Der Einwand, die Antragstellerin habe durch die Geltendmachung gleichgerichteter, auf identische Veröffentlichungen gestützter Unterlassungsansprüche in getrennten Verfahren ungerechtfertigt Mehrkosten verursacht, ist im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen.

Es kann dabei für den Bundesgerichtshof offenbleiben, ob die Erstattungsfähigkeit der durch die getrennte Geltendmachung der Unterlassungsansprüche entstandenen erhöhten Rechtsanwaltsgebühren mit der Begründung verneint werden kann, dass diese Kosten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewesen seien1.
Denn der Einwand ist im Kostenfestsetzungsverfahren jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu berücksichtigen.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts unterliegt jede Rechtsausübung – auch im Zivilverfahren – dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot2. Als Ausfluss dieses auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu führen, dass das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren abzusetzen sind3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 91 Rn. 140; von Eicken/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 20. Aufl., Rn. B 362; vgl. auch BGH, Urteil vom 01.03.2011 – VI ZR 127/10, AfP 2011, 184)).
So kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen einheitlichen Lebenssachverhalt willkürlich in mehrere Prozessmandate aufgespalten hat4. Dies kann beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn er einen oder mehrere gleichartige oder in einem inneren Zusammenhang stehende und aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat5. Gleiches gilt für Erstattungsverlangen in Bezug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den- oder dieselben Antragsgegner vorgegangen sind6.
Nach diesen Grundsätzen ist im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall das Festsetzungsverlangen des Antragstellers, soweit es auf die Erstattung der durch die getrennte Rechtsverfolgung entstandenen Mehrkosten gerichtet ist, als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Die vom Antragsteller in den getrennten Verfahren erhobenen Unterlassungsansprüche ergeben sich aus demselben Lebenssachverhalt – der Veröffentlichung des bebilderten Artikels in der Zeitschrift „die aktuelle“ vom 07.08.2010 – und sind sowohl gleichartig als auch gleichgerichtet. Ihre Geltendmachung diente in beiden Fällen dem Zweck, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers durch einen rechtswidrigen Eingriff in seine Privatsphäre für die Zukunft zu unterbinden. Auf diesen Gesichtspunkt hatte der Antragsteller seine Ansprüche in seinen am selben Tag unter demselben Aktenzeichen verfassten und im Wesentlichen gleichlautenden Abmahnschreiben ausdrücklich gestützt. Auch seine am selben Tag verfassten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatte er übereinstimmend damit begründet, dass die Berichterstattung sein Persönlichkeitsrecht verletze, weil sie sein Privatleben in rechtswidriger Weise öffentlich mache. Die Ansprüche stehen darüber hinaus in einem inneren Zusammenhang. Dies ergibt sich daraus, dass die Wort- und Bildberichterstattung Bestandteil eines Artikels war, die beanstandeten Lichtbilder der Illustration der Wortberichterstattung dienten und ihr Informationsgehalt unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln war7.
Sachliche Gründe für eine getrennte Geltendmachung der gleichartigen Unterlassungsansprüche sind weder ersichtlich noch dargetan. Die Aktenbearbeitung und Abwicklung eines Verfahrens, in dem ein Antragsteller gleichgerichtete Ansprüche aus einem einheitlichen Lebensvorgang gegen dieselbe Antragsgegnerin verfolgt, begründet keine erhöhten Anforderungen, die eine getrennte Rechtsverfolgung als sachgemäß erscheinen lassen könnten8. Entgegen der Auffassung des Antragstellers war eine getrennte Geltendmachung der Unterlassungsansprüche auch nicht wegen der Eilbedürftigkeit erforderlich. Der Antragsteller hatte der Antragsgegnerin mit Abmahnschreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 13.08.2010 jeweils eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bis 20.08.2010 setzen lassen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegnerin bei einer einheitlichen Abmahnung eine verlängerte Prüfungsfrist hätte eingeräumt werden müssen.
Der Antragsteller muss sich deshalb kostenrechtlich so behandeln lassen, als habe er ein einziges Verfahren gegen die Antragsgegnerin geführt9. Er kann die Kosten der Rechtsverfolgung nicht in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig im Verhältnis der Gegenstandswerte der Einzelverfahren zum – gemäß § 22 Abs. 1 RVG ermittelten – (fiktiven) Gesamtgegenstandswert eines einheitlichen Verfahrens10.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. November 2012 – VI ZB 4/12
- vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11.09.2012 – VI ZB 59/11, mwN – insoweit in MDR 2012, 1314 nicht abgedruckt[↩]
- BGH, Beschluss vom 11.09.2012 – VI ZB 59/11, MDR 2012, 1314, Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom 10.05.2007 – V ZB 83/06, BGHZ 172, 218 Rn. 13 f.; vom 02.05.2007 – XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 Rn. 12 f.; Urteil vom 19.12.2001 – VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 323; BVerfG, NJW 2002, 2456, jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2012 – VI ZB 59/11, aaO; BGH, Beschlüsse vom 31.08.2010 – X ZB 3/09, NJW 2011, 529 Rn. 10; vom 02.05.2007 – XII ZB 156/06, aaO Rn. 12 ff.; vom 18.10.2012 – V ZB 58/12, z.V.b.; KG, KGReport 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; OLG Stuttgart, OLGReport 2001, 427, 428; OLG München, OLGReport 2001, 105; MünchKomm-ZPO/Giebel, ZPO, 3. Aufl., Rn. 41, 48, 110; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., § 91 Rn. 9; Jaspersen/Wache in Vorwerk/Wolf, Beck OK ZPO, § 91 Rn. 152 ((Stand: April 2012[↩]
- vgl. MünchKomm-ZPO/Giebel, aaO, Rn. 48[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2012 – VI ZB 59/11, aaO; BGH, Beschlüsse vom 18.10.2012 – V ZB 58/12, z.V.b.; vom 02.05.2007 – XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257 Rn. 13; OLG Düsseldorf, JurBüro 1982, 602; 2002, 486; 2011, 648, 649; OLG Koblenz, VersR 1992, 339; KG, KGReport 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; OLG München, OLGReport 2001, 105 f.; OLG Stuttgart, OLGReport 2001, 427, 428[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2012 – VI ZB 59/11, aaO, Rn. 10; BGH, Beschluss vom 18.10.2012 – V ZB 58/12; OLG Frankfurt am Main, JurBüro 1974, 1599; OLG Stuttgart, OLGReport 2001, 427, 428; OLG München, OLGReport 2001, 105 f.; KG, KGReport 2000, 414, 415; 2002, 172, 173; MünchKomm-ZPO/Giebel, aaO Rn. 48, 110; Musielak/Lackmann, aaO; Jaspersen/Wache in Vorwerk/Wolf, aaO Rn. 119.8 (Stand: April 2012).[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 09.02.2010 – VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 35; vom 12.07.2011 – VI ZR 214/10, AfP 2011, 362 Rn. 21 ff.; vom 22.11.2011 – VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 26[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 – I ZR 300/02, NJW-RR 2006, 474 Rn. 21[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2012 – VI ZB 59/11, insoweit in MDR 2012, 1314 nicht abgedruckt; BGH, Beschluss vom 02.05.2007 – XII ZB 156/06, insoweit nicht in NJW 2007, 2257 abgedruckt; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 02.10.2012 – VI ZB 68/11, z.V.b.; KG, KGReport 2002, 172, 174[↩]