Medizinische Wahlleistungen für schwerbehinderte Beamte

Freiwillig gesetzlich versicherte Beamte haben für den Fall mangelnder medizinischer Gebotenheit der Inanspruchnahme von Wahlleistungen kein Recht auf die Gewährung von Beihilfen zu kraft Gesetzes (hier: gemäß § 87c Abs. 2 NBG in der ab dem 1. 1. 2005 geltenden Fassung) nicht mehr beihilfefähigen Aufwendungen für Wahlleistungen, und zwar obwohl ihnen – systembedingt – ein Anspruch nach § 178e VVG a. F. auf Anpassung des Versicherungsschutzes nicht zugute kommen kann1.

Medizinische Wahlleistungen für schwerbehinderte Beamte

Der Umstand, dass es verfassungsrechtlich vertretbar gewesen ist, schwerbehinderte Beamtinnen in Orientierung an der Art ihrer Hilfsbedürftigkeit gesetzlich vom Wegfall der Beihilfefähigkeit der Wahlleistungen auszunehmen (§ 87c Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 NBG i. d. bis zum 31. 12. 2004 gültigen Fassung), bedeutet keineswegs, dass es auch verfassungsrechtlich erforderlich war, dies zu tun.

Ein derartiges rechtliches Erfordernis ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beamtin nur deshalb „freiwillig“ in der gesetzlichen Krankenversicherung verblieben ist, weil infolge von Vorerkrankungen für sie ein privater Krankenversicherungsschutz nicht zu erlangen war, sodass es nicht in ihrem Belieben gestanden hat, sich so zu versichern, dass § 178e VVG a. F. zu ihren Gunsten hätte Anwendung finden können. Denn einer Beamtin kann nicht nur zugemutet werden, die Inanspruchnahme von (medizinisch nicht gebotenen) Wahlleistungen anderweitig zu versichern, sondern eben auch, auf diese Leistungen gänzlich zu verzichten. Artikel 33 Abs. 5 GG gewährleistet kein bestimmtes, die Inanspruchnahme von Wahlleistungen einschließendes, traditionelles Anspruchsniveau der Beamtenschaft. Vielmehr ist die Wahrung des insoweit erreichten Besitzstandes nicht verfassungsrechtlich geboten2. Der Dienstherr genügt seiner Fürsorgepflicht bereits dann, wenn er (weiterhin) für die allgemeinen Krankenhausleistungen Beihilfen gewährt, d. h. sich auf das Maß des medizinisch Gebotenen beschränkt3. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) verlangen weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind. Ein darauf gerichtetes Vertrauen genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz4. Beamte, denen es nach dem Wegfall der Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen möglich war, sich nach Maßgabe des § 178e VVG a. F. durch den Abschluss eines ergänzenden Versicherungsvertrages privat so zu versichern, dass ihnen weiterhin die Inanspruchnahme von Wahlleistungen erstattet wird, erlangen daher keine verfassungsrechtlich erforderliche Kompensation für den Wegfall der Beihilfefähigkeit dieser Leistungen. Sie machen vielmehr lediglich von einer Freiheit Gebrauch, ihre Dienst- oder Ruhestandsbezüge zu günstigen Konditionen in bestimmter Weise, und zwar für eine über das medizinisch Gebotene hinausgehende Qualität ihrer Krankheitsvorsorge, zu verwenden. Demgegenüber kann die Klägerin nicht aufgrund ihrer Behinderung beanspruchen, den bislang gewohnten, aber eben über das medizinisch Gebotene hinausgehenden Versorgungsstandard sogar kostenfrei zu erhalten, indem es für sie bei der Beihilfefähigkeit an sie erbrachter Wahlleistungen verbleibt. Denn weder der Fürsorgegrundsatz noch ihr Anspruch auf amtsangemessene Alimentation, das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG5 oder das Sozialstaatsprinzip geben ihr ein Recht auf eine solche Begünstigung.

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Auch unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) mit denjenigen Beamten, die ihren Versicherungsschutz nach dem Wegfall der Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen gemäß § 178e VVG a. F. entsprechend auszuweiten vermochten, verbot es sich nicht, die Beihilfefähigkeit von (medizinisch nicht gebotenen) Wahlleistungen zu Lasten der Klägerin abzuschaffen. Das ergibt sich für ihren Fall schon daraus, dass die Klägerin – wie sie selbst geltend macht – im Gegensatz zu der Vergleichsgruppe dieser Beamten wegen ihrer Vorerkrankung bereits zum Zeitpunkt der Begründung ihres Beamtenverhältnisses nicht mehr die Möglichkeit hatte, sich privat gegen Krankheit zu versichern – und damit in den potentiellen Anwendungsbereich des § 178e VVG a. F. zu gelangen. Der Dienstherr hatte die Klägerin hiernach nämlich bereits mit jenem Defizit an Möglichkeiten der privaten Vorsorge „vorgefunden“ und in das Beamtenverhältnis übernommen, das sich nunmehr seit dem Wegfall der Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen auswirkt. Er ist aber auch nach dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht gehalten, Unterschiede in Bezug auf den Zugang zu einer über das medizinisch Gebotene hinausgehenden Krankenvorsorge auszugleichen, die in Wahrheit unabhängig von dem Eintritt in das Beamtenverhältnis bestehen.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. Juni 2009 – 5 LA 1/07

  1. vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 25.06. 2007 – 5 LA 7/07 -, in: Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C IV 2 Nr. 173[]
  2. BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 – 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225 ff., hier zitiert nach: Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C IV 2 Nr. 150[]
  3. BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 – 2 BvR 1053/98 -, a. a. O.).

    Der Beamte kann sich dagegen auch nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Eine Beamtin darf nämlich nicht ohne weiteres auf den Fortbestand einer ihr günstigen Regelung vertrauen. Das gilt insbesondere im Beihilferecht, wo schon in der Vergangenheit vielfach Änderungen eingetreten sind und mit weiteren Änderungen zu rechnen war ((BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 – 2 BvR 1053/98 – a. a. O.[]

  4. BVerwG, Urteil vom 24.07.2008 – BVerwG 2 C 46.07 -, juris, Langtext Rn. 20[]
  5. vgl. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, 11. Aufl. 2008, Art. 3 Rn. 59[]
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