Kann ein versenkbarer Straßenpoller automatisch wieder hochfahren, muss der Betreiber durch klare Hinweise darüber informieren oder durch entsprechende Technik oder Überwachung sicherstellen, dass dies nicht während des Herüberfahrens eines Autos passiert.

So hat aktuell das Landgericht Lübeck einen Betreiber kürzlich zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet: Ein Mann hielt mit einem Abschleppfahrzeug vor einem versenkbaren Straßenpoller auf einer Grundstückszufahrt. Vor dem Poller steht ein Schild „Automatische Polleranlage – Nur Einzeldurchfahrt zulässig“. Der Mann fragt, ob er durchfahren kann, woraufhin der Poller im Boden versenkt wird. Der Mann fährt los, dann passiert es: Nach einigen Sekunden fährt der Poller automatisch wieder hoch und trifft das Abschleppfahrzeug. Der Mann verlangt Schadensersatz, aber die Betreiberin des Pollers und deren Versicherung weigern sich.
Das Landgericht Lübeck verurteilte die Betreiberin zum Schadensersatz. Der Poller hatte keine technischen Geräte wie Lichtschranken oder Kontaktschleifen, die verhindern, dass er in dem Moment hochfährt, in dem ein Auto darüberfährt. Der Betreiber hätte eine richtige Nutzung des Pollers sicherstellen müssen. Es stimme zwar, dass man normalerweise schnell über den Poller fährt. Aber es gebe viele Gründe, warum das nicht immer möglich sei (zum Beispiel, wenn Kinder auf der Straße sind). Durch das Schild mit dem Hinweis „Nur Einzeldurchfahrt zulässig“ habe die Betreiberin nicht ausreichend vor der Gefahr gewarnt. Wer eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, muss die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Wer sich mit den Gefahren eines Straßenpollers nicht ausreichend auseinandersetzt oder keine geeigneten Vorsichtsmaßnahmen trifft, muss Schadensersatz zahlen.
Die Eigentumsverletzung basiert kausal auf einer Verletzung der die Polleranlagenbetreiberin treffenden Verkehrssicherungspflicht.
Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind1. Die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen richten sich nach der Art der jeweiligen Gefahrenquelle und den Umständen der Umgebung, in der sich die Gefahrenquelle befindet2.
Ist eine dem öffentlichen Verkehr zugängliche Straße mit einem versenkbaren Straßenpoller ausgestattet, hat der Betreiber der Anlage den Durchfahrtsverkehr vor den typischerweise von einer derartigen Anlage ausgehenden Gefahren zu schützen. Diese Gefahren liegen zum einen in der Erkennbarkeit der Anlage und zum anderen in der Aufwärtsbewegung des Pollers. Um Schäden durch eine Kollision zwischen Poller und Fahrzeugen vorzubeugen, hat der Betreiber einer versenkbaren Polleranlage entweder entsprechende technische Vorkehrungen zu treffen oder durch andere geeignete Maßnahmen eine ordnungsgemäße Nutzung durch den Durchfahrtsverkehr sicherzustellen. Auch wenn die Verbreitung versenkbarer Poller im Straßenraum zunimmt, gelten die Verkehrssicherungspflichten eines Betreibers mit Blick auf die individuelle Anlage insbesondere zum Schutz ortsunkundiger Verkehrsteilnehmern3.
Diesen Anforderungen wird die von der Anlagenbetreiberin betriebene Polleranlage bezüglich der Aufwärtsbewegung nicht gerecht.
Unstreitig fährt der Poller nach dem Absenken nach einer bestimmten, voreingestellten Zeitspanne automatisch zurück nach oben in seine Ausgangsposition. Die Parteien haben die Zeitspanne mit 11 bzw. 15 Sekunden angegeben. In der mündlichen Verhandlung hat sich mit Blick auf das von der Fahrzeughalterseite eingereichte Video gezeigt, dass der Poller tatsächlich nach 11 Sekunden hochfährt. Hierauf kommt es im Ergebnis jedoch nicht an. Auf das individuelle Verkehrsgeschehen kann der Poller unstreitig technisch nicht reagieren. Vor dem Poller befindet sich ein Hinweisschild mit der Aufschrift „Automatische Polleranlage – Nur Einzeldurchfahrt zulässig“.
Die technische Ausgestaltung der Anlage in Verbindung mit der gewählten Beschilderung reichen nicht aus, um den Durchfahrtsverkehr in angemessener Weise vor Kollisionen zu schützen.
