Vorteile aufgrund einer Teilzahlungsmöglichkeit begründen bei Widerruf von Teilzahlungsgeschäften keinen Anspruch auf Ersatz des Wertes von Nutzungen.

Aufgrund eines wirksam erklärten Widerrufs sind nach § 346 Abs. 1, 2 BGB i. V. m. § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben bzw. – da die Herausgabe der Nutzung nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist – insoweit Wertersatz zu leisten. Ein solcher Anspruch auf Ersatz des Wertes gezogener Nutzungen besteht im Fall des Widerrufs eines Lexikothek-Kaufs allerdings nur in Höhe eines Bruchteils des Wertes der Kaufgegenstände.
Herauszugeben bzw. nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB in ihrem Wert zu ersetzen sind Nutzungen, zu denen nach § 100 BGB Gebrauchsvorteile gehören. Wenn eine konkrete Nutzung nicht festzustellen ist, liegen die Gebrauchsvorteile in der bloßen Nutzungsmöglichkeit [1]. Jedenfalls bei den hier in Frage stehenden Nachschlagewerken ist nicht erforderlich, die tatsächliche Nutzung konkret darzulegen und hierzu etwa vorzutragen, wann, wie oft und in welchen Bereichen die Werke gelesen wurden. Eine Bewertung hiernach stieße nicht nur auf nahezu unüberwindliche Darlegungsschwierigkeiten des Gläubigers, sondern entspräche auch nicht der Wertung, die der Verkehrsauffassung entspricht und zudem der anzuwendenden Berechnungsmethode ausgehend von der linearen Wertabschreibung zugrunde liegt. Ein Nachschlagewerk verliert nicht dadurch an Wert, dass es – sorgsam – gelesen wird, sondern dadurch, dass es – regelmäßig mit der Möglichkeit einer Nutzung – vorgehalten wird und altert. Entsprechend lässt sich eine durchschnittliche „Lesedauer“ nicht feststellen, im Verhältnis zu der der Wert der im konkreten Fall stattgefundenen Lesedauer zu bemessen ist. Der Wert solcher Nachschlagewerke wird – neben u. U. dekorativem Nutzen – auch gerade darin gesehen, eine jederzeitige Nachschlagemöglichkeit zu haben. Diesen Wert danach zu differenzieren, ob viel oder wenig, oberflächlich oder intensiv gelesen wird, entspräche nicht der Verkehrsauffassung.
Regelmäßig ist der Wert dieser Gebrauchsvorteile bei beweglichen Gegenständen nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebrauch – bzw. der Gebrauchsmöglichkeit – und der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer zu bestimmen [2]. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die fiktiven Aufwendungen herauszugeben sind, die der Käufer gehabt hätte, wenn er anderweit eine gleichartige und gleichwertige Sache angeschafft und diese für dieselbe Zeitspanne in derselben Weise genutzt hätte [3]. Dabei ist regelmäßig der Kaufpreis als Ausgangswert zugrunde zu legen [4]. Wertminderungen, die unabhängig von einer Nutzung oder der Vorhaltung der Nutzungsmöglichkeit eintreten, insbesondere dadurch, dass die verkaufte Sache aufgrund des Verkaufs nicht mehr als neu angesehen werden kann sowie Verluste aufgrund eines Preisverfalls am Markt sind hierbei nicht zu ersetzen [5].
Da diese Werte regelmäßig nicht exakt berechenbar sind, sind sie vom Gericht in entsprechender Anwendung von § 287 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen [6].
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze ist allerdings auf Sachen mit einer begrenzten Gesamtnutzungsdauer beschränkt [7]. Bei Gegenständen, die durch Gebrauch oder Zeitablauf nicht an Wert verlieren, ist umstritten, wie der Wert der Gebrauchsvorteile zu berechnen ist. Teilweise wird vertreten, dass diese anhand eines durchschnittlichen Miet-/Pachtzinses zu bewerten seien [8]. Teilweise wird vertreten, den Wert an die Ertragsverluste des für den Erwerb aufgewandten Kapitals anzulehnen [9]. Teilweise wird vertreten, dass in den Fällen, in denen aus dem bloßen Besitz der Sache kein materieller Nutzen gezogen wird, entsprechend einem § 253 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken immaterielle Nutzungen grundsätzlich keinen in Geld bewertbaren Vermögensvorteil hätten und daher kein Wertersatz geschuldet sei [10].
