Zur Schätzung von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall auf der Grundlage von Listen und Tabellen hat nun erneut der Bundesgerichtshof Stellung genommen. Diesmal zu dem Fall, dass mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken.

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Betracht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen nicht auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden1. Demgemäß hat der erkennende Bundesgerichtshof vielfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den „Normaltarif“ grundsätzlich auch auf der Grundlage des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im maßgebenden Postleitzahlengebiet (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann2. Grundsätzlich ist weder die Schätzung auf der Grundlage des „Schwacke-Mietpreisspiegels 2006“ noch des „Schwacke-Mietpreisspiegels 2007“ als rechtsfehlerhaft zu erachten3. Auch eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen oder Tabellen, wie etwa der sogenannten Fraunhofer-Liste4, ist nicht von vornherein grundsätzlich rechtsfehlerhaft. Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung nach § 287 ZPO. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles von diesen – etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif – abweichen.
Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf allerdings dann, aber auch nur dann, der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken5.
Im Ansatz geht das Berufungsgericht von diesen Grundsätzen bei seiner Schadensschätzung auf der Grundlage des SchwackeMietpreisspiegels 2007 aus. Doch macht die Revision mit Recht geltend, dass die Beklagte konkrete Mängel dieses Mietpreisspiegels aufgezeigt und unter Beweis gestellten umfassenden Sachvortrag dazu gehalten habe, dass die Klägerin ein vergleichbares Fahrzeug für sieben Tage inklusive sämtlicher Kilometer und Vollkaskoversicherung zu konkret benannten, wesentlich günstigeren Preisen bestimmter anderer Mietwagenunternehmen hätte anmieten können. Die Beklagte hat unter Benennung von drei konkreten Mietpreisangeboten dargelegt, dass der angebotene Normaltarif in dem der Klägerin örtlich zugänglichen Bereich zwischen 282,99 € und 312,01 € für sieben Tage liege. Dieser Tarif stimme überein mit dem örtlichen Normaltarif für die entsprechende Fahrzeugklasse nach der sogenannten FraunhoferListe. Er sei nicht nur deutlich niedriger als der von der hier eingeschalteten Mietwagenfirma in Rechnung gestellte Preis von 01.429,40 € netto, sondern auch erheblich günstiger als der Normaltarif von 1.178 € nach dem Modus der SchwackeMietpreisliste 2007. Es handle sich bei den aufgezeigten Angeboten um den ortsüblichen Normaltarif für Selbstzahler im maßgebenden Anmietungszeitraum und nicht um kurzfristige Sonderangebote oder Schnäppchenpreise. Zum Beweis dafür hat die Beklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Damit hat die Beklagte hinreichend deutlich gemacht, dass der zur Schadensbehebung erforderliche maßgebende Normaltarif deutlich günstiger sei als der, zu dem die Klägerin das Fahrzeug angemietet hat, und der sich nach dem Modus der SchwackeMietpreisliste 2007 ergibt.
Mit diesem konkreten Sachvortrag der Beklagten gegen die Tauglichkeit des Modus der SchwackeMietpreisliste 2007 als Schätzungsgrundlage im Streitfall hätte sich das Berufungsgericht näher befassen müssen. Dadurch, dass es dies unterlassen hat, hat es den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt und die Grenzen seines tatrichterlichen Ermessens im Rahmen des § 287 ZPO überschritten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Mai 2011 – VI ZR 142/10
- vgl. BGH, Urteile vom 11.03.2008 – VI ZR 164/07, VersR 2008, 699 Rn. 9; vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07, VersR 2008, 1706 Rn. 22; vom 18.05.2010 – VI ZR 293/08, aaO Rn. 4; vom 22.02.2011 – VI ZR 353/09, aaO Rn. 7; und vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09[↩]
- st. Rspr. vgl. etwa BGH, Urteile vom 18.05.2010 – VI ZR 293/08, aaO Rn. 4; und zuletzt vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09[↩]
- vgl. zum Schwacke-Mietpreisspiegel 2006: BGH, Urteile vom 11.03.2008 – VI ZR 164/07, aaO Rn. 8; vom 19.01.2010 – VI ZR 112/09, VersR 2010, 494 Rn. 6; sowie vom 02.02.2010 – VI ZR 139/08, VersR 2010, 545 Rn. 26 und – VI ZR 7/09, VersR 2010, 683 Rn. 9[↩]
- vgl. dazu ausführlich BGH, Urteil vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09 mwN[↩]
- st. Rspr. des BGH, vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.03.2008 – VI ZR 164/07, aaO; vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07, aaO; vom 19.01.2010 – VI ZR 112/09, aaO; vom 18.05.2010 – VI ZR 293/08, aaO Rn. 4; und zuletzt vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09[↩]
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