Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist kein im Verhältnis zum Unterlassungsanspruch unselbständiger Nebenanspruch, der als solcher das Schicksal des Hauptanspruchs teilt. Der Anspruch ist nur insofern unselbständig, als er dann nicht entsteht, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung kein Unterlassungsanspruch (mehr) besteht und die Abmahnung daher unberechtigt ist.

Der beim Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs entstandene Erstattungsanspruch besteht dagegen alsdann unabhängig davon fort, ob der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch fortbesteht1.
Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist auf das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht abzustellen2. Die Frage, ob eine bis zum 31.11.2020 ausgesprochene Abmahnung berechtigt war, ist daher nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in der bis zum 1.12.2020 geltenden Fassung (aF) zu beantworten.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist dabei kein im Verhältnis zum Unterlassungsanspruch unselbständiger Nebenanspruch, der als solcher das Schicksal des Hauptanspruchs teilt. Der Anspruch ist nur insofern unselbständig, als er dann nicht entsteht, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung kein Unterlassungsanspruch (mehr) besteht und die Abmahnung daher unberechtigt ist. Der beim Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs entstandene Erstattungsanspruch besteht dagegen alsdann unabhängig davon fort, ob der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch fortbesteht, durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erloschen ist3 oder der späteren gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs – wie hier – die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage entgegensteht4.
Diese Selbständigkeit des Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten hat das Berufungsgericht verkannt. Es ist zwar noch zutreffend davon ausgegangen, dass auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF abzustellen ist. Es hat dann aber rechtsfehlerhaft angenommen, die – spätere – rechtsmissbräuchliche Klageerhebung verwehre der Klägerin nicht nur die gerichtliche Durchsetzung der von ihr geltend gemachten Unterlassungsansprüche, sondern führe auch zum Entfallen der Berechtigung der vorausgegangenen Abmahnung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF und stehe damit dem Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Abmahnung entgegen. Damit hat es für die Frage der Begründetheit des Anspruchs rechtsfehlerhaft nicht allein auf den Zeitpunkt der Abmahnung abgestellt, sondern angenommen, der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten baue auf dem Unterlassungsanspruch auf und teile dessen Schicksal.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Januar 2022 – I ZR 7/21
- Fortführung BGH, Urteil vom 21.01.2021 – I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 Rn. 34 = WRP 2021, 746 – Berechtigte Gegenabmahnung[↩]
- BGH, Urteil vom 15.04.2021 – I ZR 134/20, GRUR 2021, 979 Rn. 36 = WRP 2021, 895 – Testsiegel auf Produktabbildung, mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2021 – I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 Rn. 34 = WRP 2021, 746 – Berechtigte Gegenabmahnung[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2012 – I ZR 199/10, GRUR 2013, 307 Rn. 11 = WRP 2013, 329 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung[↩]