Zu der im Rahmen von §§ 2, 5 RDG bedeutsamen Frage, ob eine Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft oder als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit anzusehen ist, hat jetzt der Bundesgerichtshof Stellung genommen:

Ein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt1.
Da im vorliegenden Fall eine ständige haupt- oder nebenberufliche Inkassotätigkeit der Klägerin nicht in Rede steht, kommt es allein darauf an, ob die Forderungseinziehung durch die Klägerin lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt. Für die Abgrenzung zu einer Hauptleistung sind auch im Rahmen des eigenständigen Geschäfts nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG die in § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG genannten Kriterien maßgeblich2.
Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung, ob lediglich eine Nebenleistung vorliegt, rechtsfehlerhaft alleine auf den Zusammenhang der Forderungseinziehung durch die Klägerin mit einer von ihr erbrachten Hauptleistung abgestellt und damit die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG weiter zu berücksichtigenden Kriterien (Inhalt und Umfang der Tätigkeit; Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind) nicht in den Blick genommen. Ferner hat es rechtsfehlerhaft angenommen, dass von einer Nebenleistung nur dann gesprochen werden könne, wenn diese mit einer Hauptleistung in unmittelbarem Zusammenhang stehe. Wie die Revision zu Recht ausführt, erfordert die Zulässigkeit von Nebenleistungen nach § 5 Abs. 1 RDG – anders als nach Art. 1 § 5 RBerG3 – keinen unmittelbaren, unlösbaren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit mehr; ausreichend ist vielmehr, dass die Rechtsdienstleistungen zu der jeweiligen Haupttätigkeit gehören4. Der sachliche Zusammenhang mit der Haupttätigkeit setzt auch nicht voraus, dass die Hauptleistung ohne die Nebenleistung nicht mehr sachgerecht ausgeführt werden kann5. Die vom Berufungsgericht befürchtete Umgehung des RDG wird schon dadurch vermieden, dass – auch wenn § 5 RDG eine weitergehende Zulassung von Nebenleistungen als Art. 1 § 5 RBerG ermöglichen soll6 – stets eine innere, inhaltliche Verbindung zur Haupttätigkeit erforderlich ist, sodass rechtsdienstleistende Nebenleistungen nicht beliebig vereinbart werden können7, und dass die Nebenleistung zudem nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören muss.
Im hier entschiedenen Fall betreibt die Klägerin die Einziehung der Forderung auf Rechnung des Zedenten als eigenständiges und damit gem. § 3 RDG erlaubnispflichtiges Geschäft, weil sie die Forderung nach den in § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG genannten Kriterien nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit einzieht.
Maßgeblich für die Einordnung der Forderungseinziehung ist, ob die Rechtsdienstleistung nach der Verkehrsanschauung ein solches Gewicht innerhalb der Gesamtleistung hat, dass nicht mehr von einer bloßen Nebenleistung ausgegangen werden kann. § 5 RDG soll nur Anwendung finden, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung selbst nicht wesentlicher Teil der Hauptleistung ist. Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss – soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt – stets auf nicht rechtlichem Gebiet liegen8. Entscheidend ist, ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtdienstleistung ein solches Gewicht hat, dass ihre Erbringung die Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erfordert. Hierfür kann die zum RBerG entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs9 herangezogen werden4.
Der Inhalt der rechtsdienstleistenden Tätigkeit wird maßgeblich durch die – objektiv zu beurteilende – Bedeutung der Rechtsfrage für den Rechtsuchenden bestimmt7. So wird bei der Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen hinsichtlich der Einziehung von Kundenforderungen durch Vermieter von Ersatzfahrzeugen danach differenziert, ob die Schadensersatzforderung dem Grunde oder lediglich der Höhe nach im Streit steht10. Die Regulierung dem Grunde nach streitiger Schadensfälle ist keine nach § 5 Abs. 1 RDG zulässige Nebenleistung der Vermieter von Ersatzfahrzeugen, weil die Klärung der Verschuldensfrage für den Unfallgeschädigten von so essentieller Bedeutung ist, dass sie stets im Vordergrund steht11.
