Auch wenn ein Reitlehrer seine Pflichten dadurch verletzt hat, dass er seiner Schülerin nicht gebot, langsamer zu reiten während eine Stute mit ihrem Folen die Reithalle durchquert, fehlt es jedoch an einem zurechenbaren Kausalzusammenhang zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung des Reitlehrers und dem Sturz der Schülerin, wenn der Wallach erst ausgebrochen ist, nachdem das Tor bereits wieder geschlossen war.

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt in dem hier vorliegenden Fall Schadensersatzansprüche gegen einen Reitlehrer zurückgewiesen, dessen Schülerin, eine Finanzbeamtin, vom Pferd stürzte und sich dabei erheblich verletzte. Die Finanzbeamtin erhielt in einer Reithalle in Hessen von dem beklagten Reitlehrer Einzelunterricht. Sie ritt auf einem 18-jährigen Wallach im Trab auf einer Kreisbahn in einer Hälfte der Reithalle. Der Reitlehrer, der auch Halter des Pferdes ist, stand in der Mitte des Zirkels. In der anderen Hälfte der Reithalle wurde zur selben Zeit von der Ehefrau des Beklagten eine Stute in Begleitung ihres freilaufenden Fohlens geführt. Stute und Fohlen verließen die Halle durch ein Tor und durchquerten dabei den Zirkel, in dem die Finanzbeamtin ritt. Im Zusammenhang damit änderte der Wallach abrupt seine Richtung und brach aus dem Zirkel aus. Hierdurch stürzte die Finanzbeamtin vom Pferd und erlitt einen Bruch eines Lendenwirbels. Das Land Hessen, bei dem die Finanzbeamtin beschäftigt ist, nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht wegen der angefallenen Arztkosten und des während der Erkrankung der Beamtin fortgezahlten Gehalts in Anspruch. Das Landgericht Limburg1 wies die Klage nach einer Beweisaufnahme über den Unfallhergang mit der Begründung ab, der Reitlehrer hafte nicht, weil eine etwaige Sorgfaltspflichtverletzung, die ihm zur Last gelegt werden müsse, nicht ursächlich für den Unfall gewesen sei. Dagegen hat das Land Hessen Berufung eingelegt.
Nach einer ergänzenden Befragung eines Sachverständigen ist auch das Oberlandesgericht Frankfurt zu der Überzeugung gelangt, dass gegen den Reitlehrer kein Schadensersatzanspruch besteht. Zwar habe der Beklagte seine Pflichten als Reitlehrer dadurch verletzt, dass er seine Schülerin weiter traben ließ, während die Stute und ihr Fohlen den Zirkel durchgequerten und die Halle durch das Tor verließen. In dieser Situation hätte er seine Schülerin zumindest auffordern müssen, lediglich im „Schritt“ – also langsamer – weiterzureiten. Diese Vorsichtsmaßnahme sei deshalb geboten gewesen, weil in dieser Situation, die naheliegende Möglichkeit bestehe, dass das trabende Pferd wegen seines Herdentriebes mit einer plötzlichen Richtungsänderung den anderen nachfolgen wolle. Damit sei eine Gefährdung für den Reiter verbunden, wenn er im Trab oder Galopp reite, weil bei hohem Tempo eine unvorhergesehene Richtungsänderung des Pferdes vom Reiter nicht in jedem Falle durch Körperverlagerung aufgefangen werden und er deshalb stürzen könne. Demgegenüber sei im Schritt eine solche Richtungsänderung des Pferdes in der Regel auffangbar. Es fehle jedoch ein zurechenbarer Kausalzusammenhang zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten und dem Sturz. Da der Wallach erst ausgebrochen sei, nachdem das Tor bereits wieder geschlossen war, sei davon auszugehen, dass er dies auch dann getan hätte, wenn die Schülerin auf Anweisung des Beklagten zunächst im Schritt und erst nach Schließen des Tores wieder angetrabt wäre. Der Wallach sei nämlich erst ausgebrochen, nachdem das Tor bereits wieder geschlossen gewesen war.
Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 24. Mai 2013 – 4 U 162/12
- LG Limburg, Urteil vom 18.06.2012 – 1 O 373/11[↩]
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