Auch ohne ausdrückliche Sachantragstellung im Termin kann eine Säumnis i.S.d. § 333 ZPO ausnahmsweise zu verneinen sein1.

In dem hier vom Landgericht Stralsund entschiedenen Fall hatten die Beklagten im Verhandlungstermin keinen Antrag zu Protokoll des Gerichts gestellt, wie in § 160 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 297 ZPO grundsätzlich vorgesehen, sondern eine Sachantragstellung vielmehr durch ihren Bevollmächtigten mit der nicht näher begründeten Behauptung als „unzumutbar“ bezeichnen lassen, dass der Stand der Verfahrensakten klärungsbedürftig und das Verfahren zunächst zum Zwecke dieser Klärung auszusetzen sei. Die Beklagten hatten jedoch zuvor bereits mit Schriftsatz vom 15.03.2011 ausdrücklich anzeigen lassen, sich gegen die erhobene Klage – hier mithin gegen die unverändert in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gestellten Anträge aus der Klageschrift und damit gegen einen von Anfang an konkret umrissenen Klagegegenstand – verteidigen zu wollen. Zudem hatten die Beklagten sich mit weiterem Schriftsatz vom 06.04.2011 ausdrücklich darauf bezogen, dass sie einen Steuerschaden einwenden würden, was sie – unbestritten – ja auch vorgerichtlich bereits getan hatten, dass sie diesen noch substantiiert belegen würden (was sie indes nicht getan haben), sowie weiterhin, dass sie Mängelbehauptungen in dem Rechtsstreit zu klären hätten.
Damit aber haben die Beklagten – auch ohne einen Klageabweisungsantrag im Termin explizit zu formulieren – nach Ansicht des Landgerichts Stralsund hinreichend deutlich gemacht, dass sie der Klage in ihrer durch die Klageanträge konkret umrissenen Gestalt sachlich entgegentreten. Sie haben sich hiermit zur Sache verhalten, wenn auch nur kursorisch. Auf die Schriftsätze vom 15.03.2011 und 06.04.2011 und das in ihnen enthaltene Vorbringen hat sich der Beklagtenvertreter im Termin auch – dies entspricht einem allgemeinen und anerkannten Prinzip – implizit bezogen, ehe er erst gegen Ende des Termins bekundet hat, die Stellung eines Sachantrages als unzumutbar zu empfinden. Damit aber haben die Beklagten im Verhandlungstermin im Rechtssinne „verhandelt“ (§ 333 ZPO), und zwar – ungeachtet des § 137 Abs. 1 ZPO – trotz fehlender förmlicher Antragstellung. Letztlich kommt es dabei auf die vorstehend aufgeworfene Frage, inwieweit die Erörterung im Termin in Gestalt impliziter Bezugnahme auf das zuvor schriftsätzlich Vorgetragene als Erörterung zur (Haupt-)Sache anzusehen ist, nicht einmal entscheidend an. Die Säumnis der Beklagten wäre bzw. ist nämlich vorliegend unabhängig hiervon auch dann ausgeschlossen, wenn man einen impliziten Bezug auf die Schriftsätze verneint und allein auf die Erörterung u.a. der Zuständigkeitsproblematik im Termin abstellt. Denn auch hiermit hat die beklagte Partei im Rechtssinne verhandelt, jedenfalls nämlich hat sie insoweit – und in diesem Punkt auch nicht lediglich kursorisch, sondern vielmehr ausgesprochen vehement – zu verstehen gegeben, dass sie eine Zurückweisung der Klage aus prozessualen Gründen erstrebt. Für die Frage, ob der Terminsauftritt als „Verhandlung“ zu werten ist, reicht dies aus.
Das Bundesarbeitsgericht2 hat zu einem vergleichbar gelagerten Fall diesbezüglich überzeugend ausgeführt: Diese mit dem Begriff des ‚Verhandelns‘ iSd. § 333 ZPO zwingend verbundene Klärung setzt allerdings nicht stets das Stellen eines Antrags voraus. Das Erfordernis der Antragstellung kann dann entfallen, wenn sich das Verhalten einer Partei als derartige Teilnahme am Prozessgeschehen darstellt, dass sie auf eine bestimmte Entscheidung des Gerichts in der Sache gerichtet ist3 . Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn auf Grund der Antragstellung der anderen Partei, in der Regel der klagenden Partei, deren Prozessziel eindeutig klar ist, und die Gegenseite durch ihr Auftreten im Verhandlungstermin und ihre bisherige Beteiligung am Rechtsstreit für Gericht und Gegenpartei auch ohne Antragstellung unzweifelhaft klargestellt hat, dass sie sich gegen die beantragte Verurteilung zur Wehr setzen will. Hinzu kommt, dass durch die Negation der Streitgegenstand nicht bestimmt wird (§ 308 ZPO). Von daher genügt es, wenn sich der Wille zur Abwehr des Antrags des Gegners aus dem Vorbringen ergibt, ohne dass eine nach den Ordnungsvorschriften der §§ 137, 297 ZPO an sich gebotene Antragstellung erfolgt4. Dieser Auffassung schließt sich das Landgericht Stralsund an.