Nichts anderes gilt im vorliegend entschiedenen Fall für die dem Grunde nach streitige Schadensersatzforderung der Klägerin wegen angeblicher Pflichtverletzung der Beklagten aus einem zwischen ihr und dem Zedenten geschlossenen Anlageberatungsvertrag. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin, der der Bezeichnung ihres Geschäftsgegenstandes im Handelsregister entspricht, besteht ihre Haupttätigkeit lediglich darin, geschädigte Kapitalanleger zu unterstützen, ihre Interessen zu bündeln, Informationen zu beschaffen und für Interessengemeinschaften geschädigter Kapitalanleger zu recherchieren. Vor diesem Hintergrund ist die Klärung des Bestehens des behaupteten Schadensersatzanspruchs gegenüber der beklagten Bank für den Zedenten von solcher Bedeutung, dass sie nicht nur von untergeordneter Bedeutung und damit Nebenleistung ist. Dies gilt umso mehr, als der Zedent nach der vertraglichen Ausgestaltung nur bei erfolgreicher Geltendmachung der Forderung am Erlös beteiligt wird.
Auch die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG zu berücksichtigenden Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind, sprechen dagegen, die Forderungseinziehung als Nebenleistung anzusehen.
Das Tatbestandsmerkmal der beruflichen Qualifikation wirkt nach dem Willen des Gesetzgebers bei Berufen, die keine oder nur geringe rechtliche Kenntnisse erfordern, in erheblicher Weise einschränkend7. Je geringer – bei typisierender Betrachtung12 – die für die nicht rechtsdienstleistende Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse sind, umso kleiner ist die Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstnebenleistungen auf diesem Gebiet13. Über die für die Haupttätigkeit erforderliche berufliche Qualifikation wird so ein gewisser Mindestqualitätsstandard auch für die rechtliche Beratung als Nebenleistung gewährleistet14.
Vorliegend erbringt die Klägerin diese mit der Bündelung von Interessen geschädigter Kapitalanleger, der Informationsbeschaffung und Recherche eine lediglich auf wirtschaftlichem und organisatorischem Gebiet liegende Haupttätigkeit. Da für diese Tätigkeit bei der gebotenen objektiven Betrachtung keine nennenswerten Rechtskenntnisse erforderlich sind, ist die Möglichkeit, erlaubnisfrei über § 5 Abs. 1 RDG annexe Rechtsdienstleistungen anzubieten, beschränkt und umfasst nicht die streitgegenständliche Forderungseinziehung. Denn diese erfordert, auch wenn die Klägerin ihrem Vortrag zufolge vor dem Erwerb einer Forderung deren Bestand nicht prüft, eine solche Prüfung schon wegen des Kostenrisikos einer erfolglosen Inanspruchnahme des Schuldners jedenfalls vor ihrer Geltendmachung. Hierzu sind – nicht über die Haupttätigkeit der Klägerin vermittelte – vertiefte Rechtskenntnisse erforderlich.
Dieses Ergebnis steht auch mit dem Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes in Einklang. Ausweislich der Begründung soll der Verbraucher vor den oft weitreichenden Folgen unqualifizierten Rechtsrats geschützt werden15. Daher wird das als eigenständiges Geschäft betriebene Forderungsinkasso nach § 2 Abs. 2 RDG unabhängig vom Vorliegen der in § 2 Abs. 1 RDG normierten Voraussetzung einer besonderen Rechtsprüfung unter Erlaubnisvorbehalt gestellt16. Trägt der zedierende Verbraucher aber wie im vorliegenden Fall das Ausfallrisiko, weil er erst nach erfolgreichem Vorgehen der Zessionarin gegen die vermeintliche Schuldnerin Aussicht auf jedenfalls einen Teilbetrag der Forderung hat, muss ihm daran gelegen sein, dass derjenige, der die Forderung auf seine Rechnung geltend macht, ausreichend qualifiziert ist. Dem dient das Registrierungserfordernis des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, das die Klägerin jedoch unstreitig nicht erfüllt.
Demgegenüber beruft sich die Klägerin ohne Erfolg darauf, sie wolle ausweislich des Handelsregisterauszugs keine Rechtsberatungsleistungen erbringen. Ob eine (erlaubte) Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG oder eine (erlaubnispflichtige) Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG vorliegt, ist objektiv anhand der Kriterien des § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG4 und nicht nach vertraglichen Vereinbarungen17 oder nach Erklärungen gegenüber öffentlichen Stellen zu bestimmen.
Der Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Fall 2, § 3 RDG hat, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, zur Folge, dass die Abtretung der Klageforderung gemäß § 134 BGB nichtig ist.