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe gilt vorliegend Folgendes:
Bei Nutzung der vorliegend in Frage stehenden Nachschlagewerke lässt sich die Ersparnis fiktiver Aufwendungen für die Anschaffung gleichartiger und gleichwertiger Sachen entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht mit dem Argument verneinen, der Bildungswert, der Gegenstand des Gebrauchs von Büchern ist, sei auf andere Weise auch kostenlos zu erlangen, etwa durch die Inanspruchnahme öffentlicher Bibliotheken. Die Möglichkeit des Zugriffs in Büchereien, die mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden ist, stellt gegenüber der jederzeit verfügbaren Nutzungsmöglichkeit im eigenen Haus keine vergleichbare Nutzungsmöglichkeit dar.
Die Ersparnis von Aufwendungen lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt negieren, dass die in den Nachschlagewerken enthaltenen Informationen heutzutage auch kostenfrei im Internet recherchiert werden können und regelmäßig auch werden. Abgesehen von dem ästhetischen Wert der verkauften Bücher besteht ihr wesentlicher Vorteil gegenüber der Recherche in einem Internet in der jedenfalls nach allgemeiner Auffassung größeren Verlässlichkeit gegenüber den Informationen in freien Internet-Enzyklopädien (z. B. Wikipedia) und zum anderen in der didaktisch besonderen Aufarbeitung. Kostenlos zur Verfügung stehende Recherchemöglichkeiten bieten daher nicht den gleichen Nutzwert wie die verkauften Werke.
Ebenfalls überzeugt das Oberlandesgericht Celle die Auffassung nicht, § 253 BGB sei ein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen, aufgrund dessen Nutzungsvorteile mit immateriellem Charakter nicht zu ersetzen seien. § 253 BGB enthält eine Wertung betreffend die Ersatzpflicht immaterieller Schäden, jedoch nicht den allgemeinen Rechtsgedanken, dass immaterielle Vorteile keinen Wert hätten.
Bei den vorliegend verkauften Werken handelte es sich um Gegenstände mit einer begrenzten Nutzungsdauer, die durch Zeitablauf an Wert verlieren. Auch wenn die in ihnen enthaltenen Informationen durch Zeitablauf regelmäßig nicht vollständig überholt und wertlos werden, unterliegen doch einzelne Informationen und insbesondere voraussichtlich die Art der didaktischen Vermittlung angesichts fortschreitender Digitalisierung und neuartiger Medien einem Wandel, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die verkauften Werke unbegrenzt in der allgemeinen Verkehrsanschauung als nutzungstauglich angesehen werden. Dass im Einzelfall an derartigen Werken ein u. U. zeitlich unbegrenztes Sammlerinteresse bestehen mag, hat bei der Bemessung der gewöhnlichen Nutzungsdauer unberücksichtigt zu bleiben.
