Ein Neuwagenkäufer, der die Entgegenahme des ihm angebotenen Fahrzeugs wegen vorhandener Karosserie- und Lackmängel ablehnt und deren Beseitigung verlangt, verliert hierdurch nicht den Anspruch darauf, dass das Fahrzeug technisch und optisch in einen Zustand versetzt wird, der der beim Neuwagenkauf konkludent vereinbarten Beschaffenheit "fabrikneu" entspricht. Bei der im Rahmen des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung indiziert der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung in der Regel die Erheblichkeit der Pflichtverletzung 1.

Der Bundesgerichtshof hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage befasst, ob sich der Käufer eines Neuwagens noch auf die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs berufen kann, wenn er die Abnahme des an Lackierung und Karosserie beschädigten Fahrzeugs nicht generell abgelehnt, sondern zunächst eine Beseitigung der Schäden verlangt hat und diese anschließend nur unzureichend gelungen ist.
Der Kläger bestellte im November 2009 bei der Beklagten, einer BMW-Vertragshändlerin, zum Preis von 39.000 € einen BMW 320d als Neuwagen. Im Dezember 2009 verweigerte er die Annahme des Fahrzeugs wegen Schäden an der Lackierung und der Karosserie und verlangte unter Fristsetzung Nachbesserung. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten, das die daraufhin vorgenommene Nachbesserung für nicht ordnungsgemäß erachtet hatte, lehnte er Mitte Januar 2010 eine Übernahme des Fahrzeugs erneut ab und trat vom Vertrag zurück, nachdem die Beklagte sich darauf berufen hatte, dass das Fahrzeugs nunmehr mängelfrei sei.
Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Anzahlung in Höhe von 10.000 €, Freistellung von den zur Fahrzeugfinanzierung eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten sowie Ersatz von Sachverständigenkosten in Anspruch genommen.
Das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Bochum hat der Klage stattgegeben 2. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Hamm dagegen die Klage abgewiesen, weil der Kläger sich angesichts seines Nachbesserungsverlangens nicht mehr auf die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs berufen könne und die verbliebenen Mängel, auch wenn zu deren Beseitigung Kosten von bis zu sieben Prozent des Kaufpreises anfallen könnten, lediglich optischer Natur und kaum wahrnehmbar seien 3.
Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Klägers hatte jetzt Erfolg: Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Käufer eines Neuwagens grundsätzlich erwarten kann, dass die von ihm verlangte Nachbesserung technisch den Zustand herbeiführt, der dem werksseitigen Auslieferungsstandard entspricht. Verlangt der Käufer eines Neuwagens die Beseitigung von Mängeln, verzichtet er damit nicht auf die mit der Neuwagenbestellung vereinbarte Beschaffenheit einer Fabrikneuheit des Fahrzeugs. Wird durch die Nachbesserungsarbeiten ein Fahrzeugzustand, wie er normalerweise bei einer werksseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Der Rücktritt ist dabei auch nicht durch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Denn der als Beschaffenheit vereinbarte fabrikneue Zustand des Fahrzeugs ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Kaufentscheidung und spielt auch wirtschaftlich eine Rolle, da Fahrzeuge, die nicht mehr als fabrikneu gelten, mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt werden.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Hamm aufgehoben und die Sache zur Klärung neu aufgetretener Umstände, die aus prozessualen Gründen im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden konnten, an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.
In dem entschiedenen Fall waren an dem als Neuwagen verkauften Fahrzeug auch bei dem zweiten Übergabeversuch noch Oberflächenverkratzungen und Lackschäden vorhanden, die von dem zu erwartenden gewöhnlichen Zustand eines Neufahrzeugs abweichen. Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Damit fehlte dem Fahrzeug die mit dem Vertragsschluss konkludent vereinbarte, dem Begriff "Neuwagen" innewohnende Beschaffenheit "fabrikneu". Denn Fabrikneuheit verlangt, dass sich das Fahrzeug bei Übergabe an den Käufer in dem unbenutzten und unbeschädigten Zustand befindet, wie es vom Hersteller ausgeliefert worden ist 4. Dieser Zustand war nach den festgestellten Oberflächenverkratzungen und Lackschäden nicht mehr gegeben. Zudem waren die am hinteren linken Radlauf ausgeführten Reparaturarbeiten nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich von "handwerklicher" und damit nicht von solcher Qualität, wie sie für einen werksseitigen Herstellungszustand bei Auslieferung des Fahrzeugs in unbeschädigtem Zustand zu erwarten war.
