Die Vorschusspflicht aufs Hausgeld – und das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentümers

Im Hinblick auf den Anspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Zahlung der beschlossenen Vorschüsse zur Kostentragung und zu den Rücklagen ist das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentümers generell ausgeschlossen; das gilt auch dann, wenn das Zurückbehaltungsrecht auf anerkannte oder rechtskräftig zuerkannte Ansprüche gestützt wird (hier: Anspruch auf Erstellung der Jahresabrechnung).

Die Vorschusspflicht aufs Hausgeld – und das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentümers

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde in einer Eigentümerversammlung im Januar 2021 unter TOP 6 die „Gesamt- und die Einzelwirtschaftspläne des Wirtschaftsjahres 2021“ und die „Zuführung Rücklagen“ ab dem 1.01.2021 sowie die Fortgeltung des Wirtschaftsplans bis zu der erneuten Beschlussfassung beschlossen.

Mit der Klage verlangt die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) von ihrem beklagten Mitglied auf der Grundlage des gefassten Beschlusses die Zahlung von rückständigen Vorschüssen für die Monate Juni 2022 bis September 2022 in Höhe von insgesamt 18.540 €. Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben1. Das Landgericht Düsseldorf hat die Berufung des Wohnungseigentümers zurückgewiesen2. Und der Bundesgerichtshof hat nun auch die Revision des Wohnungseigentümers als unbegründet zurückgewiesen:

Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB setzt zunächst einen fälligen Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger voraus. Revisionsrechtlich ist davon auszugehen, dass dem Wohnungseigentümer solche Ansprüche zustehen. Denn mangels gegenteiliger Feststellungen ist zu unterstellen, dass die Jahresabrechnungen seit dem Jahr 2012 fehlen. Zu der Erstellung der Jahresabrechnung 2019 ist die GdWE bereits rechtskräftig verurteilt worden. Für die anderen abgelaufenen Kalenderjahre kann der Beklagte nach dem seit dem 1.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht die Erstellung der jeweiligen Jahresabrechnung von der GdWE verlangen, weil diese zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG)3.

Aus seinen Ansprüchen gegen die GdWE auf Erstellung der Jahresabrechnungen kann der Beklagte jedoch, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, gegenüber dem Anspruch der GdWE auf Zahlung der auf der Grundlage des Wirtschaftsplans festgelegten Vorschüsse und der beschlossenen Rücklagen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 WEG) kein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) herleiten.

Auf der Grundlage des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung konnte ein Wohnungseigentümer seine Verpflichtung zur Zahlung der im Wirtschaftsplan ausgewiesenen Vorschüsse schon deshalb nicht unter Hinweis auf eine fehlende Jahresabrechnung zurückbehalten, weil es bereits an der dafür notwendigen Gegenseitigkeit fehlte4. Während der Zahlungsanspruch der GdWE zustand, richtete sich der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG aF gegen den Verwalter5. Der Bundesgerichtshof hat jedoch – ohne dass es noch darauf ankam – die Tendenz erkennen lassen, das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentümers gegen Beitragsforderungen der GdWE grundsätzlich auszuschließen. Später hat er dies beiläufig bekräftigt6, und zwar auch unter der Geltung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes7.

In der Literatur werden dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Teilweise wird ein Zurückbehaltungsrecht wegen anerkannter oder rechtskräftig festgestellter Gegenforderungen sowie bei Ansprüchen aus Notgeschäftsführung erwogen8. Nach einer vereinzelten Meinung ist ein Zurückbehaltungsrecht ausnahmsweise zu bejahen, wenn sich die GdWE weigert, über die Abrechnungsergebnisse zu beschließen bzw. diesen Beschluss aus unwesentlichen Gründen ablehnt9. Überwiegend wird das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentümers gegenüber dem Anspruch auf Zahlung von Vorschüssen jedoch ausnahmslos abgelehnt, selbst bei anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen des Eigentümers10.

Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. Im Hinblick auf den Anspruch der GdWE auf Zahlung der beschlossenen Vorschüsse zur Kostentragung und zu den Rücklagen ist das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentümers generell ausgeschlossen; das gilt auch dann, wenn das Zurückbehaltungsrecht auf anerkannte oder rechtskräftig zuerkannte Ansprüche gestützt wird. Das Zurückbehaltungsrecht steht gemäß § 273 Abs. 1 BGB unter dem Vorbehalt, dass sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt. Letzteres ist hier der Fall.

Dass das Zurückbehaltungsrecht nach der Natur der Schuld und dem Zweck der geschuldeten Leistung ausgeschlossen ist, folgt aus dem Finanzierungssystem der GdWE.

Die im Wirtschaftsplan nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG ausgewiesenen Vorschüsse sollen zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums in dem betreffenden Wirtschaftsjahr tatsächlich zur Verfügung stehen. Es handelt sich um das zentrale Finanzierungsinstrument der GdWE; die laufenden Vorauszahlungen gewährleisten, dass die für die Bewirtschaftung der Anlage notwendigen Mittel bereitstehen11. Ein Zurückbehaltungsrecht könnte alle Wohnungseigentümer dazu verleiten, die Vorschüsse wegen ausstehender Jahresabrechnungen nicht zu zahlen. Dann wäre der Gemeinschaft die finanzielle Grundlage für das betroffene Wirtschaftsjahr entzogen; sie wäre in ihrer Handlungsfähigkeit stark beschränkt. Bei Zahlungsausfällen kann etwa eine Versorgungssperre drohen, der Versicherungsschutz kann gefährdet werden und Verzugszinsen können anfallen. Aus diesem Grund ist auch die Aufrechnung durch den Wohnungseigentümer grundsätzlich ausgeschlossen und nur ausnahmsweise zulässig (§ 387 BGB)12.