Schon unter Geltung des RBerG waren nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG verstoßende schuldrechtliche, aber auch Verfügungsverträge wie die Abtretung einer Forderung gem. § 134 BGB nichtig18. Hieran sollte sich nach dem mehrfach erklärten Willen des Gesetzgebers19 durch das Rechtsdienstleistungsgesetz nichts ändern, insbesondere hat der nicht nach § 10 RDG registrierte Zessionar weiterhin seine Forderungsinhaberschaft darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass er nicht lediglich – wie im vorliegenden Fall – zu Einziehungszwecken erworben hat20. Soweit sich die gegenteilige Ansicht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruft21, übersieht sie, dass die dortigen Beschwerdeführer – anders als die hiesige Klägerin – eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz besaßen und somit die Prüfung der für die Forderungseinziehung nötigen Sachkunde bestanden hatten.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht aus einer verfassungskonformen Auslegung der Normen des RDG. Schon der Erlaubnisvorbehalt des RBerG war verfassungsgemäß22. Gleiches gilt für die nunmehr in § 3 RDG statuierte Erlaubnispflicht. Die Nichtigkeit hiergegen verstoßender Rechtsgeschäfte, insbesondere der nur zu Einziehungszwecken im Rahmen eines eigenständigen Geschäfts an ein nicht registriertes Unternehmen vorgenommenen Abtretung entspricht dem Schutzzweck des RDG. Hingegen bleibt der der Berufsfreiheit Rechnung tragende Zweck des § 5 RDG als der zentralen Erlaubnisnorm23, Berufe, die ohne gleichzeitige Rechtsberatung nicht ausgeübt werden können, nicht am RDG scheitern zu lassen, vom Erlaubnisvorbehalt unberührt24.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. Oktober 2012 – XI ZR 324/11
- BT-Drucks. 16/3655, S. 49; Grunewald/Römermann, RDG, § 2 Rn. 100; Lettl, WM 2008, 2233, 2234; Mann, ZIP 2011, 2393, 2396; OffermannBurckart in Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, § 2 Rn. 126[↩]
- Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2010, 168, 169[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 31.01.2012 – VI ZR 143/11, WM 2012, 1082 Rn. 10[↩]
- BT-Drucks. 16/3655, S. 52[↩][↩][↩]
- BT-Drucks. 16/3655, S. 54; BGH, Urteil vom 04.11.2010 – I ZR 118/09, WM 2011, 1772 Rn. 35[↩]
- BGH, Urteil vom 04.11.2010 – I ZR 118/09, WM 2011, 1772 Rn. 42; BT-Drucks. 16/3655, S. 38[↩]
- BT-Drucks. 16/3655, S. 54[↩][↩][↩]
- vgl. BT-Drucks. 15/3655, S. 52 sowie BGH, Urteile vom 06.10.2011 – I ZR 54/10, WM 2012, 356 Rn. 23 und vom 31.01.2012 – VI ZR 143/11, WM 2012, 1082 Rn. 11[↩]
- insbesondere Urteile vom 11.11.2004 – I ZR 213/01, WM 2005, 412 und vom 24.02.2005 – I ZR 128/02, WM 2005, 1046[↩]
- BT-Drucks. 16/3655, S. 47; BGH, Urteile vom 31.01.2012 – VI ZR 143/11, WM 2012, 1082 Rn. 13 ff. und vom 11.09.2012 – VI ZR 297/11, juris Rn. 16[↩]
- so auch Henssler/Deckenbrock, EWiR 2012, 187, 188[↩]
- vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 54[↩]
- vgl. Johnigk in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 5 RDG Rn. 23[↩]
- vgl. Hirtz in Grunewald/Römermann, RDG, § 5 Rn. 51; KleineCosack, Rechtsdienstleistungsgesetz, 2. Aufl., § 5 Rn. 69; Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, § 5 Rn. 40; Unseld/Degen, Rechtsdienstleistungsgesetz, § 5 Rn. 18[↩]
- BT-Drucks. 16/3655 S. 31, 38; BGH, Urteile vom 29.07.2009 – I ZR 166/06, WM 2009, 1953 Rn.20 und vom 04.11.2010 – I ZR 118/09, WM 2011, 1772 Rn. 25[↩]
- BT-Drucks. 16/3655 S. 35 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 04.11.2010 – I ZR 118/09, WM 2011, 1772 Rn. 34[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 25.11.2008 – XI ZR 413/07, WM 2009, 259 Rn. 14 mwN[↩]
- BT-Drucks. 16/3655, S. 31, 43, 49, 51[↩]
- BT-Drucks. 16/3655, S. 49; Weth in Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 3. Aufl., § 2 RDG Rn. 61[↩]
- BVerfG, WM 2002, 976; ähnlich BVerfG WM 2004, 1886[↩]
- vgl. dazu die Nachweise bei BGH, Urteil vom 25.11.2008 – XI ZR 413/07, WM 2009, 259 Rn. 14[↩]
- BT-Drucks. 16/3655, S. 37 f., 47[↩]
- BGH, Urteil vom 29.07.2009 – I ZR 166/06, WM 2009, 1953 Rn. 24[↩]