Allerdings verwirft der Bundesgerichtshof die Ansicht, der Käufer könne aufgrund des von ihm erhobenen Nachbesserungsverlangens die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs nicht mehr als Mangel geltend machen oder sich darauf berufen, dass die von ihm verlangte Reparatur die Fabrikneuheit beseitigt habe. An diese Auslegung des Nachbesserungsverlangens des Käufers ist der Bundesgerichtshof nicht gebunden. Zwar handelt es sich hierbei um eine Individualerklärung, deren tatrichterliche Auslegung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt darauf überprüft werden kann, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist 5. Solche Rechtsfehler liegen hier jedoch vor, weil die Auslegung des Berufungsgerichts, ohne dass besondere Umstände festgestellt oder sonst erkennbar sind, dem üblichen Bedeutungsgehalt eines Nachbesserungsverlangens nicht gerecht wird.
Die in § 439 Abs. 1 BGB als eine der Modalitäten der Nacherfüllung geregelte Nachbesserung zielt darauf ab, die gekaufte Sache in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, wie er nach § 433 Abs. 1 Satz 2, § 434 Abs. 1 BGB geschuldet ist. Der Verkäufer schuldet deshalb nicht nur bloße Verbesserungen eines bestehenden Mangelzustands, sondern eine vollständige und nachhaltige Beseitigung des Mangels 6. Zwar steht es einem Käufer frei, Nachbesserung auch dann zu verlangen, wenn eine Behebung des Mangels nicht vollständig möglich ist und er – wenn auch gegebenenfalls unter Ausgleich eines dadurch verbleibenden Minderwerts – bereit ist, sich mit einem Zustand der Sache im Umfang einer möglichen Nachbesserung zu begnügen 7. Dass er bei Stellung eines Nachbesserungsverlangens aber bereit ist, einen Nachbesserungserfolg unterhalb des Möglichen als noch vertragsgerecht hinzunehmen und dadurch auf einen Teil der zu beanspruchenden Leistung zu verzichten, kann – da ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, sondern eindeutiger Anhaltspunkte bedarf 8 – nicht ohne Weiteres angenommen werden. Dies hat das Berufungsgericht nicht bedacht.
Dem Nachbesserungsverlangen des Käufers ist zwar zu entnehmen, dass er für die Frage einer Nachbesserungsfähigkeit der von ihm beanstandeten Beschädigungen nicht darauf abstellen wollte, ob sie vor oder nach Auslieferung durch den Hersteller eingetreten waren 9. Er konnte aber grundsätzlich erwarten, dass ihm ein einem Neuwagen entsprechendes mangelfreies Fahrzeug übergeben würde, der herbeizuführende Nachbesserungserfolg also jedenfalls in technischer Hinsicht den Fahrzeugzustand wiederherstellen würde, wie er werksseitig bei Auslieferung des Fahrzeugs in unbeschädigtem Zustand vorgelegen hätte. Das gilt umso mehr, als der Käufer bei seinem Nachbesserungsverlangen auf die ihm zustehende Fabrikneuheit des Fahrzeugs hingewiesen und das Erfordernis einer Makellosigkeit der Lackierung noch einmal eigens hervorgehoben hatte.
Den danach geschuldeten "fabrikneuen" Fahrzeugzustand hat die Autohändlerin auch bei ihrem zweiten Übergabeversuch durch die von ihr vorgenommenen Nachbesserungsarbeiten nicht erreicht. Das gilt für die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Oberflächenverkratzungen und Lackschäden, die nach den getroffenen Feststellungen "von dem … zu erwartenden, gewöhnlichen Zustand eines Neufahrzeugs" abwichen und zu deren möglicher Behebung ein weiterer Nachbesserungsaufwand erforderlich gewesen wäre, und ebenso für die am hinteren linken Radlauf ausgeführten Reparaturarbeiten.
Hiernach lagen die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts des Käufers nach § 323 Abs. 1 BGB vor. Denn der Käufer hatte das Fahrzeug bei Erklärung seines Rücktritts noch nicht abgenommen, sondern als erfüllungsuntauglich zurückgewiesen, nachdem es der Autohändlerinn nach bereits gescheitertem ersten Übergabeversuch trotz der ihr zur Nachbesserung gesetzten Frist nicht gelungen war, das Fahrzeug in einen mangelfreien Zustand zu versetzen 10. Allerdings bedarf es auch vorliegend keiner Entscheidung über die bereits im BGH-Urteil vom 17. Februar 2010 11 offen gelassene Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen dem Käufer ein Recht zur Zurückweisung einer ihm angebotenen mangelhaften Kaufsache zusteht. Denn dem Berufungsgericht kann jedenfalls nicht darin gefolgt werden, dass eine auf die festgestellten Mängel gestützte Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB an der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung scheitere, weil die Mängel lediglich optischer Natur und kaum wahrnehmbar seien.
