Die wegen Corona abgesagte Hochzeitsfeier

Kann eine Hochzeitsfeier aufgrund der zu diesem Zeitpunkt zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie geltenden Maßnahmen nicht wie geplant durchgeführt werden, wird dem Vermieter der hierfür gemieteten Räumlichkeiten die von ihm geschuldete Leistung nicht unmöglich1. Der Umstand, dass die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit der geplanten Bewirtung von bis zu 120 Personen aufgrund verschiedener Regelungen in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Corona-Schutzverordnung nicht zulässig war, führt nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die wegen Corona abgesagte Hochzeitsfeier

Für einen Mieter, der Räume zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet hat, kommt grundsätzlich ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn die Veranstaltung aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie nicht in der geplanten Form stattfinden kann1. Nur wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann nach § 313 Abs. 3 BGB der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen. Dafür genügt es nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit ging es um eine Zahlung für die Anmietung von Räumlichkeiten zur Durchführung einer für den 8.08.2020 geplanten Hochzeitsfeier, die wegen der COVID19-Pandemie von den Brautleute abgesagt wurde. Die Brautleute, die am 8.08.2018 standesamtlich geheiratet hatten, schlossen Ende des Jahres 2018 mit der Vermieterin einen Vertrag über die Anmietung von Räumlichkeiten für die Durchführung einer kirchlichen Hochzeitsfeier in Form einer Außentrauung sowie für die Taufe ihrer Tochter mit bis zu 120 Gästen. Auf die vereinbarte Miete von 5.000 € netto zuzüglich weiterer Kosten leisteten die Brautleute eine Anzahlung in Höhe von 595 €.

§ 5 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vermieterin lautet:

„Bei Rücktritt des Veranstalters in der Zeit von 0 – 24 Wochen vor dem Veranstaltungstermin hat der Veranstalter 100% des vereinbarten Mietpreises zu tragen. Für den Fall einer anderweitigen Vermietung dieses Termins durch die S. werden hierdurch generierte Einnahmen von dem zu zahlenden Mietpreis abgezogen. Der Veranstalter hat eine Bearbeitungsgebühr i.H.v. 500, – € netto (zzgl.19% MwSt) für die bereits geleisteten Verwaltungsaufwendungen der S. zu zahlen.“

Da nach § 1 Abs. 5 Nr. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 10.07.20202 zum geplanten Veranstaltungstag bei Einhaltung des Abstandsgebots die Teilnahme an Hochzeitsfeiern nur mit nicht mehr als 50 Personen zulässig war, erklärte der Vater des Brautleute zu 2 namens und in Vollmacht der beiden Brautleute mit E-Mail vom 20.07.2020 gegenüber der Vermieterin, dass am 8.08.2020 keine Hochzeitsfeier stattfinden werde. Daraufhin stellte die Vermieterin den Brautleute einen Betrag in Höhe von 5.785 € in Rechnung, der sich zusammensetzt aus 5.000 € Miete und 500 € Bearbeitungsgebühr zzgl. 16 % Mehrwertsteuer, abzüglich der angezahlten 595 €. Eine Zahlung durch die Brautleute erfolgte nicht.

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Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Lüneburg hat die auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen3. Auf die Berufung der Vermieterin, mit der sie nur noch die vereinbarte Bruttomiete iHv 5.950 € abzüglich der geleisteten Anzahlung von 595 €, also insgesamt 5.355 €, geltend gemacht hat, hat das Oberlandesgericht Celle das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Brautleute verurteilt, an die Vermieterin 1.405 € nebst Zinsen zu zahlen; im Übrigen hat es die Klageabweisung bestätigt4. Hiergegen wendet sich die Vermieterin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, die nun vor dem Bundesgerichtshof Erfolg hatte und zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht führte:

Zu Recht ist das Oberlandesgericht Celle allerdings davon ausgegangen, dass die Vermieterin ihren Zahlungsanspruch nicht auf § 5 Nr. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen stützen kann. Diese Vertragsklausel ist wegen Verstoßes gegen die entsprechend anwendbaren §§ 308 Nr. 7, 309 Nr. 5 BGB unwirksam, weil in ihr den Brautleute nicht der Nachweis gestattet wird, dass sie der Vermieterin keine oder eine nur wesentlich geringere Vergütung als die festgelegte Pauschale schulden5.

Ebenfalls zutreffend hat das Oberlandesgericht Celle angenommen, dass die Brautleute nicht gemäß §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung befreit sind.

Nach § 326 Abs. 5 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten, falls der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB die geschuldete Leistung nicht erbringen muss. Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Diese Voraussetzung für das Rücktrittsrecht aus § 326 Abs. 5 BGB ist vorliegend nicht erfüllt. Denn der Vermieterin war es trotz der zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeitsfeier in Niedersachsen geltenden Corona-Verordnung und der darin angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht unmöglich, den Brautleute den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren.

