Vertragstrafe – Aufrechnung statt Vorbehalt bei der Abnahme

Ein Vorbehalt der Vertragsstrafe bei Abnahme ist gemäß § 341 Abs. 3 BGB jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Besteller bereits vor Abnahme die Aufrechnung mit der Vertragsstrafe erklärt hat und der Anspruch auf Vertragsstrafe infolgedessen bereits vollständig erloschen ist.

Vertragstrafe – Aufrechnung statt Vorbehalt bei der Abnahme

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof unter ausdrücklicher Aufgabe seiner entgegenstehenden bisherigen Rechtsprechung1.

In dem hier entschiedenen Fall hatten die Parteien in dem von der Werkunternehmerin gestellten Formularvertrag eine Vertragsstrafe gemäß § 339 Satz 1 BGB vereinbart, die sie an den Verzug mit der im Vertrag bestimmten Fertigstellungsfrist geknüpft haben. Die Werkunternehmerin ist mit der Fertigstellung des Bauvorhabens in Verzug geraten.

Der Vertragsstrafenanspruch ist im Streitfall nicht deshalb erloschen, weil die Besteller keinen Vorbehalt bei der Abnahme der Werkleistung erklärt haben.

Nach § 341 Abs. 3 BGB kann der Gläubiger, der die Erfüllung annimmt, die Vertragsstrafe grundsätzlich nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei Annahme vorbehält. Im Werkvertragsrecht stellt die Abnahme des Bestellers gemäß § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB die Annahme als Erfüllung dar2.

Es kommt nicht darauf an, ob die Besteller am 9.11.2011 einen Vertragsstrafenvorbehalt erklärt haben. Denn an diesem Tag ist es nicht zu einer Abnahme der Werkleistung gekommen. Eine ausdrückliche Abnahmeerklärung ist unstreitig nicht erfolgt. Auf Grundlage der nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts kommt auch eine konkludente Abnahme nicht in Betracht. Eine konkludente Abnahme setzt voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles das nach Außen hervortretende Verhalten des Bestellers den Schluss rechtfertigt, er billige das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß3. In einer Nutzung durch den Besteller kann eine konkludente Abnahme liegen. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn der Besteller vor Beginn der Nutzung oder innerhalb einer angemessenen Prüffrist Mängel rügt, die ihn zu einer Abnahmeverweigerung berechtigen4, oder wenn das Bauwerk noch nicht vollständig fertiggestellt ist5. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Recht eine konkludente Abnahme verneint. Denn anlässlich des Termins vom 09.11.2011 hat der von den Besteller beauftragte Sachverständige eine Reihe von Mängeln festgestellt, die er zum Teil als erheblich eingestuft hat. Darüber hinaus waren die Außenanlagen noch nicht fertiggestellt, was ebenfalls beanstandet wurde. Die Werkunternehmerin hatte daher keinen Anlass zur Annahme, die Besteller billigten das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß.

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Es kann offen bleiben, ob die Besteller im Rahmen der vom Beru- fungsgericht rechtfehlerfrei festgestellten fiktiven Abnahme gemäß § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB im April 2012 einen Vertragsstrafenvorbehalt erklärt haben. Des Weiteren kann der Bundesgerichtshof offen lassen, ob im Rahmen der fiktiven Abnahme überhaupt die Erklärung eines Vertragsstrafenvorbehalts erforderlich ist, um die Vertragsstrafe verlangen zu können.

Ein Vorbehalt der Vertragsstrafe bei Abnahme gemäß § 341 Abs. 3 BGB ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Besteller bereits vor Abnahme die Aufrechnung mit der Vertragsstrafe erklärt hat und der Anspruch auf Vertragsstrafe infolgedessen bereits vollständig erloschen ist. Soweit das Urteil vom 04.11.19821 dem entgegensteht, hält der Bundesgerichtshof aus den nachfolgenden Gründen hieran nicht fest.

