Die Klage auf Bescheidung eines Asylantrags ist als solche kein Einzelfall, der durch besondere Umstände geprägt wird. Eine Herabsetzung des Gegenstandswertes nach § 30 Abs. 2 RVG ist daher grundsätzlich nicht gerechtfertigt.

Nach § 30 Abs. 1 RVG beträgt in Klageverfahren nach dem Asylgesetz der Gegenstandswert 5 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro (Satz 1). Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro (Satz 1).
Nach § 30 Abs. 2 RVG kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.
Der durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz neugefasste Gebührentatbestand des § 30 RVG soll zu einer Vereinfachung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage beitragen, indem nach § 30 Abs. 1 RVG nunmehr für alle asylrechtlichen Klageverfahren einheitlich und unabhängig vom Streitgegenstand stets 5.000 Euro zugrunde gelegt werden, wobei sich dieser Wert bei mehreren Asylbewerbern für jede weitere Person nach § 30 Abs. 1 Satz 2 RVG um 1.000 Euro erhöht. Es wird insoweit grundsätzlich nicht (mehr) danach differenziert, ob ein Asylbewerber mit seiner Klage Asyl nach Art. 16a GG, Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG, subsidiären Schutz nach § 4 AsylG bzw. nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt, oder ob sich die Klage gegen eine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG oder eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG richtet1.
Wird – wie hier – von Seiten des Asylbewerbers beantragt, das Bundesamt zur Bescheidung seines Asylantrages zu verpflichten (sog. Bescheidungsklage) mit der Folge, dass keine materiell-rechtliche Prüfung des Asylbegehrens erfolgt, sondern nur formal geprüft wird, ob die Voraussetzungen des § 75 VwGO erfüllt sind, eine Aussetzung in Betracht kommt bzw. die gesetzte Frist zur Entscheidung abgelaufen ist, ist bereits fraglich, ob eine Kostenberechnung nach dem Regelstreitwert nach § 30 Abs. 1 RVG hier unbillig wäre.
Denn der Gesetzgeber hat mit der Gleichstellung des Asyl-Regelstreitwerts mit dem für sonstige Verfahren nach § 52 Abs. 2 GKG geltenden Auffangstreitwert für eine Vielzahl von Fällen den Gegenstandswert nach oben gedeckelt, in denen in sonstigen Verfahren nach § 39 Abs. 1 GKG eine Addition der Werte mehrerer Streitgegenständen erfolgt. Dies deutet darauf hin, dass zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung ein Durchschnittswert gebildet werden sollte, was die Einbeziehung von Verfahren nach dem Asylgesetz mit geringerer Bedeutung nicht per se unbillig macht. Dass der Gesetzgeber beispielsweise auch Klagen nach § 30 Abs. 1 RVG erfassen wollte, mit denen ausschließlich eine auf §§ 34, 38 AsylG gestützte Abschiebungsandrohung angegriffen wird, zeigt der Vergleich mit der bis zum 31.07.2013 gültigen Textfassung des § 30 Satz 1 RVG. Danach betrug in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz der Gegenstandswert in Klageverfahren, die die Asylanerkennung einschließlich der Feststellung der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen betreffen, 3 000 Euro, in sonstigen Klageverfahren, zu denen u. a. die isolierte Anfechtung der Abschiebungsandrohung zählte, 1 500 Euro. Von der Vereinheitlichung des Gegenstandswertes sollten daher auch Verfahren profitieren, für die zuvor ein deutlich niedrigerer Gegenstandswert angesetzt worden war. Nicht unberücksichtigt bleiben kann ferner, dass es je nach Lebenslage durchaus von wesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung für den Asylkläger sein kann, möglichst rasch mit dem Mittel der Bescheidungsklage eine (positive) Entscheidung des Bundesamtes zu erzwingen. Auch der Umstand, dass auf eine Verpflichtung zur Bescheidung im Falle einer Antragsablehnung mit erneuter Klage zu rechnen ist, kann nicht zwingend die Unbilligkeit des Regelgegenstandswertes für die Bescheidungsklage begründen. Denn es ist gerade in Asylverfahren keineswegs selten, dass ein und derselbe Asylbewerber mehrfach gerichtliche Verfahren anhängig macht, die wie z. B. bei Folgeantragsverfahren jeweils mit dem vollen Regelstreitwert abgerechnet werden können.
Letztlich kann die Frage der Unbilligkeit eines Gegenstandwertes von 5000 Euro für Bescheidungsklagen aber offen bleiben, denn eine Herabsetzung scheitert an der weiteren tatbestandlichen Voraussetzung, dass die Unbilligkeit „nach den besonderen Umständen des Einzelfalles“ gegeben sein muss. Eine Bescheidungsklage ist indes – wie die Vielzahl an derartigen Verfahren zeigt – bereits kein Einzelfall, noch wird dieser durch besondere Umstände geprägt. Dies wird letztlich auch durch die Einlassung des BAMF bestätigt, wonach zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage dem Bundesamt Asylanträge in sechsstelliger Zahl vorlagen, die noch älteren Datums waren als der Asylantrag des Asylbewerbers. Wenn das Bundesamt – wie vorgetragen – schon aus Gerechtigkeitserwägungen eine Bevorzugung derer ablehnt, „die mit Untätigkeitsklagen und ähnlichem eine bevorzugte Bearbeitung und ggf. eine zusätzliche Gebührenregenerierung für die jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten erreichen wollen“, wird hierdurch gerade eine generelle Verfahrenspraxis belegt. Gegen eine solche Praxis gerichtete Bescheidungsklagen zeichnen sich daher nicht durch besondere Umstände des Einzelfalles aus, sondern stellen Rechtsmittel in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle dar. Hätte der Gesetzgeber generell für derartige Klagen einen niedrigeren Gegenstandswert für gerechtfertigt gehalten, hätte er dies durch eine abstrakt generelle gesetzliche Regelung bestimmen können und müssen. Eine Herabsetzung aufgrund besonderer Einzelfallkonstellation erlaubt eine Bescheidungsklage als solche hingegen nicht.
Verwaltungsgericht Stuttgart, Beschluss vom 10. März 2017 – A 9 K 5939/16
- vgl. Wahlen/Thiele, in: Scheider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 7. Auflage, § 30 Rn. 13 ff.; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 7. Auflage, § 30 Rn. 1; Potthoff, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage, § 30 Rn. 7; s. auch BT-Drs. 17/11471 S. 269[↩]