Die von den Brautleute für den 8.08.2020 geplante Hochzeitsfeier konnte deshalb nicht in der beabsichtigten Weise stattfinden, weil nach § 1 Abs. 5 Nr. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 10.07.20202 zum geplanten Veranstaltungstag bei Einhaltung des Abstandsgebots die Teilnahme an Hochzeitsfeiern nur mit nicht mehr als 50 Personen zulässig war. Regelungen, die eine gewerbliche Überlassung von Mieträumen an Privatpersonen untersagt hätten, enthielt die Corona-Schutzverordnung nicht. Der Vermieterin wäre es trotz der in der Corona-Schutzverordnung enthaltenen Begrenzung der Teilnehmerzahl an Hochzeitsfeiern möglich gewesen, den Brautleute die gemieteten Räumlichkeiten zu dem vorgesehenen Zeitpunkt zu überlassen. Dass die geplante Hochzeitsfeier nicht in der Form durchgeführt werden konnte, wie sie von den Brautleute beabsichtigt war, beruhte somit auf Regelungen der Corona-Schutzverordnung, deren Adressat die Brautleute als Veranstalter der Hochzeitsfeier waren, die aber der Vermieterin die Erbringung der von ihr geschuldeten Leistung nicht unmöglich machten.

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Den Brautleute stand auch kein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags nach § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zu, da die Mietsache keinen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB aufwies.

Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, führt der Umstand, dass eine Hochzeitsfeier aufgrund von Regelungen einer zu diesem Zeitpunkt geltenden Corona-Schutzverordnung nicht mit der geplanten Anzahl von Gästen durchgeführt werden kann, nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn die mit pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen und Veranstaltungsverboten zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung beruht nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache, sondern knüpft daran an, dass Veranstaltungen und der damit verbundene enge Kontakt zwischen Menschen die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV2-Virus begünstigt und dies aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte6. Auch im vorliegenden Fall wurde durch die maßgebliche Corona-Schutzverordnung weder den Brautleute die Nutzung der angemieteten Räume noch der Vermieterin tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz der Regelungen in der Coronaschutzverordnung, die die Anzahl der Teilnehmer an der geplanten Hochzeitsfeier begrenzten, weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung7.

Das Vorliegen eines Mangels im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich auch nicht aus dem im vorliegenden Fall vereinbarten Mietzweck. Denn ohne besondere Umstände, die hier nicht vorgetragen wurden, gehören nur rechtliche Umstände, die die körperliche Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache betreffen oder Einfluss auf sie haben, zu der vom Vermieter geschuldeten Leistung. Für öffentlichrechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich aus sonstigen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter hingegen ohne eine anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen. Ein redlicher Mieter darf daher das Leistungsversprechen seines Vermieters im Zweifel nicht dahin verstehen, dieser wolle ihm die vereinbarte Nutzung unter allen erdenklichen Umständen gewährleisten. Deshalb konnten im vorliegenden Fall die Brautleute nicht davon ausgehen, dass die Vermieterin mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks (Hochzeitsfeier mit bis zu 120 Personen) eine unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall von hoheitlich angeordneten Beschränkungen von Veranstaltungen zur Bekämpfung einer Pandemie übernehmen wollte8.

Nicht frei von Rechtsfehlern ist dagegen die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle, die Brautleute seien wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 und 3 BGB zur Kündigung des Mietvertrags berechtigt gewesen.

Wie der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich entschieden hat, kommt ein Anspruch des Mieters, der bei einem gewerblichen Vermieter Räumlichkeiten zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet hat, die aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie nicht oder nicht wie geplant stattfinden konnte, auf Anpassung des Mietvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich in Betracht9.

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Durch die COVID19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat sich die sog. große Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert10. Nach den getroffenen Feststellungen hatte auch keine der Parteien bei Abschluss des Mietvertrags die Vorstellung, dass es zu einer Pandemie und damit verbundenen erheblichen hoheitlichen Beschränkungen kommen würde, durch die die beabsichtigte Nutzung der Mieträume eingeschränkt wird. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann zudem davon ausgegangen werden, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie bei Vertragsschluss die Möglichkeit einer Pandemie und die damit verbundene Gefahr, dass aufgrund hoheitlicher Beschränkungen die Hochzeitsfeier nicht mit der geplanten Anzahl an Gästen stattfinden kann, vorausgesehen hätten. Denn es ist anzunehmen, dass redliche Mietvertragsparteien für diesen Fall das damit verbundene wirtschaftliche Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters oder Vermieters geregelt, sondern in dem Vertrag für diesen Fall eine Möglichkeit zur Anpassung vorgesehen hätten11.

