Der Sanitätsoffizier am Bundeswehrkrankenhaus – und seine Privatpatienten

Mit den Voraussetzungen für die Genehmigung der Ausübung einer Nebentätigkeit während der Dienstzeit durch einen Sanitätsoffizier der Bundeswehr hatte sich aktuell das Bundesverwaltungsgericht zu befassen:

Der Sanitätsoffizier am Bundeswehrkrankenhaus – und seine Privatpatienten

Für Rechtsstreitigkeiten von Soldaten um die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet, weil der Sanitätsoffizier die Verletzung eines Rechts, das im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnittes des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 – nämlich in § 20 SG – geregelt ist, geltend machen kann1. Sachlich zuständig ist das Bundesverwaltungsgericht (§ 22 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO).

Die entgeltliche Behandlung von zivilen Patienten auf internistischem Fachgebiet bedarf als Nebentätigkeit der vorherigen Genehmigung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SG). Die Genehmigung wurde gemäß § 20 Abs. 3 und 4 SG zu Recht versagt.

Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 SG darf der Soldat Nebentätigkeiten nur außerhalb des Dienstes ausüben, es sei denn, sie werden auf Verlangen seines Disziplinarvorgesetzten ausgeübt oder es besteht ein dienstliches Interesse an der Ausübung der Nebentätigkeit. Der Sanitätsoffizier hat die Genehmigung ausdrücklich für die Ausübung einer Nebentätigkeit „während der Dienstzeit“ beantragt. Ein Verlangen seines Disziplinarvorgesetzten auf Ausübung während der Dienstzeit oder ein entsprechendes dienstliches Interesse, das aktenkundig zu machen wäre (§ 20 Abs. 3 Satz 2 SG), liegt nicht vor.

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Ausnahmen von dem Gebot, Nebentätigkeiten nur außerhalb des Dienstes auszuüben (§ 20 Abs. 3 Satz 1 SG), dürfen nur in besonders begründeten Fällen, insbesondere im öffentlichen Interesse, zugelassen werden, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen und die versäumte Dienstzeit nachgeleistet wird (§ 20 Abs. 3 Satz 3 SG). Bei den Tatbestandsmerkmalen des „besonders begründeten Falls“ und der ggf. entgegenstehenden „dienstlichen Gründe“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar sind2.

Für das Vorliegen eines „besonders begründeten Falls“ ist dabei von dem Grundsatz auszugehen, dass der Soldat innerhalb der für ihn geltenden Dienstzeit, die nicht zu seiner Disposition steht, die seiner Verwendung entsprechende Pflicht zur Dienstleistung zu erfüllen und nicht einer privaten Nebentätigkeit nachzugehen hat. Die bloße Möglichkeit oder Bereitschaft, die versäumte Dienstzeit nachzuleisten, ist für sich genommen nicht geeignet, eine Ausnahme hiervon zu begründen; die Pflicht zur Nachleistung stellt – wie sich aus § 20 Abs. 3 Satz 3 SG (am Ende) ergibt – eine Konsequenz oder zusätzliche Bedingung, jedoch keine Rechtfertigung für die ausnahmsweise Zulassung der Ausübung einer Nebentätigkeit während der Dienstzeit dar. Ein „besonders begründeter Fall“ kann deshalb nur dann vorliegen, wenn gewichtige materielle Gründe für die Ausübung der Nebentätigkeit gerade während der Dienstzeit gegeben sind, die Vorrang vor der geschuldeten dienstlichen Tätigkeit beanspruchen. Solche Gründe kommen eher in Betracht, wenn – wie sich aus der beispielhaften Hervorhebung in § 20 Abs. 3 Satz 3 SG („insbesondere im öffentlichen Interesse“) ergibt – die Nebentätigkeit im öffentlichen Interesse und nicht nur im persönlichen Interesse des Soldaten liegt.

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Ein „besonders begründeter Fall“ ist danach bei der vom Sanitätsoffizier angestrebten Nebentätigkeit nicht gegeben.

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die vom Sanitätsoffizier beabsichtigte Behandlung von zivilen Patienten im öffentlichen Interesse, etwa wegen sonst bestehender Mängel in der ärztlichen Versorgung, liegt. Soweit der Sanitätsoffizier unter Nr. 2 des Antragsformulars darauf verweist, dass die Behandlung von Zivil-/Privatpatienten in der regulären Dienstzeit erfolgen müsse, weil ansonsten Laboruntersuchungen durch das Fremdlabor, Endoskopien oder andere technische Untersuchungen nicht durchgeführt werden könnten, ist nicht erkennbar, ob solche Untersuchungen in allen Fällen oder nur bei einem Teil der Behandlungen stattfinden. Der Sanitätsoffizier hat – worauf der Generalinspekteur der Bundeswehr in seinem Beschwerdebescheid und dem Vorlageschreiben hinweist – auch nicht substantiiert dargelegt, warum die genannten Untersuchungen, soweit sie stattfinden, unbedingt während der regulären Dienstzeit vorzunehmen sind und nicht außerhalb der Dienstzeit des Fachsanitätszentrums durchgeführt können. Der bloße Umstand, dass sich die Untersuchungen aus der Perspektive des Sanitätsoffiziers während der regulären Dienstzeit einfacher und vorteilhafter durchführen lassen, verleiht dem persönlichen Interesse an der Nebentätigkeit keinen Vorrang gegenüber der innerhalb der Dienstzeit geschuldeten dienstlichen Tätigkeit und rechtfertigt nicht die Annahme eines „besonders begründeten Falls“.

