Der Anspruch auf Ersatz der zu einer Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen kann durch einen Abzug „neu für alt“ gemindert sein.

Anlass für diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs war eine Klage, bei der die Wurzeln eines Baumes auf dem Nachbargrundstück in einen Kanal eingedrungen waren. Der Klägerin stand demgemäß nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen die Beklagte ein Anspruch auf Beseitigung der durch die Wurzeln eingetretenen Beeinträchtigung zu. Der Anspruch umfasste die Wiederherstellung des beschädigten Kanals, da die Entfernung der Wurzeln zu dessen Zerstörung geführt hatte1.
Der Eigentümer, der eine solche Beeinträchtigung selbst beseitigt, kann von dem nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB an sich hierzu verpflichteten Störer Ersatz der zu der Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, und zwar – soweit sich die Voraussetzungen feststellen lassen – aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB), im Übrigen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB2.
Der sich danach ergebende Zahlungsanspruch ist durch einen Abzug unter dem Gesichtspunkt „neu für alt“ gemindert.
Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB durch ein Mitverschulden des Eigentümers entsprechend § 254 BGB beschränkt sein kann3. Der Bundesgerichtshof hat dies damit begründet, dass der auf lediglich objektiver Rechtswidrigkeit beruhende Beseitigungsanspruch nicht weiter gehen kann als ein auf schuldhaftem Handeln beruhender Schadensersatzanspruch4 und dass bei dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommenen weiten Umfang des Beseitigungsanspruchs ein Bedürfnis zur entsprechenden Anwendung schadensersatzrechtlicher Anspruchsbeschränkungen besteht5. Rechtstechnisch erfolgt die Berücksichtigung des Mitverschuldens in der Weise, dass der Beseitigungsanspruch durch eine Feststellung zur Kostenbeteiligung des Anspruchsberechtigten in Höhe von dessen Haftungsquote eingeschränkt wird6.
Nichts anderes gilt für die Berücksichtigung eines Abzugs „neu für alt“.
In der Rechtsprechung finden sich Judikate, die bei dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Berücksichtigung eines Abzugs „neu für alt“ für möglich erachten7. In der Literatur wird die Möglichkeit eines Abzugs „neu für alt“ teilweise als konsequente Fortführung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit des § 254 BGB im Rahmen von § 1004 BGB angesehen8.
Dem ist zuzustimmen. Soweit diese Rechtsfortbildung von der Literatur vereinzelt abgelehnt wird9, beruhen die Argumente auf einem engeren von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zugrunde gelegten Begriff der Beeinträchtigung und ihrer Beseitigung. Zwar trifft es zu, dass der Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB eine andere Funktion hat als Schadensersatzansprüche10. Das ändert aber nichts daran, dass er, so wie er von dem Bundesgerichtshof verstanden und gehandhabt wird, teilweise schadensersetzende Wirkung hat11. Es ist daher folgerichtig, die Grundsätze über den Abzug „neu für alt“ darauf anzuwenden. So wie der Geschädigte durch eine Schadensersatzleistung nicht besser gestellt werden soll, als wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre, so soll auch derjenige, dessen Eigentum (nur) beeinträchtigt wird, durch die Beseitigung der Störung keinen Vorteil erlangen. Dies ginge über das Pflichtenprogramm der Störungsbeseitigung hinaus, und zwar gerade dann, wenn – und weil – ihr eine schadensersatzrechtliche Komponente zukommt.
Ist schon der Beseitigungsanspruch durch einen Abzug „neu für alt“ beschränkt, so versteht es sich von selbst, dass dies auch für Ansprüche gilt, die dem Beeinträchtigten zustehen, wenn er die Störung und ihre Folgen selbst beseitigt. Der Folgeanspruch kann nicht weiter reichen als der primäre Störungsbeseitigungsanspruch.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Januar 2012 – V ZR 136/11
- st. BGH-Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 04.02.2005 – V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1368 mwN[↩]
- st. Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 04.02.2005 – V ZR 142/04, NJW 2005, 1366 f. mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 18.04.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 239 und vom 21.10.1994 – V ZR 12/94, NJW 1995, 395 f. mwN[↩]
- vgl. zu § 251 BGB BGH, Urteil vom 21.12.1973 – V ZR 107/72, WM 1974, 572 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 18.04.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 239[↩]
- BGH, Urteil vom 18.04.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 239 f.[↩]
- LG Düsseldorf, ZMR 2009, 140 f.; vgl. auch [jeweils zu § 812 BGB] BayObLGZ 1968, 76, 84 f. und – die Frage offen lassend – OLG Zweibrücken, NVwZRR 2004, 11 f.[↩]
- Wenzel, NJW 2005, 241, 243; Wolf, LM BGB § 254 [Bb], Nr. 13, Bl. 5[↩]
- Dickersbach, DWW 2009, 215, 217 f., siehe auch Staudinger/Gursky, BGB [2006], § 1004 Rn. 154 ff., insbes. Rn. 162 und Gursky, JZ 1992, 312, 315 Fn. 28[↩]
- Staudinger/Gursky, BGB [2006], § 1004 Rn. 156 f; Dickersbach, DWW 2009, 215, 218[↩]
- BGH, Urteil vom 18.04.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 239; siehe auch zum Beseitigungsanspruch als Schadensersatzanspruch im Sinne der Haftpflichtversicherung BGH, Urteil vom 08.12.1999 – IV ZR 40/99, NJW 2000, 1194, 1196 f.[↩]