Pla­nungs­recht­liche Be­schrän­kun­gen von Einzelhandelsstand­or­ten

Pla­nungs­recht­lich be­wirk­te Be­schrän­kun­gen der Stand­or­te von Ein­zel­han­dels­be­trie­ben aus Grün­den der Stadt­ent­wick­lung und des Ver­brau­cher­schut­zes sind grund­sätz­lich zu­läs­sig und ste­hen nicht im Wi­der­spruch zu Uni­ons­recht.

Pla­nungs­recht­liche Be­schrän­kun­gen von Einzelhandelsstand­or­ten

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein völliger Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben durch Festsetzungen eines Bebauungsplans grundsätzlich möglich und zulässig ist. Im Rahmen ihres planerischen Ermessens darf die Gemeinde steuern, ob und in welchem Umfang sie Teile des Gemeindegebiets zur Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben zur Verfügung stellt. Voraussetzung ist, dass städtebauliche Gründe gemäß § 1 Abs. 3 BauGB vorliegen, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben und die Abweichung von der typisierten Baugebietszusammensetzung nach der Baunutzungsverordnung rechtfertigen1. Geklärt ist des Weiteren, dass die Freihaltung eines Gewerbegebietes für produzierende und dienstleistungsorientierte Gewerbebetriebe wie auch die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung in den angrenzenden Wohngebieten legitime städtebauliche Ziele sind, die je nach Planungssituation einen Einzelhandelsausschluss rechtfertigen können. Ein solcher Einzelhandelsausschluss dient der Steuerung der Stadtentwicklung und Bodennutzung und damit dem Schutz der städtischen Umwelt.

Aus Sicht des Unionsrechts stellen planerische Maßnahmen, die dem Schutz der städtischen Umwelt dienen, zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die Beschränkungen im Sinne des Beschränkungsverbots rechtfertigen können. Dass der Schutz der städtischen Umwelt mit den Mitteln der Stadt- und Raumplanung zu den anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehört, lässt sich der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 20102 angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entnehmen. Unabhängig davon, ob die Dienstleistungs-Richtlinie 2006/123/EG3 überhaupt (unmittelbar) anwendbar ist, wird auch dort ausdrücklich sowohl in den Erwägungsgründen 40, 56 und 66 als auch in Art. 4 Nr. 8 DL-RL als Beispiel für „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“, die eine Beschränkung rechtfertigen können, der „Schutz der städtischen Umwelt“ – nach Erwägungsgrund 40 – „einschließlich der Stadt- und Raumplanung“ angeführt. Auf dieser Linie liegt auch das Urteil des Senats vom 16.12.2010: Danach ist eine raumordnungsrechtliche Ansiedlungssteuerung für Einzelhandelsgroßbetriebe unionsrechtlich durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, wenn Ziel der Maßnahme eine effektive Nutzung und Bündelung der öffentlichen Infrastruktur sowie die Vermeidung eines unnötigen Flächen- und Ressourcenverbrauchs durch Zersiedelung und den damit einhergehenden Verkehr ist4.

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Die5, die sich in den Grundaussagen mit den vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 16.12.2010 in Bezug genommenen Schlussanträgen der Generalanwältin Sharpston vom 07.10.2010 deckt6, bestätigt den Befund, dass planungsrechtlich bewirkte Beschränkungen der Standorte von Einzelhandelsbetrieben aus Gründen der Stadtentwicklung und des Verbraucherschutzes grundsätzlich zulässig sind. Diese Entscheidung ist zwar ebenso wie das Urteil des Senats vom 16.12.2010 zu Maßnahmen der raumordnungsrechtlichen Ansiedlungssteuerung ergangen. Für die Rechtfertigung einer Steuerung der Standorte des Einzelhandels mit den Mitteln des Städtebaurechts gelten aber dieselben Grundsätze. Zielt eine Regelung – wie hier – auf den Schutz der städtischen Umwelt, kommt es nicht darauf an, auf welcher planungsrechtlichen Ebene sie ansetzt. Unzulässig sind rein wirtschaftlich motivierte Maßnahmen. Sowohl der Schutz der verbrauchernahen Versorgung, der angesichts der demographischen Entwicklung des besonderen Schutzes bedarf7, als auch die Steuerung der Ansiedlung des produzierenden Gewerbes in einem bestimmten Gebiet sind aber nicht durch wirtschaftliche Gründe motiviert. Der Einzelhandelsausschluss dient vielmehr dem Ziel, die Stadtentwicklung und Bodennutzung zu steuern.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. Mai 2013 – 4 B 3.13

  1. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 4 C 21.07, BVerwGE 133, 310 Rn. 12; Beschlüsse vom 04.10.2007 – 4 BN 39.07 – BRS 71 Nr. 21; vom 10.11.2004 – 4 BN 33.04, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 30; vom 11.05.1999 – 4 BN 15.99 – BRS 62 Nr.19; vom 03.05.1993 – 4 NB 13.93, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 16; und vom 18.12.1989 – 4 NB 26.89, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 7[]
  2. BVerwG, Urteil vom 16.12.2010 – 4 C 8.10, BVerwGE 138, 301[]
  3. Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt – Dienstleistungs-Richtlinie (DL-RL) -, ABl EG Nr. L 376 S. 36[]
  4. BVerwG, Urteil vom 16.12.2010 a.a.O. Rn. 23[]
  5. EuGH, Urteil vom 24.03.2011 – C-400/08 [Kommission/Spanien], Slg. 2011, I-1915[]
  6. BVerwG, Beschluss vom 21.05.2013 – 4 B 59.12 -[]
  7. vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 – 4 C 2.08, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 210 Rn. 8[]
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