Die Bürgschaft zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts

Wie ist eine Vereinbarung über die Stellung einer Sicherheit auszulegen, die allein der Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts dient? Jedenfalls kann der Sicherungsgeber nach Eintritt der Abrechnungsreife unmittelbar auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde zu klagen. Im Rahmen der Herausgabeklage ist sodann zu prüfen, ob die von der Sicherungsnehmerin geltend gemachten Forderungen berechtigt sind.

Die Bürgschaft zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts

Die Sicherungsvereinbarung der Parteien diente einerseits dem Zweck, der Beklagten eine Sicherung für die von ihr geltend gemachten, aber bestrittenen Forderungen zu gewähren. Andererseits ermöglichte sie der Klägerin, ein Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht der Beklagten entsprechend § 10 des Vertrags abzuwehren und damit das Bauvorhaben ungestört fortzuführen. Letzterer Zweck ist entfallen, seitdem der Vertrag von beiden Parteien gekündigt worden ist. Mit der beidseitigen Kündigung ist zudem Abrechnungsreife für die Arbeiten der Beklagten eingetreten, so dass die Berechtigung der von der Beklagten geltend gemachten Forderungen geprüft werden kann. Soweit die Parteien in diesem Zusammenhang von einem „nachfolgenden Verfahren“ ausgegangen sind, könnte dies ein von der Beklagten eingeleitetes Klageverfahren auf Zahlung der geschuldeten Vergütung, eine negative Feststellungsklage der Klägerin oder auch wie hier eine Klage der Klägerin auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde sein. In allen Verfahren ist zu prüfen, ob und inwieweit die von der Beklagten geltend gemachten Vergütungen berechtigt sind. Ob die Interessenlage der Parteien es gebietet, über die Frage des Bestehens von Vergütungsforderungen der Beklagten eine rechtskräftige Entscheidung herbeizuführen, kann dahingestellt bleiben, da die Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO beiden Parteien dies auch im Rahmen einer Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde ermöglicht.

Die Darlegungslast richtet sich grundsätzlich nach der Beweislast. Für die Beweislast gilt: Jede Partei, die eine Rechtsfolge begehrt, trifft die Beweislast für rechtsbegründende Tatsachen; die Gegenpartei trägt die Beweislast für rechtshindernde, rechtshemmende und rechtsvernichtende Tatsachen. Ob eine Tatsache rechtsbegründend oder rechtshindernd ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht1. Dieser Ansatz führt zur Sicherungsvereinbarung der Parteien als Anspruchsgrundlage für den Herausgabeanspruch, deren anspruchsbegründende Voraussetzungen durch Auslegung zu ermitteln sind.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Juni 2014 – VII ZR 289/12

  1. BGH, Urteil vom 14.01.1991 – II ZR 190/89, BGHZ 113, 222, 225; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 286 Rn. 62, 65; MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 286 Rn. 112, 113[]

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