Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – und die Schizophrenie

Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten wegen eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht.

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – und die Schizophrenie

Wegen fehlender Einsichtsfähigkeit ist schuldunfähig, wer infolge der bei ihm festgestellten Störung im konkreten Fall die äußeren Umstände seines Tuns oder deren ihre Strafwürdigkeit begründenden Bedeutungsgehalt nicht erkannt hat1. Das ist im Einzelnen darzulegen2.

Allein die Diagnose einer Schizophrenie belegt keine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit3.

Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, also solche, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen4.

Diese durch die Rechtsprechung herausgebildeten Anforderungen sind durch die neue Fassung des § 63 Satz 1 StGB dahingehend konkretisiert worden5, dass nur die Erwartung solcher erheblichen rechtswidrigen Taten ausreicht, durch die die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird.

Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln6 und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt7.

Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen. Wenn die Anlasstat – was für die hier angenommene Sachbeschädigung, aber auch die nicht erwogenen, aber in Betracht kommenden Tatbestände der Nötigung bzw. Bedrohung nahe liegt, aber unerörtert bleibt – selbst nicht erheblich ist, bedarf die Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältiger Darlegung8. Diesem schon von der Rechtsprechung entwickelten besonderem Darlegungserfordernis gibt die seit dem 1.08.2016 geltende und über § 2 Abs. 6 StGB anzuwendende Neuregelung in § 63 Satz 2 StGB eine klare gesetzliche Fassung9.

Dabei ist für die Gefährlichkeitsprognose eine die Biographie des Beschuldigten und seine Krankheitsgeschichte berücksichtigende Gesamtwürdigung erforderlich.

Insbesondere begründet allein die im Allgemeinen erhöhte Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter die Gefahrenprognose nicht10. Die gebotene Auseinandersetzung mit den die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung11 sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Delikten jenseits der Anlasstaten belegen können12, müssen sich dem Urteil entnehmen lassen.

Dabei ist auch die Delinquenzgeschichte des Beschuldigten in Estland näher zu beleuchten. Denn auch zurückliegenden Taten kann eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen, doch wird dies regelmäßig nur bei Taten der Fall sein, die in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und deren Ursache nicht in anderen, nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist13.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16

  1. vgl. BGH, Urteil vom 06.03.1986 – 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 25; Beschluss vom 15.07.2015 – 4 StR 277/15, StV 2016, 725[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 20.11.2012 – 1 StR 504/12, NJW 2013, 246 mwN[]
  3. vgl. BGH, Beschlüsse vom 02.10.2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39; und vom 17.02.2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 189[]
  4. vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013 – 2 BvR 298/12; BGH, Beschlüsse vom 18.07.2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383; vom 16.06.2014 – 4 StR 111/14, NStZ 2014, 571; und vom 19.08.2014 – 3 StR 243/14; Urteil vom 28.10.2015 – 1 StR 142/15, NStZ-RR 2016, 40[]
  5. vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften, S. 17 f.; BT-Drs. 18/7244[]
  6. BGH, Beschlüsse vom 16.01.2013 – 4 StR 520/12; vom 01.10.2013 – 3 StR 311/13; vom 02.09.2015 – 2 StR 239/15; und vom 03.06.2015 – 4 StR 167/15, StV 2016, 724[]
  7. BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013 – 2 BvR 298/12; BGH, Beschluss vom 07.06.2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306[]
  8. BGH, Beschluss vom 09.04.2013 – 5 StR 120/13, NJW 2013, 2043; Urteile vom 02.03.2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240; und vom 23.01.1986 – 4 StR 620/85[]
  9. vgl. Gesetzentwurf aaO S. 22; BT-Drs. 18/7244[]
  10. BGH, Beschluss vom 07.06.2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306; Urteil vom 11.08.2011 – 4 StR 267/11[]
  11. BGH, Beschluss vom 17.02.2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720[]
  12. BGH, Beschluss vom 07.06.2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306; zu situativen Risikofaktoren auch BGH, Beschluss vom 17.02.2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720[]
  13. vgl. BGH, Beschlüsse vom 07.06.2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306; und vom 04.07.2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338; Urteil vom 11.08.2011 – 4 StR 267/11, Rn. 14[]