Bereits der Wortlaut des § 341 Abs. 3 BGB, nach dem der Gläubiger die Vertragsstrafe nur verlangen kann, wenn er sich das Recht dazu bei Abnahme vorbehält, spricht dafür, dass ein Vorbehalt allein dann erforderlich ist, wenn der Strafanspruch bei Abnahme noch besteht6. Ist die Vertragsstrafe zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer vom Gläubiger erklärten Aufrechnung bereits erloschen, kann er sie nicht mehr verlangen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erfordern keine abweichende Beurteilung. Soweit die Vorschrift des § 341 Abs. 3 BGB die Schaffung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bezweckt, steht dies der vorstehenden Auslegung nicht entgegen. Würde man hingegen in einem solchen Fall ein Vorbehaltserfordernis im Zeitpunkt der Abnahme annehmen, würden bei fehlendem Vorbehalt die Aufrechnungswirkungen im Nachhinein entfallen, was weder Rechtsklarheit noch Rechtssicherheit fördert. Die mit der Vorschrift verbundene Schuldnerschutzfunktion erfordert ein solches Verständnis ebenfalls nicht.

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§ 341 Abs. 3 BGB soll nicht nur klare Verhältnisse schaffen, sondern auch unbillige Härten gegen den Schuldner verhindern7. Die unbillige Härte liegt nach dieser Vorschrift aber allein darin, dass der Schuldner die Vertragsstrafe erfüllen muss, obwohl er nicht mehr damit rechnet. § 341 Abs. 3 BGB stellt deshalb formal auf die Erklärung des Vorbehalts bei Abnahme ab, ohne dass es auf einen etwaigen Verzichtswillen des Gläubigers ankommt. Der Schuldner soll auf diese Weise Klarheit haben, ob die Vertragsstrafe noch geltend gemacht wird, und nicht Gefahr laufen, noch bis zum Ablauf der Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden8. Diese Gefahr besteht aber nicht, wenn die Vertragsstrafe bereits erfüllt ist. Letztlich gebietet auch die Funktion der Vertragsstrafe keine andere Auslegung des § 341 Abs. 3 BGB. Die Vertragsstrafe ist vom Gesetzgeber mit einer doppelten Zielrichtung geschaffen worden. Sie soll zum einen als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten und zum anderen dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung eröffnen9. Im Hinblick auf ihre Funktion als Druckmittel soll der Schuldner grundsätzlich auch bei bereits verwirkter Vertragsstrafe die Aussicht behalten, dass der Gläubiger unter dem Eindruck der nachgeholten Erfüllung von seinem Recht, die Vertragsstrafe zu fordern, keinen Gebrauch macht. Diese dem Gläubiger dienende Funktion kann aber dann nicht mehr maßgeblich sein, wenn die Vertragsstrafe durch eine von ihm erklärte Aufrechnung bereits erloschen ist und er sich dadurch selbst seines Druckmittels begeben hat.

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So liegt der Fall hier. Die Besteller haben, wie mit Anwaltsschreiben mitgeteilt, von der vorletzten Werklohnrate die Vertragsstrafe abgezogen und den danach verbleibenden Restbetrag an die Werkunternehmerin überwiesen. Darin liegt eine Aufrechnung, die gemäß § 389 BGB zum Erlöschen der gegenseitigen Forderungen geführt hat, soweit sie sich decken, und damit die Erfüllung des Strafanspruchs bewirkt hat.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. November 2015 – VII ZR 43/15

  1. BGH, Urteil vom 04.11.1982 – VII ZR 11/82, BGHZ 85, 240[][]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 20.02.1997 – VII ZR 288/94, BauR 1997, 640, 641 8; Urteil vom 03.11.1960 – VII ZR 150/59, BGHZ 33, 236, 237 m.w.N.[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 10.06.1999 – VII ZR 170/98, BauR 1999, 1186, 1188 16; Urteil vom 22.12 2000 – VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250, 262 39[]
  4. BGH, Urteil vom 22.12 2000 – VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250, 262[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2011 – VII ZR 175/09, BauR 2011, 876 Rn. 14[]
  6. vgl. Reinicke/Tiedtke, DB 1983, 1639, 1640[]
  7. vgl. Motive II, S. 277[]
  8. vgl. Protokolle I, S. 778 f.[]
  9. vgl. Motive II, S. 275[]