§ 35 FamFG gibt dem Gericht nicht die Befugnis, einem Beteiligten Verpflichtungen beliebigen Inhalts aufzuerlegen und diese durch Zwangsmittel zu erzwingen.

In dem hier vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall begehrte der Beschwerdeführer die Aufhebung eines gegen ihn vom Nachlassgericht verhängten Zwangsgelds. Er ist der Sohn der Erblasserin und ihr testamentarischer Alleinerbe. Durch Verfügung des Nachlassgerichts wurde er gebeten, die Anschriften seiner Geschwister mitzuteilen. Mit einem zweiten Schreiben erinnerte das Nachlassgericht an die Mitteilung der Anschriften und drohte die Verhängung eines Zwangsgelds gemäß § 35 FamFG an.Schließlich verhängte das Nachlassgericht gemäß § 35 FamFG ein Zwangsgeld von 250 € gegen den Beschwerdeführer und begründete dies mit der unterlassenen Adressenmitteilung. Das Oberlandesgericht hob den Zwangsgeldbeschluss auf:
Der Zwangsgeldbeschluss ist bereits deshalb aufzuheben, weil es an einer Rechtsgrundlage dafür fehlt, dem Beschwerdeführer die Adressenermittlung weiterer Beteiligter in einer mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Weise aufzugeben.
Gemäß § 35 Absatz 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht ein Zwangsgeld festsetzen, wenn aufgrund einer gerichtlichen Anordnung die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung durchzusetzen ist.
Das Nachlassgericht scheint es hierfür als ausreichend zu erachten, dass es dem Beschwerdeführer durch vorherige gerichtliche Verfügung die Adressmitteilung seiner Schwestern aufgegeben hat. Dies deutet darauf hin, dass das Nachlassgericht die von ihm erteilten Auflagen generell als mit Zwangsmitteln nach § 35 FamFG erzwingbar betrachtet. Eine solche Sichtweise verkennt, dass § 35 FamFG dem Gericht nicht die unbeschränkte Befugnis einräumt, einem Beteiligten Verpflichtungen beliebigen Inhalts aufzuerlegen; vielmehr muss eine andere Vorschrift des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts dem Gericht die Befugnis zur Auferlegung der jeweiligen Verpflichtung geben1. Dies bestätigt auch die Gesetzesbegründung des FGG-Reformgesetzes, die als Beispiele für mit Zwangsmitteln nach § 35 FamG erzwingbare Anordnungen nur solche auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung wie z.B. die Ablieferung von Testamenten nach § 358 FamFG oder die Zwangsberichtigung des Grundbuchs nach § 82 GBO nennt2.
Die Amtsermittlungspflicht des § 26 FamFG ist keine gesetzliche Ermächtigung im vorgenannten Sinn. § 26 FamFG statuiert die gesetzliche Verpflichtung des Gerichts, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen von Amts wegen festzustellen3. Befugnisse des Gerichts dahingehend, einen Beteiligten zu Angaben zu zwingen, lassen sich hieraus nicht ableiten4.
Eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung stellt auch nicht § 27 FamFG dar, wonach die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken haben. Diese Bestimmung begründet zwar Verfahrenspflichten, ist aber keine konkrete Ermächtigungsnorm, um eine nach § 35 FamFG erzwingbare Verpflichtungsanordnung zu erlassen5.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 18. Mai 2016 – 11 W 41/16 (Wx)
- OLG Hamm, FGPrax 2011, 322; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 20.05.2003 – 1 BvR 2222/01 13 und OLG Stuttgart, NJW 1978, 547 zu § 33 FGG[↩]
- BT-Drs. 16/6308, Seite 192[↩]
- Keidel/Sternal, FamFG 18. Aufl. § 26 Rn. 1[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.05.2003 – 1 BvR 2222/01 13; OLG Naumburg, FamRZ 2006, 282; OLG Stuttgart, NJW 1978, 547 zu § 12 FGG[↩]
- Jacoby in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG 2. Aufl. § 27 Rn. 11; Prütting in: Prütting/Helms, FamFG 3. Aufl. § 27 Rn. 8; MünchKomm-FamFG/Ulrici, 2. Aufl. § 27 Rn. 5; Zöller/Feskorn, ZPO 31. Aufl. FamFG § 27 Rn. 4[↩]