Hat sich Jemand freiwillig auf einen Paartanz eingelassen, muss er mit den üblicherweise beim Paartanz zur Anwendung kommenden Tanzschritten und Drehungen der Tanzpartner rechnen. Für die Folgen eines Tanzunfalls kann er keinen Schadensersatz verlangen.

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dem hier vorliegenden Fall die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt bestätigt und dem Begehren der Klägerin keinen Erfolg beschieden. Die Klägerin und der Beklagte sind miteinander bekannt und befanden sich gemeinsam auf einer Geburtstagsfeier. Die Klägerin tanzte kurz nach Mitternacht allein auf der Tanzfläche, als der Beklagte sie an ihren Händen ergriff und zum gemeinsamen Paartanz aufforderte. Die Klägerin äußerte, dass sie nicht tanzen könne und „das Ganze zu schnell für sie“ sei. Der Beklagte hielt sie weiter an ihren Händen fest; er begann sie zu führen und zu drehen. Als der Beklagte die Klägerin bei einer schwungvollen Drehbewegung losließ, wohl um selbst eine Drehung auszuführen, verlor die Klägerin das Gleichgewicht und stürzte auf den Boden. Hierbei verletzte sie sich erheblich. Die Klägerin begehrt nunmehr vom Beklagten Schadensersatz für die Folgen des Tanzunfalls. Das Landgericht Darmstadt1 hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte unter keinem Gesichtspunkt für die Folgen des gemeinsamen Tanzes einzustehen habe. Dagegen ist Berufung eingelegt worden.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main besteht grundsätzlich beim Tanz die Gefahr eines Sturzes und war in diesem Fall für alle Beteiligten, insbesondere für die Klägerin aufgrund ihrer fehlenden Paartanzkenntnisse, gleichermaßen erkennbar. Die Unfallfolgen seien dem Beklagten haftungsrechtlich nicht zuzurechnen. Im Unterschied zur Haftung für einen Schaden, der einem außenstehenden Dritten zugeführt werde, stehe vorliegend die eigene freie Willensentscheidung der Klägerin im Vordergrund. Zwar sei die Initiative zum Paartanz eindeutig und „wenig einfühlsam“ vom Beklagten ausgegangen. Die Klägerin habe sich jedoch letztlich freiwillig hierauf eingelassen. Sie habe nicht klar und ausdrücklich erklärt, mit dem Beklagten nicht tanzen zu wollen.
Außerdem ist nach Meinung des Oberlandesgerichts „ebenso wenig ersichtlich, dass für die Klägerin keine ihr zumutbare Möglichkeit bestanden hätte, dem Tanzwunsch des Beklagten entgegenzuwirken bzw. sich diesem zu entziehen.“ Sie habe vielmehr durch eine “klar artikulierte Absage gegenüber dem Beklagten, ein Verlassen der Tanzfläche oder wenn ihr dies aufgrund des An-den-Händen-gehalten -werdens durch den Beklagten nicht ohne weiteres möglich gewesen sein sollte, durch ein einfaches Stehenbleiben in zumutbarer Weise den Tanz mit dem Beklagten und die daraus resultierenden Folgen (…) vermeiden“ können. Da die Klägerin sich jedoch auf den Tanz eingelassen habe, habe sie mit den „üblicherweise beim Paartanz zur Anwendung kommenden Tanzschritten und Drehungen der Tanzpartner rechnen“ müssen. Für diese Entscheidung und die damit verbundene Selbstgefährdung sei sie letztlich selbst verantwortlich.
Daüberhinaus scheide eine Zurechnung der Unfallfolgen an den Beklagten durch die „Inanspruchnahme einer übergeordneten Rolle als „Experte““ ebenfalls aus. Allein der Umstand, dass der Beklagte sich als “Tanzkönig“ seines Ortes bezeichnet habe und „seine Tanzkünste diejenigen der Klägerin deutlich übersteigen“, genügten hierfür nicht.
Die Klägerin hat auf diesen Hinweis hin ihre Berufung zurückgenommen, so dass das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28.10.2016 rechtskräftig ist.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 2. August 2017 – 13 U 222/16
- LG Darmstadt, Urteil vom 28.10.2016 – 27 O 171/16[↩]