Angesichts der Art der in diesen Werken enthaltenen Informationen und der üblicherweise eher hochwertigen Herstellung der gebundenen Werke ist eine verhältnismäßig lange Nutzungsdauer anzunehmen. Das Oberlandesgericht schätzt sie in entsprechender Anwendung von § 287 ZPO für überwiegend gedruckte Nachschlagewerke der vorliegenden Art, wie sie Gegenstand des Vertrages vom 05.04.2004 waren, unbeschadet des Umstandes, dass dort auch ein auf drei Jahre beschränkter Zugang zu digitalen Informationen verkauft wurde, auf 50 Jahre. Dass der Nutzwert zum Ende dieser Zeitspanne geringer sein wird als heute, liegt in der Natur der Sache. Bei dieser Einschätzung knüpft das Oberlandesgericht an die regelmäßig vorhandene Vorstellung an, mit den hier in Frage stehenden Werken „etwas fürs Leben“ zu erwerben bzw. – bei höherem Lebensalter – etwas zum Vererben. Die allgemeine Verkehrsanschauung, die das Oberlandesgericht aus eigener Erfahrung feststellen kann, weil seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, legt daher eine entsprechende Nutzungsdauer zugrunde. Die Verkehrsauffassung orientiert sich jedenfalls betreffend die hier in Frage stehenden allgemeinen Nachschlagewerke nicht an üblichen Aktualisierungszyklen. Anders als beispielsweise bei fachwissenschaftlichen oder sonst beruflich genutzten Publikationen ist es nicht üblich, privat genutzte Nachschlagewerke des vorliegenden Umfangs und Preises nur aufgrund des Erscheinens einer Aktualisierung zu ersetzen und das frühere Werk nicht mehr zu nutzen. Auch diese allgemeine Verkehrsauffassung kann das Oberlandesgericht aus eigener Anschauung feststellen, so dass die Einholung von Sachverständigengutachten entbehrlich ist.
Anhaltspunkte dafür, dass die Werke rein physisch eine geringere Lebenserwartung und Nutzungsdauer haben könnten, bestehen nicht.
Betreffend Nachschlagewerke, die – wie der vorliegend mit Vertrag vom 15.01.2007 verkaufte B. M.- ganz oder zumindest überwiegend auf digitalen Datenträgern (CD, DVD) verkauft werden, schätzt das Oberlandesgericht Celle demgegenüber die gewöhnliche Nutzungsdauer auf 25 Jahre. Ausschlaggebend für diese kürzere Dauer ist zum einen der Umstand, dass schon die technische Möglichkeit, solche Datenträger zu lesen, aufgrund des zu erwartenden technischen Fortschritts und der u.U. auch kürzeren technischen Lebensdauer gegenüber Büchern begrenzt ist. Darüber hinaus kommt weiteren Funktionen – etwa dem repräsentativen Wert oder didaktischen Möglichkeiten, die digital so nicht zur Verfügung stehen – keine Bedeutung zu. Bei solchen Nachschlagewerken leidet die gewöhnliche Nutzbarkeit daher eher unter der fortschreitenden Informationsentwicklung als bei gedruckten Büchern.
Die an das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 27.05.2004 [11] angelehnte Auffassung, die Nutzungsdauer sei mit höchstens 15 Jahren zu bemessen, ist unzutreffend. Dem Urteil des Amtsgerichts Köln lag ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Die gewöhnliche Nutzungsdauer eines dort in Frage stehenden juristischen Kommentars ist ungleich kürzer als die einer Chronik oder eines Lexikons. Auch der zuletzt unter Bezugnahme auf Entscheidungen verschiedener Landgerichte gestützten Annahme einer noch kürzeren gewöhnlichen Nutzungsdauer folgt das Oberlandesgericht aus den genannten Gründen nicht.
Der Wert der Werke, nach dem sich der Wert der Gebrauchsvorteile errechnet, ist jeweils nicht anhand des vereinbarten Teilzahlungspreises, sondern anhand des (niedrigeren) Gesamt-Barpreises zu bemessen.
Ausgehend hiervon ergeben sich – gerechnet jeweils bis zum 9.09.2014, dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung, folgende entsprechend § 287 ZPO geschätzte Werte der Nutzungsmöglichkeiten:
Die erworbene Lexikothek wurde dem Käufer 2004 geliefert . Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung hatte er sie mithin 3.752 Tage im Besitz. Ausgehend von einem Gesamt-Barpreis von 2.286 € ergibt sich für das Oberlandesgericht Celle mithin ein Wert der Gebrauchsvorteile in Höhe von 469, 98 €.
Demgegenüber ist der Vorteil, den die Käufer aufgrund der in den Verträgen jeweils eingeräumten Teilzahlungsmöglichkeit hatten, nicht zu ersetzen. Die Käufer haben hierdurch keinen über die Erlangung der Kaufgegenstände hinausgehenden Wert erhalten. Die Gebrauchsvorteile aus dem Besitz der gekauften Werke sind nach den vorstehenden Erwägungen zu ersetzen. Dass die Kaufpreise zeitweise gestundet waren, hat demgegenüber keinen eigenständigen Wert.