Allerdings muss – wie das Oberlandesgericht Celle richtig erkannt hat – neben den hier gegebenen realen und hypothetischen Elementen auch das normative Element erfüllt sein. Denn die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB berechtigt für sich genommen noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB) rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt12.

Grundsätzlich trägt der Mieter im Verhältnis zum Vermieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht es jedoch über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus, wenn er eine konkrete Veranstaltung, für die er Räumlichkeiten gemietet hat, aufgrund hoheitlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie nicht oder nicht im geplanten Umfang durchführen kann13. Die Gebrauchsbeschränkung an der Mietsache ist in diesem Fall Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann. Das damit verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden14.

Auch wenn die mit hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie verbundene Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache nicht allein dem Verwendungsrisiko des Mieters zugeordnet werden kann, bedeutet dies aber nicht, dass der Mieter stets eine Anpassung des Vertrags nach § 313 BGB verlangen kann.

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Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf auch in diesem Fall einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 313 Abs. 1 BGB). Dabei kann eine Anpassung nur insoweit verlangt werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Das Gericht muss daher nach § 313 Abs. 1 BGB diejenigen Rechtsfolgen wählen, die den Parteien unter Berücksichtigung der Risikoverteilung zumutbar sind und durch die eine interessengerechte Verteilung des verwirklichten Risikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt wird. Die Anpassung darf in die Vereinbarung der Parteien nicht weiter eingreifen, als es durch die veränderten Umstände geboten ist15.

Die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage führt nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses; in aller Regel ist der Vertrag aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen. Deshalb ist nicht nur bei der Prüfung des normativen Tatbestandsmerkmals des § 313 Abs. 1 BGB, sondern auch bei der Frage, welche Form der Vertragsanpassung im konkreten Fall angemessen ist, von besonderer Bedeutung, welche Regelung die Parteien gewählt hätten, wenn sie das Ereignis, das zur Störung der Geschäftsgrundlage geführt hat, bei Vertragsschluss bedacht hätten. Unzumutbar ist eine Vertragsanpassung dann, wenn sie gegenüber dem ursprünglichen Vertrag zu einer Mehrbelastung einer Partei führen würde, der diese nicht wenigstens hypothetisch bei Vertragsschluss zugestimmt hätte, wenn sie die Grundlagenstörung vorausgesehen hätte. Nur wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann nach § 313 Abs. 3 BGB der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen16. Die Frage, ob und inwieweit gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrags gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB möglich und zumutbar ist oder der benachteiligte Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zur Kündigung hat, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu entscheiden. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein17.

Auf dieser Grundlage hat das Gericht in tatrichterlicher Verantwortung für den konkreten Einzelfall die Voraussetzungen des § 313 BGB festzustellen und gegebenenfalls eine Vertragsanpassung vorzunehmen, bei der ein weiter Ermessensspielraum des Tatgerichts besteht. Dessen Entscheidung ist vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüfbar, ob das Ermessen ausgeübt worden ist, dabei alle wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei ermittelt und berücksichtigt sowie die Grenzen des tatrichterlichen Ermessens richtig bestimmt und eingehalten worden sind18.

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Danach ist die tatrichterliche Würdigung des Oberlandesgerichts Celle, im vorliegenden Fall seien die Brautleute gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB zur Kündigung des Vertrags berechtigt gewesen, nicht frei von Rechtsfehlern.

Das Oberlandesgericht Celle hat ein Kündigungsrecht der Brautleute allein mit der Begründung bejaht, die Durchführung einer Hochzeitsfeier sei ein einmaliges und besonderes Ereignis, welches nicht ohne weiteres verlegbar sei. Deshalb sei ein Kündigungsrecht der Brautleute unabhängig davon zu bejahen, ob diese sich einer Verlegung der Hochzeitsfeier verweigert hätten. Damit hat es bei seiner Ermessensausübung wesentliche Umstände des Falles nicht angemessen berücksichtigt und zudem verkannt, dass nach § 313 Abs. 3 BGB ein Rücktrittsrecht oder ein Recht zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses als Form der Vertragsanpassung nur als ultima ratio in Betracht kommt, wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil auch ein Festhalten an dem Vertrag mit angepasstem Inhalt nicht zumutbar ist19.