Da die Anlage nicht über technische Vorkehrungen wie Lichtschranken oder Kontaktschleifen verfügt, die verhindern, dass der Poller bei einem herannahenden oder über dem Poller befindlichen Fahrzeug nicht hochfährt, hätte die Polleranlagenbetreiberin durch geeignete Maßnahmen eine ordnungsgemäße Nutzung durch den Durchfahrtsverkehr sicherstellen müssen. Dies geschieht nicht durch das vor der Anlage aufgestellte Hinweisschild. Denn das Schild enthält weder die Information, dass der Poller überhaupt ausschließlich nach Zeitablauf hochfährt, noch wie groß der eingestellte Zeitkorridor bemessen ist. Mit dem Hinweis „Nur Einzeldurchfahrt zulässig“ legt das Schild vielmehr gegenteilig die Vermutung nahe, dass ein automatischer Mechanismus existiere, durch den der Poller nach vollständiger Durchfahrt eines Fahrzeugs automatisch nach oben fahre, weil die Einzeldurchfahrt technisch erkannt werden. Auf einen vorgegebenen Zeitmechanismus schließt der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer aufgrund dieses Hinweises nicht.
Anders als die Polleranlagenbetreiberin meint, führt ein entsprechender Hinweis auch nicht zu einer Übersicherung und unübersichtlichen Beschilderung der Anlage. Denn die Anlage ist bereits mit einem Hinweisschild versehen, dem allerdings nicht die relevante Information entnommen werden kann.
Der – isoliert betrachtet sicherlich zutreffende – Einwand der Polleranlagenbetreiberin, ein Kraftfahrzeug benötige regelmäßig nur wenige Sekunden, um den abgesenkten Poller vollständig zu passieren, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Denn mit der regelmäßigen Durchfahrt stellt die Polleranlagenbetreiberin auf den Normalfall ab. Sie berücksichtigt aber nicht das individuelle Verkehrsgeschehen, das im Einzelfall zu einer Abweichung vom Normalfall führen kann. So ist es bspw. naheliegend, dass eine Durchfahrt durch die Polleranlage innerhalb weniger Sekunden deshalb nicht möglich ist, weil sich in der Zufahrt auf das Grundstück ein Rückstau bildet, der den Kraftfahrzeugführer zwingt, in einer Position über dem abgesenkten Poller zu verbleiben, oder weil sich Kinder der auf dem Grundstück befindlichen Schule oder dem Kindergarten auf der Straße befinden. Ebenso ist denkbar, dass insbesondere ortsunkundige Fahrer, die sich für eine Durchfahrt bei der Verwaltung anmelden, nicht unmittelbar nach Herunterfahren des Pollers losfahren und deshalb den voreingestellten Zeitkorridor nicht einhalten können.
Die Polleranlagenbetreiberin hat ihre Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt. Der Polleranlagenbetreiberin waren die Verkehrssituation auf ihrem Grundstück und die Einstellung der Polleranlage bekannt. Mit den daraus resultierenden Gefahren für den Durchfahrtsverkehr hat sie sich – obwohl erkennbar – nicht in hinreichendem Maße auseinandergesetzt oder die erforderlichen Schlussfolgerungen in Form vorbeugender Maßnahmen nicht gezogen.
Der Fahrzeughalter muss sich kein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB anspruchsmindernd anrechnen lassen.
Die allgemeine Betriebsgefahr des Fahrzeugs tritt hinter die schuldhafte Pflichtverletzung der Polleranlagenbetreiberin zurück.
Ein im Rahmen der Haftungseinheit zwischen Kfz-Halter und -Fahrer zu berücksichtigendes Mitverschulden des Fahrers kann nicht festgestellt werden4. Mit Blick auf die vorstehend beschriebene Verkehrssicherungspflicht kann der Umstand, dass das Abschleppfahrzeug nicht sofort nach Versenken des Pollers im Boden über diesen hinweg gefahren ist, kein Mitverschulden begründen. Eine dahingehende Obliegenheit, unverzüglich über einen versenkten Poller hinweg zu fahren, besteht nicht.
Landgericht Lübeck, Urteil vom 26. Juli 2024 – 10 O 310/23
- BGH vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11[↩]
- LG Lübeck vom 02.05.2024 – 14 S 68/23[↩]
- OLG Nürnberg vom 08.07.2013 – 4 U 414/13; OLG Hamm vom 26.05.2009 – 9 U 109/07; OLG Hamm vom 03.07.1998 – 9 U 36/98; OLG Saarbrücken vom 31.08.2004 – 3 U 748/03[↩]
- zur Haftungseinheit BGH vom 26.04.1966 – VI ZR 221/64[↩]
Bildnachweis:
- Versenkbare Straßenpoller: GeorgHH | GFDL GNU Free Documentation License 1.2