Wird die Umsatzsteuervoranmeldung durch einen Steuerberater beim Finanzamt eingereicht, bedarf es näherer Feststellungen zur Rollenverteilung zwischen Auftraggeber und Steuerberater und zu dessen Kenntnisstand, ohne die eine rechtliche Beurteilung der Beteiligung des Steuerpflichtigen bzw. der für ihn handelnden Organe (hier: Vorstand einer GmbH) nicht möglich ist.

Die Lieferung von Emissionszertifikaten stellt zwar als sonstige Leistung i.S.d. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG1 einen steuerbaren, d.h. grundsätzlich umsatzsteuerpflichtigen Umsatz gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG dar; die vom Erwerber geschuldete Umsatzsteuer (soweit sie in einer Rechnung ordnungsgemäß ausgewiesen ist, §§ 14, 14a UStG) kann dann von ihm im Rahmen des Vorsteuerabzugs geltend gemacht werden (§ 15 UStG).
Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug entfällt indes, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass die Lieferung an einen Steuerpflichtigen erfolgt, der (zum Zeitpunkt der Lieferung) wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen ist2. Letzteres gilt vor allem für die sog. „Umsatzsteuerkarusselle“, die dadurch gekennzeichnet sind, dass aus dem Ausland (letztlich umsatzsteuerfrei) erworbene Waren von einem Unternehmen, dem sog. „missing trader“, erworben, sodann an ein weiteres im Inland ansässiges Unternehmen, den sog. „buffer“, und von diesem an weitere Abnehmer jeweils unter Berechnung von Umsatzsteuer weiterveräußert werden. Dies führt dazu, dass der „buffer“ die an den „missing trader“ gezahlte Umsatzsteuer im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung als Vorsteuer absetzen kann. Der „missing trader“ führt jedoch vorgefasster Absicht gemäß die an ihn gezahlte Umsatzsteuer nicht ab3. Dass dies auf die zwischen der als „missing trader“ fungierenden Y. GmbH und der die Rolle des „buffer“ einnehmenden X. GmbH abgewickelten Geschäfte über Emissionszertifikate zutrifft, wird durch die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil hinreichend belegt.
Für ie steuerrechtliche Beurteilung ist die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Steuerpflichtigen, also des Leistungsempfängers – hier die X. GmbH – maßgeblich. Handelt es sich wie vorliegend um eine juristische Person, wird ihr aber nicht nur das Wissen ihrer vertretungsberechtigten Organe, sondern auch das sonstiger für sie handelnder Angestellter im Rahmen ihrer Zuständigkeit zugerechnet4. Dazu ergibt sich aus den Feststellungen, dass der Prokurist der X. GmbH, Y. F., von Anfang an in den Tatplan eingeweiht und zudem maßgeblich an der Abwicklung der Umsatzgeschäfte beteiligt war. Dessen Bösgläubigkeit begründet daher auch die Bösgläubigkeit der steuerpflichtigen X. GmbH.
An der deshalb gegebenen objektiven Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung vermag auch das Begleitschreiben des Steuerberaters nichts zu ändern, da für die steuerliche Beurteilung wesentliche Umstände – nämlich derjenigen, aus denen sich die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug wegen der Einbindung der Umsätze in ein Umsatzsteuerkarussell ergibt – fehlten.
Soweit in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldung bestand, ist dem unter Hinweis auf § 150 Abs. 2 Satz 1 AO entgegen zu setzen, dass dies nicht von der Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen, insbesondere richtigen und vollständigen Angaben entbindet.
Die Frage der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens5 stellt sich dabei auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht. Abgesehen davon, dass dies allenfalls die Strafbarkeit des Nichtbefolgens steuerlicher Erklärungspflichten in Form des Unterlassens entfallen lassen könnte, nicht aber zur Abgabe unrichtiger Erklärungen berechtigte, wäre der Angeklagte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht gezwungen gewesen, eigenes strafbares oder bußgeldbewehrtes Verhalten zu offenbaren. Nicht nur stellten die vor der Einreichung der Steuervoranmeldung entfalteten Aktivitäten jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Steuerhinterziehung nur straflose Vorbereitungshandlungen dar; vielmehr handelte der Angeklagte nach jedenfalls bis zum 12.12.2009, also kurz vor der Vorsteueranmeldung, im Hinblick auf seine (objektive) Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell auch weder – wie dies § 370 AO voraussetzt – vorsätzlich noch leichtfertig i.S.d. § 378 Abs. 1 AO.
