geborene Angeklagte im Jahre 2014 nach Syrien und weiter in den Irak aus. Sie schloss sich dort gemeinsam mit ihrem Ehemann, einem syrischen Arzt, dem „Islamischen Staat“ (IS) an. Während ihres Aufenthaltes in Mossul nahmen die Angeklagte und ihr Ehemann mit Genehmigung des IS andere der Organisation zugehörige Frauen auf, die nach den Regeln des IS nicht allein leben durften, weil ihre Ehemänner gestorben waren oder sich aus sonstigen Gründen nicht an ihrer Seite aufhielten. Sie stellten den Frauen eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung und versorgten sie mit Lebensmitteln sowie Gütern des täglichen Bedarfs, halfen aber auch bei der Regelung formaler Angelegenheiten und unterstützten hierdurch den IS. Das Ehepaar bewahrte zudem im gemeinschaftlichen Schlafzimmer ihres Hauses in Mossul vier Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow mit dem Ziel auf, den mit Waffengewalt aufrechterhaltenen Herrschaftsanspruch des IS zu stärken. Dem Ehemann der Angeklagten wurde die Nebenklägerin, eine Angehörige der Volksgruppe der Jesiden, die im Rahmen des Angriffs im Sindschar-Gebiet von IS-Angehörigen verschleppt worden war, Ende April 2016 als „Geschenk“ übergeben. Er brachte sie in die gemeinsam mit der Angeklagten bewohnte Villa in Mossul und stellte sie der Angeklagten als „seine Sklavin“ vor. In der Folge zwangen die Angeklagte und ihr Ehemann die Nebenklägerin bis Februar 2019 zur unentgeltlichen Verrichtung der Hausarbeit und Kinderbetreuung. Die Angeklagte erteilte der Nebenklägerin hierbei Anweisungen und sorgte zudem dafür, dass diese das Haus nicht ohne Begleitung verlassen oder anderweitig fliehen konnte. Der Ehemann vollzog regelmäßig gegen den Willen der Nebenklägerin mit ihr den Geschlechtsverkehr, was die Angeklagte wusste und wofür sie jeweils das Haus verließ. Die Nebenklägerin wurde während ihrer Gefangenschaft mit Kleidung, Nahrung, Hygieneartikeln und Medikamenten und bei Bedarf auch fachärztlich versorgt.

Das Oberlandesgericht hat die Tathandlungen der Angeklagten gewertet als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, Freiheitsentziehung und Verfolgung, mit Beihilfe zum Völkermord, mit Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Ausrottung, Vertreibung und sexuelle Gewalt, mit Beihilfe zu Kriegsverbrechen gegen Personen durch sexuelle Gewalt und Vertreibung, mit Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft, mit Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung und mit schwerer Freiheitsberaubung.

Die Angeklagte hat gegen ihre Verurteilung Revision eingelegt. Ihre Verfahrensrügen sind erfolglos geblieben. Die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat ergeben, dass die Verurteilung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, Freiheitsentziehung und Verfolgung in Tateinheit mit Beihilfe zu dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt und zu dem Kriegsverbrechen gegen Personen durch sexuelle Gewalt, mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft, Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung und schwerer Freiheitsberaubung und damit ganz überwiegend Bestand hat. Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten haben sich nur ergeben, soweit sie wegen Beihilfe zum Völkermord, wegen Beihilfe zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Ausrottung und Vertreibung sowie wegen Beihilfe zu dem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Vertreibung verurteilt worden ist.

In seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof insbesondere die Anforderungen an eine Strafbarkeit wegen Völkermordes nach § 6 Abs.1 Nr. 3 VStGB und eine hierauf gerichtete Beihilfehandlung präzisiert. Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen belegen zwar den von dem IS begangenen Völkermord an den Jesiden; sie tragen jedoch die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe hierzu nicht. Der Bundesgerichtshof hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Den Strafausspruch hat er aufgehoben, da nicht auszuschließen gewesen ist, dass das Oberlandesgericht bei Berücksichtigung der nicht gegebenen Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zum Völkermord auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Über die Strafzumessung wird deshalb ein anderer Senat des Oberlandesgerichts neu zu entscheiden haben.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Juli 2025 – 3 StR 496/23

  1. OLG Koblenz, Urteil vom 21.06.2023 – 2 StE 9/22[]

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