Das Oberlandesgericht Celle hat insbesondere nicht ausreichend in den Blick genommen, ob sich der Anspruch der Brautleute nach § 313 Abs. 1 BGB auf Vertragsanpassung auf die von der Vermieterin angebotene Verlegung der Hochzeitsfeier beschränkt, weil bereits dadurch eine interessengerechte Verteilung des Pandemierisikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt werden kann. Nach den bislang getroffenen Feststellungen wäre den Brautleute eine Verlegung der Hochzeitsfeier auch zumutbar gewesen. Die standesamtliche Trauung der Brautleute hatte bereits am 8.08.2018 stattgefunden. Die Hochzeitsfeier stand daher nicht, wie regelmäßig, im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer standesamtlichen oder kirchlichen Trauung. Das Oberlandesgericht Celle hat zudem nicht angemessen berücksichtigt, dass am 8.08.2020 aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geltenden weitreichenden hoheitlichen Beschränkungen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit bis zu 120 Personen in ganz Niedersachsen nicht möglich war. Die Brautleute hätten daher, unabhängig von den konkret angemieteten Räumlichkeiten, die geplante Hochzeitsfeier an diesem Tag nicht durchführen können und den Termin mit den damit verbundenen Planungs- und Vorbereitungsarbeiten verlegen müssen.

Nach den bislang getroffenen Feststellungen haben die Brautleute außer dem Umstand, dass sie die Hochzeitsfeier an einem Jahrestag ihrer standesamtlichen Trauung durchführen und mit der Taufe ihrer Tochter verbinden wollten, keine tragfähigen Umstände dafür vorgetragen, dass eine andere Form der Vertragsanpassung unmöglich oder ihnen nicht zumutbar sei (vgl. § 313 Abs. 3 BGB). Allein die nicht näher begründete Behauptung, eine Verschiebung der Hochzeitsfeier auf einen späteren Termin komme für sie nicht in Betracht, reicht hierfür nicht aus. Dass die Brautleute zu weiteren Verhandlungen mit der Vermieterin über eine angemessene Vertragsanpassung nicht bereit waren und das Angebot auf Verlegung des Termins pauschal abgelehnt haben, zeigt im Übrigen, dass sie allein eine Aufhebung des Mietvertrags erreichen und damit das Risiko der Absage der Feier einseitig auf die Vermieterin verlagern wollten.

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Sollten die Brautleute tatsächlich die Absicht haben, endgültig auf eine nachträgliche Hochzeitsfeier zu verzichten, und bestünde daher für sie auch zu einem späteren Zeitpunkt kein Bedarf an Räumlichkeiten, die für eine solche Veranstaltung geeignet sind, fiele dies in ihren Risikobereich und könnte daher auf die vorzunehmende Vertragsanpassung keine Auswirkung haben. Denn diese Entscheidung der Brautleute betrifft allein das allgemeine Verwendungsrisiko eines Mieters und steht nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der pandemiebedingten Störung der Geschäftsgrundlage.

Die angefochtene Entscheidung war daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache ist nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Oberlandesgericht Celle zurückzuverweisen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Januar 2023 – XII ZR 101/21

  1. im Anschluss an BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382[][]
  2. Nds. GVBl. S. 226[][]
  3. LG Lüneburg, Urteil vom 10.05.2021 – 10 O 313/20[]
  4. OLG Celle, Urteil vom 02.12.2021 – 2 U 64/21, ZMR 2022, 360[]
  5. vgl. BGH Urteil vom 05.05.2011 – VII ZR 161/10 , NJW 2011, 3030 Rn. 13 mwN; vgl. auch BGH Urteil vom 09.07.1992 – VII ZR 6/92 , NJW 1992, 3163 zu § 11 Nr. 5b AGBG[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 23 ff.[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 25 mwN[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 26 mwN[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 29[]
  10. vgl. BGH, Urteil BGHZ 232, 178 = NZM 2022, 99 Rn. 43 ff.[]
  11. vgl. BGH, Urteil BGHZ 232, 178 = NZM 2022, 99 Rn. 52 mwN[]
  12. BGH, Urteil BGHZ 232, 178 = NZM 2022, 99 Rn. 53 mwN[]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 32; vgl. auch BGH, Urteil BGHZ 232, 178 = NZM 2022, 99 Rn. 55 mwN[]
  14. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 32 mwN[]
  15. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 34 mwN[]
  16. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 35 f. mwN[]
  17. BGH Urteil vom 11.01.2018 – I ZR 85/17 , NJW-RR 2018, 877 Rn. 16 mwN[]
  18. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21 , NJW 2022, 1382 Rn. 38 mwN[]
  19. vgl. BeckOGK/Martens [Stand: 1.10.2022] BGB § 313 Rn. 145; vgl. auch BGH Urteil vom 31.05.1990 – I ZR 233/88 , NJW 1991, 1478, 1480 mwN zum früheren Recht[]

Bildnachweis:

  • Hochzeitstisch: Hans