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen vollendeter Steuerhinterziehung scheidet nach den getroffenen Feststellungen jedoch deshalb aus, weil es infolge der unrichtigen Steuererklärung nicht zu einer Steuerverkürzung gekommen ist.
Entgegen der allgemeinen Regel, wonach bei Anmeldungssteuern wie der Umsatzsteuer die Steuer bereits mit der Erklärung als unter Vorbehalt festgesetzt gilt (§ 168 Satz 1 AO), bedarf es in Fällen – wie dem vorliegenden, in dem eine Steuererstattung geltend gemacht wird, gemäß § 168 Satz 2 AO noch der Zustimmung der Finanzbehörde. Dementsprechend tritt die Steuerverkürzung und damit die Vollendung der Steuerhinterziehung erst mit der Bekanntgabe der Zustimmung durch das Finanzamt ein6, die vorliegend nach den Feststellungen indes nicht erteilt wurde.
Für die Beurteilung, ob sich der Angeklagte wegen Beteiligung an einer versuchten Steuerhinterziehung strafbar gemacht haben kann, kommt es maßgeblich auf das subjektive Vorstellungsbild des Angeklagten an. Denn nur danach – nach seiner Vorstellung (§ 22 StGB) – beurteilt sich, ob er unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestands angesetzt hat7. In dieser Hinsicht weist das angefochtene Urteil zur Aufhebung führende Rechtsfehler auf.
Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die Urteilsgründe ließen besorgen, dass das Landgericht dabei einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt haben könnte, kann dem allerdings nicht gefolgt werden.
Da bedingter Vorsatz genügt8, ist es zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands ausreichend, dass der Tatbeteiligte die Verwirklichung der (objektiven) Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und in Kauf nimmt. Neben der Unrichtigkeit der Steuererklärung muss bedingter Vorsatz deshalb auch insoweit bestehen, als es der Täter in Kauf nimmt, dass es durch die unrichtige Erklärung zu einer Steuerverkürzung, also zu einer Beeinträchtigung des Steueranspruchs oder zu einem unberechtigten Steuervorteil kommt9. Da die Verkürzung – wie ausgeführt – allerdings bereits mit der Bekanntgabe der unrichtigen Steuerfestsetzung eintritt10, kommt es auf die Frage, ob die Steuer vom Steuerpflichtigen überhaupt hätte entrichtet werden können, strafrechtlich nicht an11. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob der Angeklagte wusste und wollte oder es auch nur für möglich hielt und in Kauf nahm, dass infolge der Angaben in der Steueranmeldung vom 23.12.2009 die Steuerschuld niedriger festgesetzt wird als gesetzlich geschuldet12.
Der Revision ist zuzugeben, dass das Urteil deshalb widersprüchlich erscheint, weil einerseits – im Sinn der vorstehenden Ausführungen – festgestellt wird, „dass auch aus Sicht des Angeklagten nicht davon auszugehen war, dass das Finanzamt seine Zustimmung zu den Voranmeldungen erteilen würde“, andererseits aber verschiedentlich darauf abgehoben wird, dass der Angeklagte jedenfalls bis zum 12.12.2009 noch darauf vertraut habe, dass er für die Firma Y. GmbH (ob es sich auch insoweit nur um ein Schreibversehen handelt, kann letztlich dahingestellt bleiben) deren Umsatzsteuerverpflichtung werde nachkommen können.
