Der formgerechten Einlegung des Rechtsmittels (§ 306 Abs. 1 StPO) steht hier nicht entgegen, dass der Angeklagte das Beschwerdeschreiben in türkischer Sprache abgefasst hat.

Nach § 184 Satz 1 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Nach bislang ständiger Rechtsprechung sind fremdsprachige Schreiben grundsätzlich unbeachtlich, auch wenn der Verfasser die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht1.
Zwar hat der Europäische Gerichtshof diesen Grundsatz erheblich eingeschränkt, indem er entschieden hat, dass es für die Frage, ob ein fremdsprachig abgefasstes Schreiben von Amts wegen zu übersetzen und zu beachten ist, nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.10.2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren2 darauf ankommt, ob es sich um ein für das Verfahren wesentliches Dokument handelt3.
Ungeachtet dessen, dass sich die Wesentlichkeit ohne Übersetzung zumeist nicht beurteilen lassen dürfte, betrifft diese Entscheidung nur den nichtverteidigten Beschuldigten4.
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte aber zwei Verteidiger. Ein verteidigter Beschuldigter hat nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. e MRK Anspruch auf unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher beim Verkehr mit seinem Verteidiger5. Er ist zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte nicht in gleicher Weise auf amtswegige Übersetzungen seiner Schreiben angewiesen.
Ähnlich sieht § 187 Abs. 1 Satz 1 StPO die Heranziehung eines Übersetzers nur vor, wenn dies zur Rechtswahrung erforderlich ist; dabei kann hier dahinstehen, inwieweit diese Vorschrift überhaupt auf vom Beschuldigten verfasste Schreiben Anwendung findet6.
Ob das Schreiben des Angeklagten im vorliegenden Fall der gesetzlichen Form genügt, braucht der Bundesgerichtshof indes nicht zu entscheiden. Denn es liegt jedenfalls deshalb eine formgerechte Beschwerde vor, weil das Kammergericht das Schreiben des Angeklagten tatsächlich übersetzt und die Verteidigerin sie sich in ihrem Schriftsatz zu eigen gemacht hat.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof davon abgesehen, das weitere Schreiben des Angeklagten übersetzen zu lassen, weil dieser die Möglichkeit hat, über seine Verteidiger seine Verteidigungsrechte geltend zu machen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2017 – StB 2/17
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 14.07.1981 – 1 StR 815/80, BGHSt 30, 182; vom 13.09.2005 – 3 StR 310/05 2 [für die Revision]; BeckOK StPO/Walther, § 184 GVG Rn. 4; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 184 GVG Rn. 1, 2 mwN[↩]
- ABl. Nr. L 280, S. 1[↩]
- EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C 216/14, NJW 2016, 303; vgl. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 187 GVG Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 184 GVG Rn. 2a[↩]
- EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C 216/14, aaO, S. 305 Rn. 42 f.[↩]
- vgl. BeckOK StPO/Valerius, Art. 6 MRK Rn. 54, 57 mwN[↩]
- so BeckOK StPO/Walther, § 187 GVG Rn. 3; SK-StPO/Frister aaO, Rn. 5[↩]