Auf den Einzelfall bezogener Feststellungen dazu, ob durch das Zurückbehalten der Vorschüsse die ordnungsmäßige Verwaltung der GdWE tatsächlich beeinträchtigt wäre, bedarf es entgegen der Ansicht der Revision nicht.

Das folgt schon aus Praktikabilitätserwägungen. Abgesehen davon wird der Wirtschaftsplan auf prognostischer Basis erstellt13. Die Wohnungseigentümer prognostizieren den voraussichtlichen Liquiditätsbedarf für das jeweilige Wirtschaftsjahr und haben sowohl hinsichtlich der einzustellenden Positionen als auch im Hinblick auf deren Höhe ein weites Ermessen14. Das mehrheitlich ausgeübte Ermessen kann nicht durch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts unterlaufen werden. Nichts anderes gilt für die Zuführung zu der Rücklage, die der Gemeinschaft auch für einen unvorhergesehenen Bedarf Liquidität verschaffen soll15.

Das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentümers ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Forderung gegen die GdWE anerkannt oder rechtskräftig zuerkannt ist; daher verhilft es der Revision nicht zum Erfolg, dass die Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabrechnung für das Jahr 2019 rechtskräftig zuerkannt ist, aber – wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist – nach wie vor aussteht.

Richtig ist allerdings, dass ein Wohnungseigentümer gegen Beitragsforderungen der GdWE mit Forderungen aufrechnen kann, die anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind (§ 387 BGB)12. Unter diesen Voraussetzungen kann nämlich (ausnahmsweise) kein Streit über den Bestand der Gegenforderung entstehen. Da die Aufrechnung nach Maßgabe von § 389 BGB die Tilgung der Vorschussforderung bewirkt, handelt es sich um ein Erfüllungssurrogat16. Infolgedessen beeinträchtigt die Aufrechnung des Wohnungseigentümers mit einer anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Forderung gegen Vorschussansprüche das Finanzierungssystem der GdWE nicht.

Bei dem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB ist das anders. Es dient lediglich als Druckmittel des Schuldners, das den Gläubiger zur Erbringung der Gegenleistung anhalten soll, und steht der Aufrechnung deshalb nicht gleich. Der Schuldner hat nur ein Sicherungs- und kein Befriedigungsrecht17. Infolgedessen könnte die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts wegen nicht gleichartiger Ansprüche der Durchsetzung der Vorschussansprüche auf unbestimmte Zeit entgegenstehen und die Liquiditätsgrundlage auf diese Weise gefährden. Dem Wohnungseigentümer bleibt es unbenommen, die titulierte oder anerkannte Forderung durchzusetzen.

Dementsprechend kann auch ein anerkannter oder – wie hier – titulierter Anspruch auf Erstellung der Jahresabrechnung nicht als Druckmittel genutzt werden. Zwar fehlt es nach der Neufassung des § 28 WEG nicht mehr an der Gegenseitigkeit der Ansprüche, weil nunmehr die GdWE zur Erstellung von Jahresabrechnungen verpflichtet ist. Das ändert aber nichts daran, dass ein Zurückbehaltungsrecht auch insoweit wegen der Natur der Schuld ausgeschlossen ist. Es steht einem Wohnungseigentümer, der – wie im vorliegenden Fall bereits ein rechtskräftiges Urteil auf Erstellung einer Jahresabrechnung für Vorjahre erstritten hat, frei, daraus zu vollstrecken.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. November 2025 – V ZR 190/24

  1. AG Düsseldorf, Urteil vom 25.05.2023 – 292a C 75/22[]
  2. LG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2024 – 25 S 43/23[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2024 – V ZR 167/23, ZWE 2024, 420 Rn. 12[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2012 – V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 15[]
  5. näher BGH, Urteil vom 01.06.2012 – V ZR 171/11, aaO Rn. 14[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2020 – V ZR 178/19, NZM 2020, 755 Rn. 32 mwN[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2024 – V ZR 139/23, ZfIR 2024, 551 Rn. 29[]
  8. vgl. Bärmann/Pick/Emmerich, WEG, 21. Aufl., § 28 Rn. 282; MünchKomm-BGB/Skauradszun, 9. Aufl., § 28 WEG Rn. 27[]
  9. vgl. Jennißen in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 28 Rn. 317[]
  10. vgl. Bärmann/Becker, WEG, 16. Aufl., § 28 Rn. 358; BeckOK WEG/Bartholome [1.10.2025], § 28 Rn.202; Hügel/Elzer, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn. 306; Staudinger/Lehmann-Richter, WEG [2023], § 28 Rn. 138: „grundsätzlich“[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2024 – V ZR 235/23, BGHZ 241, 336 Rn. 26; Urteil vom 01.06.2012 – V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 23 zu § 28 WEG aF[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2016 – V ZR 97/15, ZWE 2016, 272 Rn. 15[][]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2012 – V ZR 193/11, NJW 2012, 2648 Rn. 5[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 26.09.2025 – V ZR 108/24, NZM 2025, 960 Rn. 12[]
  15. vgl. BGH, Urteil vom 01.04.2011 – V ZR 96/10, NZM 2011, 515 Rn. 24; Urteil vom 26.09.2025 – V ZR 108/24, aaO Rn. 18[]
  16. vgl. BGH, Urteil vom 16.08.2007 – IX ZR 63/06, WM 2007, 1755 Rn. 38[]
  17. vgl. MünchKomm-BGB/Krüger, 10. Aufl., § 273 Rn. 3 mwN[]

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