Nach dieser Vorschrift ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist 12. Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine umfassende Interessenabwägung, in deren Rahmen ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung aber die Erheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel indiziert 13. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Die von den Parteien getroffene Beschaffenheitsvereinbarung ist auch im Rahmen des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB und der dabei anzustellenden Interessenabwägung beachtlich. Hieran gemessen erweist sich die Erwägung des Berufungsgerichts, sämtliche Mängel seien trotz der für ihre Beseitigung aufzuwendenden Kosten im Bereich von 2.000 € bis maximal 3.000 € geringfügig im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, weil sie lediglich optischer Natur und auch für den sorgfältigen Betrachter kaum wahrnehmbar seien, als rechtsfehlerhaft. Abgesehen davon, dass mit der Entscheidung für den Kauf eines Neuwagens für den Käufer gerade typischerweise auch optische Gesichtspunkte, insbesondere eine verarbeitungstechnische Makellosigkeit der Karosserie, eine zumindest mit entscheidende Rolle zu spielen pflegen, kommt dieser Kaufentscheidung zugleich eine wirtschaftliche Bedeutung zu. Denn Fahrzeuge, die diesen Karosseriestandard – wie hier – nicht oder nicht mehr annähernd aufweisen, werden üblicherweise mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt, da sie in der Wertschätzung des Verkehrs nur noch zweite Wahl sind und deshalb allenfalls noch als bereits in Gebrauch genommene Vorführwagen abgesetzt werden können 14.
Ohne Bedeutung für die vorzunehmende Interessenabwägung ist es schließlich, ob auf das Nachbesserungsverlangen des Käufers durch Nachbesserungsarbeiten der Autohändlerinn ein einem Neuwagen jedenfalls annähernd entsprechender Karosseriezustand hätte erreicht werden können und ob – wie die Revisionserwiderung geltend macht – mit Blick auf die für die berücksichtigungsfähigen Mängel angesetzten Reparaturkosten im Bereich von fünf Prozent des Kaufpreises gleichwohl von deren Geringfügigkeit und damit einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung auszugehen wäre. Denn für die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel als geringfügig im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen ist, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen 15. Zu diesem Zeitpunkt war es der Autohändlerinn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch trotz der ihr gemäß § 323 Abs. 1 BGB gesetzten Frist nicht gelungen, die zuvor gerügten Schäden fachgerecht zu beseitigen. Ein zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung erheblicher Mangel wird nicht dadurch unerheblich, dass es der Autohändlerinn möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt noch hätte gelingen können, das Fahrzeug in einen der getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung entsprechenden Zustand zu versetzen 16.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Februar 2013 – VIII ZR 374/11
- Bestätigung von BGH, Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289[↩]
- LG Bochum, Urteil vom 23.02.2011 – 6 O 151/10[↩]
- OLG Hamm, Urteil vom 10.11.2011 – I‑2 U 68/11[↩]
- BGH, Urteil vom 18.06.1980 – VIII ZR 185/79, aaO unter II 2 c[↩]
- vgl. nur BGH, Urteile vom 07.02.2007 – VIII ZR 225/05, WM 2007, 1227 Rn. 13 mwN; vom 26.10.2011 – VIII ZR 108/10[↩]
- BGH, Urteil vom 22.06.2005 – VIII ZR 281/04, BGHZ 163, 234, 242 f.; Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 439 Rn. 2; jurisPK-BGB/Pammler, 6. Aufl., § 439 Rn. 13 f.[↩]
- vgl. Staudinger/MatuscheBeckmann, BGB, Neubearb.2004, § 439 Rn. 38[↩]
- BGH, Urteil vom 09.05.2012 – VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2270 Rn. 26 mwN[↩]
- dazu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 557 f. mwN[↩]
- vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 434 Rn. 8a, § 437 Rn. 49; Bamberger/Roth/Faust, BGB, 3. Aufl., § 433 Rn. 41, § 437 Rn. 4[↩]
- BGH, Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 21 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, WM 2011, 2149 Rn.19[↩]
- BGH, Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23 mwN[↩]
- vgl. auch BGH, Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, aaO Rn. 25[↩]
- BGH, Urteil vom 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, WM 2011, 2148 Rn. 9 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, aaO mwN[↩]