Einen „besonders begründeten Fall“ kann der Sanitätsoffizier schließlich nicht aus § 20 Abs. 4 SG i.V.m. Nr. 10 Abs. 4 der Richtlinien des Bundesministeriums der Verteidigung – InSan II 3 – für die „Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn/Arbeitgebers und die Entrichtung des Entgelts durch Sanitätsoffiziere sowie beamtete und angestellte Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker der Bundeswehr im Rahmen der Nebentätigkeit“ vom 01.03.1996 (Inanspruchnahmerichtlinien) herleiten. Diese Bestimmungen regeln die Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen Sanitätsoffiziere die Nebentätigkeit nicht nur mit eigenen Mitteln ausüben, sondern dabei auch Mittel des Dienstherrn in Anspruch nehmen dürfen (vgl. Nr. 1 Abs. 1 der Inanspruchnahmerichtlinien). Sie setzen dabei eine zulässige – genehmigungsfreie oder allgemein oder im Einzelfall genehmigte – Nebentätigkeit voraus. § 20 Abs. 4 SG i.V.m. den Inanspruchnahmerichtlinien bilden deshalb keine Grundlage für die Genehmigung der Nebentätigkeit als solcher, sondern lediglich für die Genehmigung bestimmter Modalitäten der Ausübung einer als solcher bereits genehmigten oder sonst zulässigen Nebentätigkeit.

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Im Übrigen lägen die Voraussetzungen von Nr. 10 Abs. 4 Satz 1 der Inanspruchnahmerichtlinien, auf die sich der Sanitätsoffizier beruft, nicht vor. Nach dieser Bestimmung ist die Nebenbeschäftigung zur deutlichen Abgrenzung von dienstlich wahrzunehmenden Aufgaben des Haupt- und Nebenamtes zeitlich genau festzulegen, sofern sie in Bundeswehrkrankenhäusern, Instituten der Bundeswehr und Kreiswehrersatzämtern aus wesentlichen technischen Gründen – z.B. in den Fachgebieten Labor- und Nuklearmedizin, Röntgen- und Strahlenheilkunde oder Endoskopie – nicht von der Dienstzeit/Arbeitszeit zu trennen sein sollte. Unabhängig davon, ob insoweit eine Untrennbarkeit von Nebenbeschäftigung und dienstlicher Tätigkeit „aus wesentlichen technischen Gründen“ gegeben ist, stellen die Fachsanitätszentren der Bundeswehr einschließlich ihrer fachärztlichen Untersuchungsstellen – wie hier die fachärztliche Untersuchungsstelle für Innere Medizin des Fachsanitätszentrums …, Außenstelle … – keine Bundeswehrkrankenhäuser oder Institute der Bundeswehr dar; sie fallen deshalb tatbestandlich nicht unter diese Regelung.

Daran ändert auch die frühere organisatorische Zuordnung der Dienststelle des Sanitätsoffiziers – unter der Bezeichnung „Facharztzentrum … Bundeswehrkrankenhaus …“ – zu einem Bundeswehrkrankenhaus nichts. Denn bei deren Umwandlung in ein Fachsanitätszentrum handelt es sich nicht, wie es der Sanitätsoffizier darstellt, um eine bloße Umbenennung oder Änderung der Dienststellenbezeichnung. Vielmehr wurde, nachdem das Bundeswehrkrankenhaus … bereits 19. geschlossen worden war, im Jahre 20. auch das Bundeswehrkrankenhaus … ersatzlos aufgelöst, womit der Anknüpfungspunkt für die organisatorische Zuordnung zu einem Bundeswehrkrankenhaus auf Dauer entfallen ist. Eine erweiternde oder ergänzende Auslegung in dem Sinne, dass Fachsanitätszentren unter den Begriff der Bundeswehrkrankenhäuser zu subsumieren oder diesen als weitere Einrichtung gleichzustellen wären, kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. April 2015 – 1 WB 35.2014 –

  1. vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.2012 – 1 WDS-VR 6.12 und 7.12, BVerwGE 145, 24 Rn. 27; ebenso zuvor z.B. Beschlüsse vom 28.10.1980 – 1 WB 139.79, BVerwGE 73, 87, 88; und vom 03.05.1984 – 1 WB 10.83 – NZWehrr 1985, 25, 25 f.[]
  2. vgl. Eichen, in: Walz/Eichen/Sohm, SG, 2. Aufl.2010, § 20 Rn. 76; ebenso für die gleichlautende beamtenrechtliche Vorschrift des § 101 Abs. 1 Satz 3 BBG Geis, in: GKÖD, Stand 2014, § 101 BBG Rn. 2[]