Jedoch löst sich dieser – scheinbare – Widerspruch bei genauerer Betrachtung auf. Denn die auf die Entrichtung der Steuerschuld abhebenden Formulierungen finden sich ausschließlich im Zusammenhang mit der für die Vorsteuerabzugsberechtigung der X. GmbH relevanten Frage, inwieweit und insbesondere ab wann der Angeklagte Kenntnis von der Einbindung der später zum Vorsteuerabzug führenden Umsätze zwischen der Y. GmbH und der X. GmbH in ein Umsatzsteuerkarussell hatte. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich deshalb mit noch hinreichender Sicherheit entnehmen, dass das nach den Feststellungen jedenfalls bis zum 12.12.2009 bestehende Vertrauen des Angeklagten, die von der Y. GmbH geschuldete Umsatzsteuer entrichten zu können, in der landgerichtlichen Beurteilung lediglich für diese steuerrechtliche Vorfrage von Bedeutung war, nicht aber die Prüfung des Vorstellungsbilds des Angeklagten bei der für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Abgabe der Vorsteueranmeldung bestimmt hat.
Dagegen erweist sich die zur subjektiven Tatseite vorgenommene Beweiswürdigung als unklar und lückenhaft.
Die Urteilsgründe lassen insbesondere besorgen, dass das Landgericht nicht hinreichend beachtet hat, dass an die Beweiswürdigung in einem freisprechenden Urteil keine geringeren Anforderungen als im Fall der Verurteilung zu stellen sind. Danach bedarf es zur Verneinung eines (bedingten) Vorsatzes einer Gesamtschau aller für die subjektive Tatseite bedeutsamen Beweisanzeichen13.
Das Urteil erweist sich dabei zunächst insoweit als unklar, als zunächst festgestellt wird, der Angeklagte habe bis zum 22.12.2009 nicht erkannt, für ein Umsatzsteuerkarussell instrumentalisiert worden zu sein, andererseits im Rahmen der Beweiswürdigung maßgeblich auf die Bedeutung des der Umsatzsteuervoranmeldung seitens des Steuerberaters beigefügten Begleitschreibens abgehoben wird. Hätte der Angeklagte jedoch noch zum Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung nicht erkannt gehabt, dass die Geschäfte zwischen der Y. GmbH und der X. GmbH lediglich zum Zweck der Steuerhinterziehung durchgeführt wurden, ließe bereits dies den Vorsatz entfallen, ohne dass es auf die Wirkungen des der Umsatzsteuervoranmeldung beigefügten Begleitschreibens noch ankäme.
In diesem Zusammenhang weist die Beweiswürdigung des Landgerichts gleichzeitig eine Lücke auf, weil zwar aus einer E-Mail des Angeklagten an den Steuerberater vom 12.12.2009 der Schluss gezogen wird, der Angeklagte sei jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf das hinsichtlich der Geschäfte mit Emissionszertifikaten gegebene Umsatzsteuerkarussell gutgläubig gewesen, die Urteilsgründe sich jedoch nicht in der gebotenen Weise mit dem sich danach aufdrängenden Umkehrschluss auseinandersetzen, dass er ab diesem Zeitpunkt mit der Einbindung der Geschäfte in ein Umsatzsteuerkarussell und damit mit der fehlenden Berechtigung zur Geldendmachung der Vorsteuer rechnete.
Darüber hinaus lässt das Urteil die erforderliche Einbeziehung aller für die Beurteilung maßgeblichen Umstände in die Würdigung zur subjektiven Tatseite vermissen. Da der Angeklagte ein vorsätzliches Handeln bestreitet, wären dazu alle tatsächlichen Gegebenheiten in den Blick zu nehmen gewesen, die einen Schluss auf Wissen und Wollen des Angeklagten zuließen. Danach hätte es vor allem eines Eingehens auf die näheren Umstände bedurft, unter denen es zu der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung am 23.12.2009 kam. Insoweit bleiben jedoch maßgebliche Einzelheiten im landgerichtlichen Urteil unerörtert.
