Der Bundesgerichtshof hat das bei ihm anhängige Verfahren zur Rechtmäßigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen zunächst dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.

In dem beim Bundesgerichtshof anhängigen Rechtsstreit verlangt der Kläger von der beklagten Bundesrepublik Deutschland, es zu unterlassen, beim Besuch der vom Bund betriebenen Internetseiten seine IP-Adressen zu speichern. Bei IP-Adressen handelt es sich um Ziffernfolgen, die bei jeder Einwahl vernetzten Computern zugewiesen werden, um deren Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Bei den meisten allgemein zugänglichen Internetportalen des Bundes werden alle Zugriffe in Protokolldateien festgehalten mit dem Ziel, Angriffe abzuwehren und die strafrechtliche Verfolgung von Angreifern zu ermöglichen. Dabei werden unter anderem der Name der abgerufenen Seite, der Zeitpunkt des Abrufs und die IP-Adresse des zugreifenden Rechners über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus gespeichert. Der Kläger rief in der Vergangenheit verschiedene solcher Internetseiten auf.
Mit seiner Klage begehrt er, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern. Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Tiergarten hat die Klage abgewiesen1. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht Berlin dem Kläger den Unterlassungsanspruch nur insoweit zuerkannt, als er Speicherungen von IP-Adressen in Verbindung mit dem Zeitpunkt des jeweiligen Nutzungsvorgangs betrifft und der Kläger während eines Nutzungsvorgangs seine Personalien angibt2. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.
Der Bundesgerichtshof hat nun beschlossen, das bei ihm anhängige Revisionsverfahren zunächst auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, die die Auslegung der EG-Datenschutz-Richtlinie betreffen:
- Der Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass es sich bei den dynamischen IP-Adressen für die verantwortlichen Stellen der Beklagten, die die Adressen speichern, um „personenbezogene Daten“ handelt, die von dem durch die Richtlinie harmonisierten Datenschutzrecht geschützt werden. Das könnte in den Fällen, in denen der Kläger während eines Nutzungsvorgangs seine Personalien nicht angegeben hat, fraglich sein. Denn nach den getroffenen Feststellungen lagen den verantwortlichen Stellen keine Informationen vor, die eine Identifizierung des Klägers anhand der IP-Adressen ermöglicht hätten. Auch durfte der Zugangsanbieter des Klägers den verantwortlichen Stellen keine Auskunft über die Identität des Klägers erteilen. Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof deshalb die Frage vorgelegt, ob Art. 2 Buchstabe a der EG-Datenschutz-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass eine IP-Adresse, die ein Diensteanbieter im Zusammenhang mit einem Zugriff auf seine Internetseite speichert, für diesen schon dann ein personenbezogenes Datum darstellt, wenn lediglich ein Dritter über das zur Identifizierung der betroffenen Person erforderliche Zusatzwissen verfügt.
- Geht man von „personenbezogenen Daten“ aus, so dürfen die IP-Adressen des Nutzers nicht ohne eine gesetzliche Erlaubnis gespeichert werden (§ 12 Abs. 1 TMG), wenn – wie hier – eine Einwilligung des Nutzers fehlt. Nach dem für die rechtliche Prüfung maßgebenden Vortrag der Beklagten ist die Speicherung der IP-Adressen zur Gewährleistung und Aufrechterhaltung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit ihrer Telemedien erforderlich. Ob das für eine Erlaubnis nach § 15 Abs. 1 TMG ausreicht, ist fraglich. Systematische Erwägungen sprechen dafür, dass diese Vorschrift eine Datenerhebung und verwendung nur erlaubt, um ein konkretes Nutzungsverhältnis zu ermöglichen, und dass die Daten, soweit sie nicht für Abrechnungszwecke benötigt werden, mit dem Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs zu löschen sind. Art. 7 Buchstabe f der EG-Datenschutz-Richtlinie könnte aber eine weitergehende Auslegung gebieten. Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof deshalb die Frage vorgelegt, ob die EG-Datenschutz-Richtlinie einer Vorschrift des nationalen Rechts mit dem Inhalt des § 15 Abs. 1 TMG entgegen steht, wonach der Diensteanbieter personenbezogene Daten eines Nutzers ohne dessen Einwilligung nur erheben und verwenden darf, soweit dies erforderlich ist, um die konkrete Inanspruchnahme des Telemediums durch den jeweiligen Nutzer zu ermöglichen und abzurechnen, und wonach der Zweck, die generelle Funktionsfähigkeit des Telemediums zu gewährleisten, die Verwendung nicht über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus rechtfertigen kann.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 135/13