Zwar besteht bei der Rückabwicklung eines Darlehensvertrages nach einem Widerruf ein Anspruch auf marktübliche Verzinsung [12]. Diese Rechtsfolge beruht allerdings auf der Besonderheit, dass die Überlassung des Geldes bei einem Darlehensvertrag die Hauptleistungspflicht darstellt [13]. Im Übrigen ist eine Verzinsung nur dann geschuldet, wenn der Rückgewährschuldner das empfangene Geld – hier: die zunächst gestundeten Beträge – entweder tatsächlich zur Erzielung von Anlagezinsen oder zur Reduzierung von Schuldzinsen genutzt hat [14].
Im vorliegenden Fall stellte die teilweise Kreditierung des Kaufpreises keine Hauptleistungspflicht dar. Konkrete Nutzungen der aufgrund der Stundung zunächst erlangten Vorteile sind nicht dargelegt. Eine sekundäre Darlegungslast der Käufer besteht insoweit nicht. Die Darlegung eines Vergleichs zwischen der wirtschaftlichen Lage, die sich unter Berücksichtigung der teilweisen Kreditierung tatsächlich ergab, und der fiktiven Lage, die sich bei einer sofortigen Zahlung des Kaufpreises ergeben hätte, ist nicht vertretbar möglich.
Die hiernach bestehenden wechselseitigen Ansprüche – Rückzahlung des Kaufpreises einerseits, Rückgabe der gekauften Werke und Zahlung des Wertersatzes für die Nutzung andererseits – sind nach § 348 BGB Zug um Zug zu erbringen. Eine Saldierung findet nicht statt [15].
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 4. Dezember 2014 – 13 U 205/13
- jurisPK-BGB/Faust, 6. Aufl., § 346 Rn. 101[↩]
- BGH, Urteil vom 31.03.2006 – V ZR 51/05 12 f.; Urteil vom 25.10.1995 – VIII ZR 42/94 16, 28; Urteil vom 26.06.1991 – VIII ZR 198/90 21; BT-Drs. 14/6040, Seite 193 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 31.03.2006, a. a. O, Tz. 13; Urteil vom 25.10.1995, a. a. O., Tz. 16[↩]
- BGH, Urteil vom 25.10.1995, a. a. O., Tz. 29[↩]
- BT-Drs. 14/6040, Seite 193 a. E.[↩]
- BGH, Urteil vom 26.06.1991, a. a. O., Tz. 9[↩]
- MünchKomm-BGB/Gaier, 6. Aufl., § 346 Rn. 26; jurisPK-BGB/Vieweg, 6. Aufl., § 100 Rn. 14[↩]
- MünchKomm-BGB/Gaier, § 346 Rn. 28; BeckOK-BGB/Schmidt (Stand: 1.02.2014), § 346 Rn. 36; jurisPK-BGB/Faust, § 346 Rn. 106[↩]
- Soergel/Lobinger BGB, 13. Aufl., § 346 Rn. 56[↩]
- Kaiser in: Staudinger (2012), BGB, § 346 Rn. 272 f.[↩]
- AG Köln, Urteil vom 27.05.2004 – 138 C 48/04, NJW 2004, 3342[↩]
- BGH, Urteil vom 16.05.2006 – XI ZR 6/0420 m. w. N.[↩]
- zu dieser Differenzierung: Gaier in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 346 Rn.20, § 347 Rn. 8 a. E.[↩]
- Gaier, a. a. O., § 347 Rn. 8; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl., § 346 Rn. 6; vgl. auch BGH, Urteil vom 10.03.2009 – XI ZR 33/08 29, wonach bei einer Bank zu vermuten ist, dass Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses tatsächlich gezogen wurden[↩]
- MünchKomm-BGB/Gaier, § 348 Rn. 4[↩]
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