Die Beklagten hatten mit ihren Schriftsätzen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, der Klage sachlich – im Übrigen aber jedenfalls mit prozessualen Bedenken – entgegentreten zu wollen. Soweit die Beklagten in einem weiterem Schriftsatz haben erklären lassen, dass es ihnen „nicht zuzumuten“ sei, „sich vor dem unzuständigen Gericht bereits in der Sache selbst zu äußern“, ist dies – soweit es hierauf nach dem oben Gesagten überhaupt tragend ankommt – angesichts der ganz offensichtlich allein auf Verschleppung angelegten Prozessführung der Beklagten als treuwidrig und unbeachtlich anzusehen, abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt bereits erklärt war, dass der Klageforderung sachlich entgegengetreten werden würde. Hierauf aber hat sich dann der Beklagtenbevollmächtigte im Termin implizit bezogen. Bis zu seiner erst am Ende des Termins nach längerer und sich ausgesprochen schwierig gestaltender Erörterung geäußerten – im Übrigen auch erkennbar abwegigen – Einschätzung, eine Sachantragstellung sei ihm unzumutbar, hat der Beklagtenbevollmächtigte Gegenteiliges jedenfalls nicht bekundet. Damit aber gilt auch insoweit der Grundsatz, dass beklagtenseitig im Zweifel das gesamte bis dahin erfolgte schriftsätzliche Vorbringen in Bezug genommen worden ist5. Unter diesen Umständen hatten die Beklagten im Verhandlungstermin ausnahmsweise auch ohne ausdrückliche Antragstellung bereits i. S. des § 333 ZPO „verhandelt“, ehe ihr bevollmächtigter am Terminsschluss erklären ließ, keinen Sachantrag stellen zu wollen. Da ein einmal erfolgtes „Verhandeln“ sich nicht durch einen „Widerruf“ oder die spätere Erklärung, nicht mehr auftreten zu wollen, revidieren lässt, müssen sich die Beklagten insoweit an ihrer Verhandlung festhalten lassen. Insoweit war hier kontradiktorisch durch Endurteil zu entscheiden, nicht durch Versäumnisurteil, und zwar ausdrücklich auch ungeachtet des Umstandes, dass klägerseitig „gegebenenfalls“, also – sinngemäß – ohnehin nur vorsorglich, der Erlass einer Versäumnisentscheidung beantragt worden war.
Auch hierzu hat das BAG6 überzeugend ausgeführt7: Die Erklärung des klägerischen Prozessbevollmächtigten: ‚Ich trete nunmehr nicht auf für den Kläger‘, hat ebenfalls nicht zur Säumnis geführt. Die Erklärung eines Prozessbevollmächtigten, ’nicht aufzutreten‘ bedeutet, dass er trotz seiner körperlichen Anwesenheit wie ein nicht Anwesender behandelt werden möchte8 . Hat ein Prozessbevollmächtigter vor Abgabe dieser Erklärung – auch ohne Stellen der Sachanträge – zur Hauptsache verhandelt, so tritt durch diese Erklärung keine Versäumung des Termins iSd. § 220 Abs. 2 ZPO ein. Nach dieser Vorschrift gilt ein Termin nur dann als versäumt, wenn eine Partei bis zum Schluss des Termins nicht verhandelt hat. Ist im Termin einmal verhandelt, kann aus der Verweigerung weiterer Erklärungen keine Säumnisfolge abgeleitet werden9. Der Bundesgerichtshof10 hat deshalb einen Fall der Säumnis verneint, in dem ein Anwalt nach Stellen der Sachanträge, der Verhandlung zur Hauptsache und nach der Vernehmung eines Zeugen erklärt hatte, er trete nicht mehr auf.
Entsprechendes gilt auch vorliegend. Die erst am Terminsschluss nach ausgiebiger Erörterung angebrachte – und im Übrigen offensichtlich allein zu Verschleppungszwecken vorgeschobene – Aussage, eine Sachantragstellung sei unzumutbar, ist vorliegend nicht anders zu beurteilen als die Erklärung, nicht mehr aufzutreten.
Landgericht Stralsund, Urteil vom 8. Mai 2012 – 6 O 39/11
- im Anschluss an BAG, NZA 2007, 1450[↩]
- BAG, Urteil vom 23.01.2007 – 9 AZR 492/06, NZA 2007, 1450[↩]
- vgl. OLG Bamberg 24.08.1995 – 2 UF 56/95 , NJW-RR 1996, 317 mwN[↩]
- so zutreffend OLG Bamberg 24.08.1995 – 2 UF 56/95 – aaO mwN[↩]
- vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl.2009, § 137 Rdnr. 1 m.w.N.[↩]
- BAG, Urteil vom 23.01.2007 – 9 AZR 492/06, a.a.O.[↩]
- vgl. im Übrigen zur Unwiderruflichkeit des „Verhandelns“ auch OLG München, Urteil vom 26.10.2010 – 5 U 2320/10, MDR 2011, 384[↩]
- BGH 9.10.1985 – IVb ZR 59/84 , NJW-RR 1986, 286[↩]
- Zöller/Herget § 333 Rn. 1[↩]
- BGH, Urteil vom 09.10.1974 – VIII ZR 215/73, BGHZ 63, 94[↩]