Die Ausführungen in den Urteilsgründen dazu beschränken sich darauf, dass der Angeklagte nach einer am 07.12.2009 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch das Finanzamt dem Steuerberater Belege vorlegte und dieser die Umsatzsteuervoranmeldung – mit dem erwähnten Begleitschreiben, über das der Angeklagte von seinem Rechtsanwalt unterrichtet wurde – abgab. Dass sich die Mitwirkung des Angeklagten in der Weitergabe der Belege erschöpfte, lässt sich dem Urteil schon deshalb nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, weil insoweit relevante Einzelheiten – etwa dazu, durch wen der Steuerberater beauftragt wurde – gänzlich unerörtert bleiben.
Vor dem Hintergrund, dass § 18 Abs. 3 Satz 3 UStG die eigenhändige Unterzeichnung durch den Unternehmer nur für die Umsatzsteuerjahreserklärung vorschreibt, bleibt danach offen, ob es sich bei der eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung um eine eigene Erklärung des Angeklagten oder eine vom Steuerberater als bevollmächtigter Vertreter nach § 80 Abs. Satz 1 AO abgegebene Erklärung handelte. Schon deshalb hätte es eines näheren Eingehens auf das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Steuerberater und dessen Vorstellungsbild bedurft, weil erst danach eine Beurteilung möglich ist, ob ein Tatbeitrag des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt täterschaftlichen Handelns – ggf. in Form der mittelbaren Täterschaft14 – oder unter dem der Teilnahme (Anstiftung oder Beihilfe) zu einer Haupttat des Steuerberaters zu würdigen wäre.
Insgesamt ist dem Oberlandesgericht ohne eine vollständige Beleuchtung der Rolle des Angeklagten im Zusammenhang mit der Einreichung der Steuererklärung am 23.12.2009 eine abschließende Beurteilung, ob die vom Landgericht vorgenommene Bewertung zur subjektiven Tatseite tragfähig ist, nicht möglich.
Soweit das Landgericht demgegenüber allein auf das der Umsatzsteuervoranmeldung beigefügt gewesene Schreiben des Steuerberaters abstellt, handelt es sich zwar um ein gewichtiges Beweisanzeichen. Das Oberlandesgericht vermag jedoch nicht gänzlich auszuschließen, dass das Landgericht bei Vornahme der gebotenen Gesamtwürdigung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 16. März 2015 – 1 (4) Ss 560/14; 1 (4) Ss 560/14 – AK 206/14
- vgl. dazu II. 5. der Durchführungsvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen vom 02.02.2005[↩]
- EuGH Urteil vom 06.07.2006 – C 439/04 und C 440/04, Kittel und Recolta Recycling; sowie Urteil vom 12.01.2006 – C 354/03, C 355/03 und – C-484/03, Optigen; BGH NJW 2011, 1616; wistra 2014, 141 und 192; BFH PStR 2010, 265[↩]
- zum Ganzen Bielefeld BB 2004, 2441 und wistra 2007, 9; Hellmann wistra 2005, 161[↩]
- BFH a.a.O.[↩]
- vgl. dazu Jäger in Klein, AO, 12. Aufl.2014, § 370 Rn. 73 und § 393 Rn. 26 ff.; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 48. Lfg.2013, § 370 AO Rn. 304 ff.; Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 370 AO R. 136 ff.[↩]
- BGH wistra 1988, 355; zum Ganzen auch Jäger a.a.O., § 370 Rn. 105 f.; Flore in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2013, § 370 AO Rn. 518; Ransiek a.a.O., § 370 AO Rn. 408 f.[↩]
- vgl. nur Fischer, StGB, 61. Aufl.2014, § 22 Rn. 8; Flore a.a.O., § 370 AO Rn. 497[↩]
- BGH PStR 2010, 57[↩]
- Jäger a.a.O., § 370 Rn 171, 175; Ransiek a.a.O., § 370 AO Rn. 623 f.[↩]
- Jäger a.a.O., § 370 Rn. 85, 93, 106; Flore a.a.O., § 370 AO Rn. 518[↩]
- vgl. auch BGH NStZ 2009, 512[↩]
- Jäger a.a.O., § 370 Rn.191[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2009, 512; 2014, 84 – jew. m.w.N.; Vogel in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl.2007, Rn. 65[↩]
- vgl. dazu BGH wistra 1994, 268; 2015, 29[↩]