Aktuell musste sich der Bundesgerichtshof mit der Vorteilsausgleichung bei der Gewähr von Restschadensersatz im Falle des Weiterverkaufs eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Kraftfahrzeugs durch den Geschädigten befassen:

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nimmt ein Autokäufer die Volkswagen AG als Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Neuwagen in Anspruch. Er erwarb im März 2014 für 28.368, 40 € von einem Händler einen von der Volkswagen AG hergestellten VW Passat. Das Fahrzeug ist mit einem 2, 0 l-Motor des Typs EA 189 ausgestattet. Der Motor enthielt eine Software, die auf dem Prüfstand vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in den stickoxidoptimierten Modus 1 wechselte (Umschaltlogik). Die Software wurde im Herbst 2015 öffentlich bekannt; und vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet. Im Juli 2021 verkaufte der Autokäufer das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 158.701 km für 6.500 €.
Mit seiner im Januar 2021 erhobenen Klage hat der Autokäufer die Volkswagen AG auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Volkswagen AG hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Kassel hat die Klage abgewiesen1, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Berufung des Autokäufers zurückgewiesen2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 852 BGB seien nicht erfüllt, befand das OLG, weshalb nicht zu entscheiden sei, ob die Vorschrift ihrem Normzweck nach überhaupt anzuwenden sei. Es fehle an einer Bereicherung der Volkswagen AG auf Kosten des Autokäufers. Eine unmittelbare Vermögensverschiebung im Verhältnis der Parteien lasse sich nicht feststellen, da der Autokäufer das Fahrzeug nicht von der Volkswagen AG, sondern von einem Händler gekauft habe. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung habe der Vermögensverlust des Geschädigten keinen Vermögenszuwachs der Volkswagen AG zur Folge gehabt. Deren Vermögenszuwachs sei bereits und allein dadurch eingetreten, dass sich der (Zwischen)Händler gegenüber der Volkswagen AG zur Zahlung verpflichtet habe. Nicht zu folgen sei der Ansicht, ein wirtschaftlicher Zusammenhang entfalle nur, wenn der Zwischenhändler das Fahrzeug unabhängig von einer konkreten Bestellung nicht als Neu, sondern als Gebrauchtwagen erworben habe.
Diese Erwägungen hiellten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die bislang vom Oberlandesgericht Frankfurt getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, nach der vom Autokäufer nicht in Frage gestellten Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB seien sämtliche Berufungsanträge unbegründet3. Auf die vom Oberlandesgericht Frankfurt zugelassene Revision hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht Frankfurt.
Durchgreifenden Bedenken unterliegt das Berufungsurteil, soweit es das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten des Verletzten … erlangt“ in § 852 Satz 1 BGB verneint. Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, muss die unerlaubte Handlung zu einem Vermögensnachteil des Geschädigten und zu einem Vermögensvorteil des Ersatzpflichtigen geführt haben, wobei sich die Vermögensverschiebung nicht unmittelbar zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Geschädigten vollzogen haben muss4. Liegt dem Neuwagenkauf eines nach § 826 BGB durch den Fahrzeughersteller Geschädigten bei einem Händler die Bestellung des bereitzustellenden Fahrzeugs durch den Händler bei dem Hersteller zugrunde und schließen der Hersteller und der Händler einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, aufgrund dessen der Hersteller gegen den Händler einen Anspruch auf Zahlung des Händlereinkaufspreises erlangt, ist dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegeben, weil der schadensauslösende Vertragsschluss zwischen dem Geschädigten und dem Händler einerseits und der Erwerb des Anspruchs auf Zahlung des Händlereinkaufspreises bzw. der Erwerb des Händlereinkaufspreises durch den Hersteller andererseits auf derselben, wenn auch mittelbaren Vermögensverschiebung beruhen5. Hat der Händler das Fahrzeug hingegen unabhängig von einer Bestellung des Geschädigten vor dem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes (Absatz)Risiko erworben, fehlt es an dem für §§ 826, 852 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang6.
Ausdrücklich festgestellt ist im Streitfall lediglich, dass kein Direktverkauf der Volkswagen AG an den Autokäufer vorliegt. Maßgeblich ist aber auch, ob die Volkswagen AG aufgrund des Neuwagenkaufs des Autokäufers einen Kaufpreisanspruch gegen den Händler erlangt hat oder ob der Händler das verkaufte Fahrzeug schon vor der Bestellung des Autokäufers auf eigene Kosten und eigenes (Absatz)Risiko erworben hatte. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, dass sich eindeutige Feststellungen hierzu auch nicht aus den vom Oberlandesgericht Frankfurt in Bezug genommenen Anlagen ergeben.
Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Frankfurt zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Oberlandesgericht Frankfurt wird mit den Parteien zu erörtern haben, dass der bisher vom Autokäufer gehaltene Vortrag sein zuletzt in der Hauptsache in Höhe von 6.861, 42 € gestelltes Zahlungsbegehren schlüssig nicht ergibt, sofern das Vorbringen so zu verstehen ist, die Volkswagen AG habe gegen den Händler aus dem zwischen dem Händler und der Volkswagen AG über das Fahrzeug geschlossenen Kaufvertrag lediglich eine Forderung in Höhe von 20.263, 14 € erlangt. In diesem Fall bestünde ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB nach Anrechnung des vom Autokäufer in Höhe von 15.006, 98 € zugestandenen Nutzungswerts und des aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs erwirtschafteten Erlöses in Höhe von 6.500 € nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nicht mehr7.
Sollte der Autokäufer in der wiedereröffneten Berufungsverhandlung darlegen, die Volkswagen AG habe tatsächlich aus dem Kaufvertrag mit dem Händler mehr erlangt als bisher behauptet, wird das Oberlandesgericht Frankfurt zu beachten haben, dass nach Weiterverkauf des Fahrzeugs während des laufenden Rechtsstreits an die Stelle des nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung herauszugebenden und zu übereignenden Fahrzeugs der Marktwert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Weiterverkaufs tritt, den das Oberlandesgericht Frankfurt gemäß den Grundsätzen des § 287 ZPO ausgehend von dem vom Autokäufer tatsächlich erzielten Kaufpreis zu ermitteln haben wird8.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. September 2022 – VIa ZR 281/22
- LG Kassel, Urteil vom 01.06.2021 – 8 O 2355/20[↩]
- OLG Frankfurt, Urteil vom 113.01.2022 – 15 U 219/21[↩]
- BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, WM 2022, 731 Rn. 24 ff. mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2022 – VII ZR 365/21, NJW 2022, 1311 Rn. 27; Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, WM 2022, 731 Rn. 68; jeweils mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 14; Urteil vom 21.03.2022 – VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 27[↩]
- BGH, Urteil vom 21.03.2022, aaO, Rn. 28[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2021 – VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 18 ff.; Urteil vom 20.07.2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 30[↩]