Die schriftlich beantragte Versagung der Restschuldbefreiung – in Altfällen

Nach Art. 103h EGInsO sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.07.2014 beantragt wurden, bis auf die hier nicht einschlägigen Ausnahmen nach Art. 103h Satz 2 und Satz 3 EGInsO die bis dahin geltenden Vorschriften und nicht die durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 18.07.20131 geänderten Vorschriften weiter anzuwenden.

Die schriftlich beantragte Versagung der Restschuldbefreiung – in Altfällen

Demzufolge war für die Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung § 290 InsO in der bis zum 30.06.2014 geltenden Fassung maßgeblich. Danach war – sofern Versagungsgründe vorliegen – die Restschuldbefreiung nur dann zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist. An einem solchen Antrag fehlt es hier. Die verschiedenen Anträge der Gläubiger wurden alle schriftlich und nicht in einem (Schluss-)Termin gestellt.

Das bis zur Änderung der Insolvenzordnung zum 1.07.2014 grundsätzlich maßgebliche Mündlichkeitsprinzip ergibt sich nicht nur aus der Gegenüberstellung von § 290 Abs. 1 InsO a.F. („ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlußtermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist„) und § 290 Abs. 1 und 2 InsO n.F. („Die Restschuldbefreiung ist … zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger … beantragt worden ist. … Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin … schriftlich gestellt werden„). Es folgt auch aus einem Vergleich von § 5 Abs. 2 InsO a.F. und § 5 Abs. 2 InsO n.F. Nach der alten Fassung konnte unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile schriftlich geführt werden. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass grundsätzlich eine mündliche Verfahrensführung geboten war. Dagegen kann nach der neuen Fassung nun unter den gleichen Voraussetzungen angeordnet werden, dass das Verfahren mündlich geführt wird. Dieser Vergleich zeigt, dass vor der Änderung alle Verfahren – sofern keine gesonderte Anordnung getroffen wurde – mündlich geführt werden mussten und danach alle Verfahren – ohne gesonderte Anordnung – schriftlich geführt werden können2.

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In einem vergleichbaren Sachverhalt entschied der Bundesgerichtshof3 deshalb, dass ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung, sofern gemäß § 5 Abs. 2 InsO a.F. nicht das schriftliche Verfahren angeordnet und diese Anordnung im Internet öffentlich bekannt gemacht worden sei, von einem Insolvenzgläubiger nach dem Wortlaut des § 290 Abs. 1 InsO a.F. nur im Schlusstermin beziehungsweise in einem vorzeitig abgehaltenen, dem Schlusstermin entsprechenden Termin zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung gestellt werden könne. Vorher gestellte Anträge seien als bloße Ankündigung eines Versagungsantrags zu behandeln. Gleichzeitig könne der geforderte Termin nicht durch eine schriftliche Aufforderung zur Stellungnahme nebst Fristsetzung durch das Insolvenzgericht an die Gläubiger ersetzt werden, da hiermit kein einheitlicher Zeitpunkt der Entscheidung festgelegt werde, weil die jeweilige Frist für jeden Gläubiger individuell mit Zugang der Aufforderung zu laufen beginne.

Diese Vorgehensweise wurde sodann durch den Bundesgerichtshof im Beschluss vom 12.04.20184 bestätigt.

Eine Entscheidung, die von dieser eindeutigen Rechtslage ohne jede Begründung abweicht, ist deshalb unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und damit willkürlich.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. Juli 2022 – 2 BvR 1154/21

  1. BGBl I S. 2379[]
  2. s. hierzu auch Stephan, in: Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Aufl.2016, § 5 Rn. 29; Ganter/Bruns, in: MünchKomm-BGB/InsO, 4. Aufl.2019, § 5 Rn. 3a f.[]
  3. BGH, Beschluss vom 08.03.2018 – IX ZB 12/16, Rn. 7 ff.[]
  4. BGH, Beschluss vom 12.04.2018 – IX ZB 60/16, Rn. 17[]
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