Insolvenzrecht im Mai 2015

Liquiditätsbilanz und Insolvenzanfechtungen; Vergütung und Abberufung von Sonderverwaltern; Unterhaltspflichten und der isolierte Restschuldbefreiungsantrag.

Verfahrensanträge des Gläubigers – und die bestrittene Forderung

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Insolvenzverfahren, auf das noch die Vorschriften der Insolvenzordnung in der bis zum 1.07.2014 geltenden Fassung Anwendung finden (Art. 103h EGInsO). Danach ist über den Antrag auf Restschuldbefreiung nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung von Amts wegen zu entscheiden, auch wenn das Insolvenzverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen werden kann. Den Beteiligten muss wie bei einem Schlusstermin Gelegenheit zu Versagungsanträgen nach § 290 InsO und zur Stellungnahme gegeben werden2.

Nach § 290 Abs. 1 InsO in der bis zum 1.07.2014 geltenden Fassung ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und ein Versagungsgrund vorliegt. Wer „Insolvenzgläubiger“ ist, regelt die Vorschrift nicht näher.

Das Insolvenzgericht hat nicht darüber zu befinden, ob dem Gläubiger die angemeldete Forderung zusteht. Diese Aufgabe obliegt vielmehr dem Insolvenzverwalter und den übrigen Gläubigern (§§ 176, 178 f InsO) und dem für die Feststellung der Forderung zuständigen Prozessgericht (§ 180 InsO)3. Die Prüfung der Antragsbefugnis durch das Insolvenzgericht erstreckt sich deshalb nur auf die formale Gläubigerstellung und nicht auf die materielle Berechtigung. Dem entspricht § 290 Abs. 1 InsO nF, der mit Blick auf das Antragsrecht die bisherige Bundesgerichtshofsrechtsprechung nachzeichnen soll4. Nach dieser Rechtsprechung können Versagungsanträge von Gläubigern gestellt werden, die ihre Forderung angemeldet haben5. Ob die Forderung nach Prüfung im Schlusstermin an den Verteilungen teilnimmt, ist für die Antragsbefugnis unerheblich6.

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Dies gilt auch für bestrittene Forderungen. Es gibt keinen Grund, die zur Stellung eines Versagungsantrags berechtigende formale Gläubigerstellung in diesem Fall von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Es bedarf auch nicht des Nachweises der Klageerhebung nach § 189 Abs. 1 InsO7. Erst Recht nicht erforderlich ist der Erfolg der Feststellungsklage oder der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners8.

Nach § 1 Satz 2 InsO soll der redliche Schuldner Gelegenheit erhalten, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Daraus folgt zweierlei: Einerseits darf nur der redliche Schuldner auf die Erlangung der Restschuldbefreiung vertrauen. Andererseits bedarf es zum Schutz der von einer Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger eines wirkungsvollen Verfahrens, in dem die Unredlichkeit des Schuldners geltend gemacht werden kann. Beschränkungen dieses Gläubigerschutzes dienen der Verfahrensökonomie, nicht aber dem Schutz des Schuldners. Dieser ist nur mittelbar in seinem Vertrauen auf ein gesetzmäßiges Verfahren geschützt. Das Erfordernis des Versagungsantrags ist deshalb nicht nur Ausdruck der Gläubigerautonomie, sondern führt auch zu einer Entlastung des Insolvenzgerichts, das anderenfalls auch ohne Antrag zur Amtsermittlung verpflichtet wäre (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die nach § 290 Abs. 2 InsO erforderliche Glaubhaftmachung soll verhindern, dass durch das Insolvenzgericht aufwendige Ermittlungen geführt werden müssen, die auf bloße Vermutungen gestützt sind9. Der Beschleunigung des Verfahrens dient schließlich, dass nach der hier maßgeblichen Rechtslage die Geltendmachung eines Versagungsantrags nach § 290 InsO10 oder auch nur dessen Glaubhaftmachung11 nach dem Schlusstermin nicht mehr möglich sind.

