Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern sind Ansprüche auf Schadloshaltung im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO.

Ein etwaiger Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB und entsteht bereits mit der Begründung der Gesamtschuld1. Die Verjährung wird durch die Zustellung einer Streitverkündung nur dann gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB gehemmt, wenn es sich um eine zulässige Streitverkündung handelt2.
Nach § 72 Abs. 1 ZPO ist eine Streitverkündung unter anderem dann zulässig, wenn die Partei im Zeitpunkt der Streitverkündung aus in diesem Augenblick naheliegenden Gründen für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt3. Die Streitverkündung ist ein in erster Linie den Interessen des Streitverkünders dienender prozessualer Behelf, der dazu bestimmt ist, verschiedene Beurteilungen desselben Tatbestandes zu vermeiden, das heißt den Streitverkünder durch die Bindungswirkung gemäß §§ 74, 68 ZPO vor dem Risiko zu bewahren, dass er wegen der materiellrechtlichen Verknüpfung der im Vor- und Folgeprozess geltend gemachten bzw. geltend zu machenden Ansprüche mehrere Prozesse führen muss, dabei aber Gefahr läuft, alle zu verlieren, obwohl er zumindest einen gewinnen müsste4.
Unzulässig ist eine Streitverkündung seitens des Klägers des Vorprozesses wegen solcher Ansprüche, die nach Lage der Dinge von vornherein gegenüber dem Beklagten des Vorprozesses als auch gegenüber dem Dritten geltend gemacht werden können, für die also aus der Sicht des Streitverkünders schon im Zeitpunkt der Streitverkündung eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten und des Dritten in Betracht kommt5. In einem derartigen Falle kommt es auch im Zeitpunkt der Streitverkündung nicht mehr auf einen für den Streitverkünder ungünstigen Ausgang des Vorprozesses an6.
Hingegen ist eine Streitverkündung zulässig, wenn der Beklagte des Vorprozesses (Streitverkünder) gegen einen Dritten (Streitverkündungsempfänger) aus im Zeitpunkt der Streitverkündung naheliegenden Gründen einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch erheben zu können glaubt7. Hiervon ist der Bundesgerichtshof bereits im Urteil vom 09.07.20098 ausgegangen. Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern sind Ansprüche auf Schadloshaltung im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO9. Ein Beklagter, der einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch gegen einen Dritten erheben zu können glaubt, ist dem vorstehenden genannten Risiko ausgesetzt, vor dem die mit der Streitverkündung verbundene Bindungswirkung gemäß §§ 74, 68 ZPO bewahren soll.
Die Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB wird allerdings nicht nur durch das Erfordernis der Zulässigkeit der Streitverkündung, sondern auch durch den Inhalt der Streitverkündungsschrift begrenzt, die den sich aus § 73 Abs. 1 ZPO ergebenden Konkretisierungserfordernissen genügen muss10. Die Beurteilung des Inhalts der Streitverkündungsschrift und des Prozessstoffs des Vorprozesses, aus dem sich das Ausmaß der Hemmungswirkung ergibt, ist im Einzelnen Sache des Tatrichters11.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Mai 2015 – VII ZR 104/14
- vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 18.06.2009 – VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310 Rn. 12 f. m.w.N.; Urteil vom 09.07.2009 – VII ZR 109/08, BauR 2009, 1609 Rn. 21 f. = NZBau 2010, 45; Teilurteil vom 25.11.2009 – IV ZR 70/05, NJW 2010, 435 Rn. 8 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.12 2007 – IX ZR 143/06, BGHZ 175, 1 Rn. 11 ff.; Urteil vom 11.02.2009 XII ZR 114/06, BGHZ 179, 361 Rn. 18 ff.; a.M. Schmidt in Festschrift für Eichele, 2013, S. 341, 344 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.12 1977 – VII ZR 94/76, BGHZ 70, 187, 189; Urteil vom 09.10.1975 – VII ZR 130/73, BGHZ 65, 127, 131 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2009 XII ZR 114/06, BGHZ 179, 361 Rn. 29; Urteil vom 14.11.1991 – I ZR 236/89, BGHZ 116, 95, 100 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 72 Rn. 1[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.12 2007 – IX ZR 143/06, BGHZ 175, 1 Rn. 16; Urteil vom 09.10.1975 – VII ZR 130/73, BGHZ 65, 127, 131 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.12 2007 – IX ZR 143/06, BGHZ 175, 1 Rn. 16 m.w.N.; Urteil vom 18.12 2014 – VII ZR 102/14, BauR 2015, 705 Rn. 17[↩]
- vgl. OLG Celle, OLGR 2008, 448, 451 f.; Sohn, BauR 2007, 1308, 1318 f.; Leitzke in Thode/Wirth/Kuffer, Praxishandbuch Architektenrecht, § 29 Rn. 49; Motzke in Motzke/Preussner/Kehrberg, Die Haftung des Architekten, 10. Aufl., Kap. T Rn. 119; a.M. ohne Begründung Braun in Motzke/Preussner/Kehrberg/Kesselring, Die Haftung des Architekten, 9. Aufl., Kap. U Rn. 166[↩]
- BGH, Urteil vom 09.07.2009 – VII ZR 109/08, BauR 2009, 1609 Rn. 23 f. = NZBau 2010, 45[↩]
- vgl. Wieczorek/Schütze/Mansel, ZPO, 3. Aufl., § 72 Rn. 52 m.w.N.; MünchKomm-ZPO/Schultes, 4. Aufl., § 72 Rn. 11; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 72 Rn. 10; Vollkommer, NJW 1986, 264[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2009 – XII ZR 114/06, BGHZ 179, 361 Rn. 31; Urteil vom 06.12 2007 – IX ZR 143/06, BGHZ 175, 1 Rn. 27 f.; vgl. ferner BGH, Urteil vom 08.12 2011 – IX ZR 204/09, BauR 2012, 675 Rn. 11, Rn. 14 = NZBau 2012, 159, zur Unterbrechungswirkung gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.12 2011 – IX ZR 204/09, aaO Rn. 15[↩]