Meinungsäußerungen fallen in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit, wenn sie durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerungen und deshalb als Werturteile anzusehen sind1. Der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist dabei unabhängig davon eröffnet, ob die Äußerungen sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind2.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gilt allerdings nicht vorbehaltlos, sondern findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch der der vorliegenden Verurteilung zugrunde liegende § 189 StGB gehört. Auslegung und Anwendung der Strafvorschriften ist grundsätzlich Sache der Strafgerichte. Das Bundesverfassungsgericht ist auf die Klärung beschränkt, ob das Strafgericht die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts verkannt hat3. Steht ein Äußerungsdelikt in Frage, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und dem geschützten Rechtsgut andererseits droht4. Wird von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, dann sind die Auswirkungen seiner Äußerungen auf den Rechtskreis Dritter zwar unvermeidliche Folge, aber nicht eigentliches Ziel der Äußerung. Der Schutz des betroffenen Rechtsguts tritt umso mehr zurück, je weniger es sich um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten Bereich in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage5.
Bei Äußerungsdelikten kann eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts auch dadurch begründet sein, dass der Sinn der Äußerung nicht zutreffend erfasst worden ist6. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Deutung einer Äußerung gehört, dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugemessen wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen müssen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor man die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt7.
Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden8. Schutz genießt aber auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Schutzbedürfnis des Verstorbenen in dem Maße schwindet, in dem die Erinnerung an ihn verblasst, so dass im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnimmt9. Unabhängig von der Frage, wie weit der Achtungsanspruch Verstorbener im Einzelfall geht, reicht er jedenfalls nicht weiter als der Ehrschutz lebender Personen.
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügten die hier mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen nicht.
Das Landgericht sieht den Schwerpunkt der Äußerung des Beschwerdeführers darin, dem Verhalten des verstorbenen B. einen Makel zu verpassen. Damit misst es dem Kontext der Äußerungen kein hinreichendes Gewicht zu.
Das mit der Webseite verfolgte Anliegen des Beschwerdeführers ist eine Kritik an der Bundesrepublik, deren Umgang mit der DDR-Vergangenheit er für einseitig hält. Ausgehend von den Tatvorwürfen, wegen derer der verstorbene B. von dem obersten Gericht der DDR verurteilt wurde, bewertet der Beschwerdeführer die Handlungen des B. als Straftaten und behauptet, die DDR habe ein legitimes Interesse an der Verfolgung dieser Taten gehabt, weshalb man den Verurteilten nicht nachträglich durch die Rehabilitationsentscheidung als Held ehren dürfe. Diese Äußerung zielt in ihrem Schwerpunkt nicht oder jedenfalls nicht nur darauf, den Verstorbenen als Person verächtlich zu machen, sondern auch darauf, einen nach Ansicht des Beschwerdeführers aus politischer Voreingenommenheit doppelbödigen Umgang mit der DDR-Vergangenheit und dem gegen sie gerichteten Widerstand anzuprangern.
Eine solche Meinungsäußerung ist von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich gedeckt. Ob diese Sichtweise sachlich in irgendeiner Weise vertretbar oder sie von vorneherein unberechtigt ist, spielt für den Schutz der Meinungsfreiheit keine Rolle. Daran ändert auch nichts, dass das vom Beschwerdeführer in Bezug genommene Urteil, wie das Landgericht darlegt, grob rechtsstaatswidrig und unangemessen hart war und der Beschwerdeführer die deswegen ausgesprochene Rehabilitierung des verstorbenen B. in Frage stellt. Der Beschwerdeführer ist in Anerkennung seiner Meinungsfreiheit nicht verpflichtet, die Richtigkeit dieser Rehabilitierungsmaßnahme anzuerkennen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist er auch nicht verpflichtet, die Handlungen des verstorbenen B. unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, dass in ihnen ein Beitrag zum Widerstand gegen die DDR-Diktatur lag. Der Beschwerdeführer kritisiert die Rehabilitierung des B., weil gegen diesen Vorwürfe erhoben worden waren wie die Planung von Brandsatz- und Sprengstoffanschlägen. Dass der Beschwerdeführer davon ausgehen musste, dass diese Vorwürfe von vorneherein unwahr oder unberechtigt waren, legt weder das Landgericht dar, noch ist dies sonst ersichtlich.
Die auf den Umgang mit der DDR-Vergangenheit zielende Kritik ist bei der Beurteilung des Gewichts der Ehrbeeinträchtigung des Verstorbenen maßgeblich in Rechnung zu stellen. Dabei zielt der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf den Schutz eines fortwirkenden Geltungsanspruchs der Person, nicht aber auf eine ausgewogene politische Bewertung historischer Handlungen als solcher. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Herabsetzung nach 60 Jahren Herrn B. im Wesentlichen nur noch als historische Figur betrifft. Wieweit das postmortale allgemeine Persönlichkeitsrecht unter diesen Umständen eine Auseinandersetzung mit den genaueren Motiven und Umständen der Tat, wie hier dem Ziel des Verstorbenen, für eine freie Gesellschaftsordnung zu kämpfen, erforderlich macht, haben die Fachgerichte nicht näher erwogen und in ihrer Abwägung nicht berücksichtigt. Dass der Verstorbene in erheblichem Umfang noch als individualisierte Person in der Öffentlichkeit oder durch ihn persönlich verbundene Angehörige und Freunde präsent ist und daraus noch einen besonders gewichtigen personalisierten Geltungsanspruch ableiten kann, ergibt sich aus dem landgerichtlichen Urteil nicht.
Indem das Landgericht den politischen Kontext bei der Deutung der Äußerungen nicht hinreichend berücksichtigt und das entgegenstehende Gewicht des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen unzutreffend gewichtet hat, genügt die Entscheidung den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht.
Da das Kammergericht die Revision als offensichtlich unbegründet erachtet hat, leidet seine Entscheidung an denselben Mängeln wie das Urteil des Landgerichts.
Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. Januar 2018 – 1 BvR 2465/13
- vgl. BVerfGE 7, 198, 210; 61, 1, 8; 90, 241, 247[↩]
- vgl. BVerfGE 90, 241, 247; 124, 300, 320[↩]
- vgl. BVerfGE 7, 198, 208 f.; 93, 266, 292; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 7, 198, 212; 93, 266, 293; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 61, 1, 11[↩]
- vgl. BVerfGE 93, 266, 295 f.; 94, 1, 9[↩]
- vgl. BVerfGE 93, 266, 295 f.; 82, 43, 52[↩]
- vgl. BVerfGE 30, 173, 194[↩]
- vgl. BVerfGE 30, 173, 196[↩]