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Ob die zur Stellung eines Versagungsantrags berechtigende formale Gläubigerstellung schon aus der Forderungsanmeldung folgt oder von weiteren Voraussetzungen abhängig ist, beurteilt sich demnach nicht nach dem Interesse des Schuldners an der Erlangung der Restschuldbefreiung. Maßgeblich ist vielmehr, ob weitere Voraussetzungen notwendig sind, um eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners herbeizuführen, ohne die Gerichte übermäßig zu belasten. Dies ist auch für bestrittene Forderungen nicht der Fall.

Anhand der Forderungsanmeldung lässt sich die Befugnis zur Stellung eines Versagungsantrags für das Insolvenzgericht einfach und sicher beurteilen. Die Beschränkung des Antragsrechts auf die am Verfahren teilnehmenden Gläubiger trägt dazu bei, dass die im Restschuldbefreiungsverfahren erforderlichen Entscheidungen zeitnah getroffen werden können, ohne den Schutz der von der Restschuldbefreiung betroffenen Gläubiger übermäßig zurückzudrängen. Eine schnelle und zugleich wirkungsvolle Überprüfung der Redlichkeit des Schuldners ist hingegen nicht möglich, wenn der Nachweis der Beseitigung des Widerspruchs für erforderlich gehalten wird. Der rechtskräftige Abschluss des Feststellungsprozesses müsste jeweils abgewartet werden. Insbesondere in massearmen Verfahren ist es dem Gläubiger auch nicht zumutbar, die gerichtliche Feststellung der bestrittenen Forderung unter Kostenaufwand zu betreiben, wenn und solange es noch zur Restschuldbefreiung kommen kann. Letzteres gilt auch für den vom Beschwerdegericht geforderten Nachweis der Klageerhebung nach § 189 Abs. 1 InsO.

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Für eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung, etwa der Fall einer offensichtlich bereits erfüllten oder frei erfundenen Forderung, gab es im hier entschiedenen Fall keinen zureichenden Anhaltspunkt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. März 2015 – IX ZB 85/13

  1. Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 08.10.2009 – IX ZB 257/08, WM 2009, 2234[]
  2. BGH, Beschluss vom 03.12 2009 – IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 Rn. 28; vom 22.04.2010 – IX ZB 196/09, WM 2010, 1082 Rn. 9; vom 11.10.2012 – IX ZB 230/09, WM 2012, 2161 Rn. 8[]
  3. BGH, Beschluss 14.10.2004 – IX ZB 114/04, WM 2004, 2446, 2447; vom 07.12 2006 – IX ZB 1/04, NZI 2007, 241 Rn. 7[]
  4. BT-Drs. 17/11268 S. 26[]
  5. BGH, Beschluss vom 22.02.2007 – IX ZB 120/05, WM 2007, 839 Rn. 2 f; vom 08.10.2009 – IX ZB 257/08, WM 2009, 2234 Rn. 3; vom 11.10.2012, aaO Rn. 10[]
  6. BGH, Beschluss vom 08.10.2009, aaO[]
  7. so aber AG Hamburg, ZInsO 2005, 1060; HmbKomm-InsO/Streck, 5. Aufl., § 290 Rn. 2; Schmidt/Henning, InsO, 18. Aufl., § 290 Rn. 17[]
  8. so aber FK-InsO/Ahrens, 8. Aufl., § 290 Rn. 189 f; vgl. auch LG Hamburg, ZInsO 2009, 2163, 2164 f[]
  9. BGH, Beschluss vom 14.05.2009 – IX ZB 33/07, NZI 2009, 523 Rn. 5[]
  10. BGH, Beschluss vom 23.10.2008 – IX ZB 53/08, NZI 2009, 64 Rn. 9 ff[]
  11. BGH, Beschluss vom 14.05.2009 aaO[]
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